Karlheinz Fahlbusch

Schon früher gab es in der Linzgaustadt Fabriken, die mittlerweile aus dem Gedächtnis der Menschen weitgehend verschwunden sind. So wie die Weinmannmühle im Andelsbachtal. Man nutzt dort bereits 1842 die Wasserkraft, um Maschinen anzutreiben. Der Kaufmann Rudolph Ferdinand Probst hatte mit der Produktion von Draht begonnen. Seine kleine Fabrik verkaufte er um das Jahr 1871 an Wendelin Weinmann, der sie dann zu einer Mahlmühle umbaute.

Erste Möbelfabrik in einer Mühle

Nach Weinmanns Tod kaufte Bürgermeister Franz Heilig, der auch Abgeordneter der Nationalliberalen in der 2. Badischen Kammer und Reichstagsabgeordneter war, die Mühle und ließ sie auch umtreiben. Um 1900 zog dann die erste Möbelfabrik in der Mühle ein, in der 20 Arbeiter beschäftigt waren. Sie konnte sich aber nicht halten und so erfolgte 1910 der Umbau in eine Ölmühle, die auch viele Jahre betrieben wurde. 1950 wurde in der Mühle eine mechanische Feinweberei mit zeitweise bis zu 14 Arbeitern eingerichtet. Die rentierte sich aber nicht. Ebenso eine Borstenzurichterei. Die Zeit der Weinmannmühle als Fabrik nahm 1961 ein Ende.

Die Stumpenfabrik in der Überlinger Straße wurde später auch von der Firma Haug genutzt.
Die Stumpenfabrik in der Überlinger Straße wurde später auch von der Firma Haug genutzt. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Was heute wohl kaum denkbar ist, nahm die Stadt in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Angriff: Sie ließ in der Überlinger Straße ein Fabrikgebäudes zur Vermietung bauen. Es muss um das Jahr 1953 gewesen sein, als die Firma Burger Söhne aus Aargau in der Schweiz in dem neuen Gebäude mit der Produktion von Stumpen begann. Die kurzen, dicken Stumpen werden auch heute noch aus dunklen und kräftigen Tabaken hergestellt. „Stumpenfabrik“ ist auch heute noch ein gängiger Begriff für das inzwischen zum Wohnhaus umgebaute Gebäude. Auch die Bürgerbushaltestelle ist danach benannt. Als sich die Firma Burger aus Pfullendorf verabschiedet hatte, kaufte nach einer Zwischennutzung Anfang der 80er Jahre Heinz Haug die Stumpenfabrik und lagerte dort Stoffe und Textilien.

Frauenarbeitsplätze in Textilfabriken

Bei Haug-Textil gab es mehr als 100 Frauenarbeitsplätze. Mitarbeiterinnen waren ständig gesucht. Für deren Kinder hatte man extra einen ...
Bei Haug-Textil gab es mehr als 100 Frauenarbeitsplätze. Mitarbeiterinnen waren ständig gesucht. Für deren Kinder hatte man extra einen Betriebskindergarten eingerichtet. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Haug hatte bereits zu Beginn der 60er Jahre eine moderne Textilfabrik auf dem Areal vor dem heutigen Seepark-Center gebaut. Rund 110 Frauen und 20 Männer stellten dort Nachtwäsche für Erwachsene und Kinder und später auch Jogginganzüge her. Dazu kamen noch zahlreiche Lohnbetriebe. Haug ließ auch eine große Sporthalle bauen, die 2002 aber abgebrannt ist. Die Produktion wurde vor einigen Jahren eingestellt, das Gebäude wird aber nach wie vor genutzt. Stoffe und Nähgarne aus Restbeständen hat Haug kürzlich für das Nähen von Corona-Schutzmasken kostenlos zur Verfügung gestellt. „Und das wurde sehr gut in Anspruch genommen“, freute sich 88-jährige Unternehmer im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Jahrzehnte lang wurden am Stadtsee Textilien produziert. Mittlerweile steht hier eine moderne Seniorenwohnanlage.
Jahrzehnte lang wurden am Stadtsee Textilien produziert. Mittlerweile steht hier eine moderne Seniorenwohnanlage. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Ebenfalls im Textilbereich tätig war die Firma Keinath, die seit 1938 in Pfullendorf ansässig war. Sie zog 1953 in das neue Fabrikgebäude am Stadtsee. Rund 100 Frauen waren hier beschäftigt, bisweilen sogar bis zu 200. Unter dem Markennamen „Herkei“ wurden Herrenoberhemden und später auch Damenblusen hergestellt. 1983 kam das Ende für die Fabrik. Wilhelm Müller übernahm die Produktionsmaschinen und etwa 30 Mitarbeiterinnen und produzierte unter seinem Namen Nachthemden, Blusen und Morgenmäntel bis zum Jahr 1995 weiter. Nach einer Nutzung als „Technologie- und Innovationszentrum Pfullendorf“ wurde das Gebäude vor einigen Jahren abgerissen. Jetzt steht dort eine Seniorenwohnanlage.

Rund 17 000 Quadratmeter umfasste das Areal der Maschinenfabrik Karl Roßknecht an der Neidlingstraße.
Rund 17 000 Quadratmeter umfasste das Areal der Maschinenfabrik Karl Roßknecht an der Neidlingstraße. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Rund 17 000 Quadratmeter groß war das Areal der Maschinenfabrik Karl Roßknecht an der Neidlingstraße, das ab 1949 entstand und heutzutage komplett mit Wohnhäusern bebaut ist. Roßknecht produzierte unter den Namen Karo bis zum Jahr 1973 sehr viele Eigenentwicklungen, so auch ein Mehrzweckgerät für die Landwirtschaft. Wichtig war auch die Herstellung von Dingen, die nach dem Krieg noch Mangelware waren. Genannt seien die Spätzlesdrucker, die noch in so manchem Haushalt zu finden sind. Außerdem war die Firma als Zulieferer für viele namhafte Firmen tätig. In so manchem Porsche steckten Teile aus Pfullendorf. Und noch heute sind auf den Straßen Autoanhänger unterwegs, die bei Roßknecht gebaut wurden. Rund 200 Arbeitsplätze gab es hier und wer Glück hatte, der konnte sich mit Unterstützung der Firma ein kleines Häuschen bauen. Die „Roßknechtsiedlung“ steht noch heute und hat sogar eine eigene Straßenbezeichnung.

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