Treffpunkt Mitte Mai ist im Seepark. Es wird getrunken. Dann fahren die Heranwachsenden mit mindestens drei Autos nach Lampertsweiler zum Milchhäusle. Die Truppe, teilweise mit Baseballschlägern ausgerüstet, marschiert auf eine kleine Gruppe zu und drischt dann auf einen 20-Jährigen ein. Der junge Mann kann fliehen, aber auf dem Rückweg demoliert einer der Angreifer noch das Auto des Opfers mit dem Baseballschläger. Von der Schlägertruppe mussten sich zwei mutmaßliche Rädelsführer nun vor dem Amtsgericht unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der Prozessbeobachter fand sich zwischen einem vermeintlichen Bandenkrieg wie in der West-Side-Story und dem Schweigekartell der Mafia wieder.
Auto mit dem Baseballschläger demoliert
Zunächst räumte der Autozertrümmerer diese Tat ein, entschuldigte sich beim Opfer und wollte die 800 Euro Reparaturkosten zahlen. „Geschlagen habe ich niemand“, bestritt er hingegen vehement den Vorwurf der Körperverletzung. Jemand hinter ihm habe dem Opfer einen Faustschlag ins Gesicht verletzt. Wer das war, konnte der Beschuldigte nicht sagen, eben so wenig, warum die Pfullendorfer überhaupt losgefahren waren. Er ist Vater eines Kleinkindes und hat mittlerweile den Kontakt zu der Gruppe abgebrochen.
Unterschiedliche Aussagen über Bekanntheit zwischen Täter und Opfer
Sein Mitangeklagter, ein 19-jähriger Ex-Kumpel, räumte einen Faustschlag ein, wobei beide Parteien in diese Rauferei verwickelt gewesen seien. Zunächst bestritt er, dass er das Opfer kannte, dann räumte er eine Kneipenbegegnung ein, bei dem dieser ihm Getränke für 100 Euro zunächst spendiert aber am Folgetag das Geld zurückverlangte habe. Deshalb habe er sich mit ihm beim Milchhäusle verabredet.
Opfer schlittert als Zeuge an Falschaussage vorbei
Interessant gestaltete sich die Vernehmung des 20-jährigen Opfers. Mit vier Autos seien 15 bis 20 Leute aufgetaucht, hätten seinen Namen gerufen und fast alle seien auf ihn losgegangen. Dabei habe es keinen Grund für Stress gegeben, erklärte er vor Gericht. Richterin Rosauer hielt ihm seine Aussage bei der Polizei vor, die er dort unmittelbar nach dem Vorfall abgegeben hatte. Dort habe er sich von der Polizei gedrängt gefühlt, irgendetwas zu sagen, erklärte der 20-Jährige. Die Rechtsvertreter erinnerten ihn an die Wahrheitspflicht und möglichen Folgen einer Falschaussage. Dann intervenierte der als Zeuge geladene Mitarbeiter der Jugendhilfe: „Du reitest dich immer weiter hinein. Es kommt der Dampfhammer“, rief er ihm ins Gewissen. Der 20-Jährige sagte dann: „Ich habe gelogen. Bei der Polizei.“ Dann präsentierte er eine andere Version. Demnach habe er den Täter zuvor in Pfullendorf wegen der vermeintlichen Schulden getroffen, es gab eine Schlägerei und deshalb habe dieser ihn wohl gesucht: „Er wusste, wo ich war.“ Der Beschuldigte meldete sich zu Wort: „Diese Story hat er erfunden.“
Spaziergängerin hatte Polizei alarmiert
Der erste Zeuge, ein 29-jähriger Kollege des Opfers, wurde gehört. Eine ziemlich aggressive Truppe mit sieben bis zehn Leuten sei beim Milchhäusle aufgetaucht, hätten auf seinen Kumpel eingeschlagen, der flüchten konnte. „Der war der Anführer“, zeigte er auf den 19-Jährigen. Als nächste Zeugin bestätigte eine 23-Jährige, dass sie die Polizei alarmierte hatte. Sie hatte das Geschehen beim Spaziergang mit einer Freundin von der Ferne beobachtet. Ein 20-Jähriger berichtete vom „gegenseitigen Anschreien“ der Gruppen und zwei Leute hätten das Auto seines Kumpels demoliert. Immer wieder hakten Richterin und Staatsanwalt bei allen Beteiligten nach und fragten nach dem Grund für die Auseinandersetzung. „Wir haben nicht darüber geredet“, gab es auch von diesem Zeugen keine Auskunft. Als „Notlüge und nicht glaubwürdig“ stufte die damals vor Ort eingesetzte Oberkommissarin die Aussagen des Opfers ein. Nach der Alarmierung hatte die Polizei zunächst nach ihm gesucht und später habe er den Beamten Stück für Stück seine Geschichte erzählt.
Jugendhilfevertreter bringt Jugendarrest als Strafmaß ins Spiel
Der Jugendhilfevertreter zitierte aus den Akten der beiden Beschuldigten und wies auf die Gruppendynamik des Geschehens hin, wobei noch Alkohol im Spiel gewesen sei. Er empfahl, bei dem 20-Jährigen, der das Auto demoliert hatte, Jugendstrafrecht anzuwenden. Bei 19-Jährigen tat sich der erfahrene Helfer sichtlich schwer, zumal dieser erst fünf Monate vor dem Vorfall im Mai wegen Körperverletzung verurteilt worden war. Mit seinem Vater hatte er auf dem Schulhof der Sechslindenschule einen Mitschüler verprügelt. Als „Schuss vor den Bug“ könnte man auch zwei, drei Wochen Arrest verhängen, erklärte der Sachverständige.
Staatsanwaltschaft fordert drei Wochen Jugendarrest
Angesichts etlicher Vorstrafen forderte der Staatsanwalt für den Autodemolierer eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht und eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 70 Euro. Dessen Verteidiger hielt dagegen, die bloße Anwesenheit beim Vorfall dürfe nicht als „Beihilfe“ zur Tat gewertet werden. Maximal 750 Euro solle die Strafe betragen, wenn sein Mandant nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden sollte. Für den Hauptbeschuldigten forderte die Staatsanwaltschaft drei Wochen Jugendarrest und 1000 Euro Geldstrafe. Das Urteil nach fast vier Stunden Verhandlung: Der 20-Jährige muss den Autoschaden ersetzen. Der 19-Jährige muss sie drei Wochen in den Jugendarrest und eine Geldstrafe an eine soziale Einrichtung zahlen. Berufung gegen das Urteil ist möglich.