Wenn am Donnerstag 3. März, 18 Uhr, sich die Mitglieder des Gemeinderates zu einer öffentlichen Sondersitzung in der Stadthalle treffen, dann müssen sie eine Grundsatzentscheidung treffen. Der offizielle Tagesordnungspunkt zeigt die schier historische Dimension: „SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH – Strukturentscheidungen, Ausstieg des Spitalfonds Pfullendorf aus der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH, Veräußerung der Gesellschaftsanteile des Spitalfonds Pfullendorf und anteiliger Erwerb durch den Landkreis Sigmaringen und der SRH Gesundheit GmbH.“
Alle Gesellschafter müssen Grundsatzentscheidung zustimmen
Nachdem das Zweitgutachten zum medizinischen Zukunftskonzept der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH die Schließungsempfehlung für das Krankenhaus Pfullendorf bestätigt hat, muss der Spitalfonds Pfullendorf als Mitgesellschafter dieser Empfehlung zustimmen, ebenso wie SRH und der Landkreis Sigmaringen, denn laut Vertrag müssen solche fundamentalen Strukturbeschlüsse einstimmig beschlossen werden.
Unverzügliche Verlagerung der Psychiatrie von Sigmaringen nach Pfullendorf
In der Sitzungsvorlage für die Ratssitzung am 3. März erläutert Bürgermeister Thomas Kugler als Berichterstatter auf zwölf Seiten die Situation und formuliert im Beschlussvorschlag ein Ja zur Aufgabe der stationären Grundversorgung, sprich Chirurgie und Innere sowie Somatik, am heimischen Standort, wobei diese Zustimmung an mehrere Bedingungen geknüpft ist. Dazu gehört die unverzügliche Verlagerung der Psychiatrie nach Pfullendorf mitsamt eventuell noch notwendiger baulicher Anpassungen. „Der Verlagerung wird nur zugestimmt, wenn es neben der Psychiatrie noch ausreichend Möglichkeiten gibt, je nach Möglichkeit ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Verbindung mit Primärversorgungszentrum oder einer Praxisklinik, jeweils mit einem Ambulanten Operationszentrum (AOP) am Standort Pfullendorf einzurichten“, ist als weitere Bedingung formuliert. Die SRH Kliniken soll beauftragt werden, diese Strukturen aufzubauen und zudem soll das Land die nötigen Überwachungsbetten am Standort genehmigen.
Der Standort Pfullendorf soll Betriebsstelle der Kliniken GmbH bleiben
Im neuen MVZ soll die Ermächtigung für eine von der Berufsgenossenschaft anerkannte Arztstelle geschaffen werden, auch um das bestehende Angebot einer Arztpraxis zu ergänzen. Der Stadt soll zudem auf Wunsch eine Beteiligung am MVZ eingeräumt werden, das unverzüglich gegründet werden soll, wobei in der Beschlussvorlage 2022/2023 als Zeitraum angegeben ist. Für den Fall, dass das Gebäude in Pfullendorf von der Klinik GmbH aufgegeben oder veräußert wird, soll der Stadt ein Ankaufs- beziehungsweise Vorkaufsrecht eingeräumt werden.
Spitalfonds will Gesellschafteranteil an SRH Kliniken GmbH verkaufen
Dass es nach der Aufgabe des heimischen Krankenhauses für den Spitalfonds keinen Sinn mehr macht, als Mitgesellschafter der SRH Klinik GmbH seinen Anteil von 12,74 Prozent zu behalten, hatte Bürgermeister Thomas Kugler schon bei einem Pressegespräch erklärt, als das Zweitgutachten vorgestellt wurde. Deshalb will man den Anteil für 2,1 Millionen Euro verkaufen, wobei der Landkreis 5,29 Prozent für knapp 900 000 Euro übernehmen soll und SRH die restlichen 7,45 Prozent für 1,26 Millionen Euro.
Mit der Anteilsübernahme würde der Landkreis den Spitalfonds aus seiner Bürgschaftsverpflichtung von rund 1,28 Millionen Euro entlassen. Als Risikominimierung für den Spitalfonds bezeichnet Bürgermeister Thomas Kugler den Ausstieg und weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die geplanten Investitionsvorhaben am Klinikstandort Sigmaringen für den Spitalfonds weitere finanzielle Verpflichtungen bedeutet hätten. Zudem müssten die Gesellschafter die prognostizierten Verluste der SRH Klinik GmbH tragen. „Weitere Bürgschaften und mögliche Defizitausgleiche hätten den Bestand der Stiftung ernsthaft gefährden können“, bringt es Kugler auf den Punkt.
Hausärztliche Versorgung in Pfullendorf ist unterdurchschnittlich
Bewusst sind sich die Verantwortlichen über die Schwierigkeiten der medizinischen Versorgung der Menschen. Die Firma WMC Healthcare, die das Zweitgutachten erstellte, hat für Pfullendorf einen hausärztlichen Versorgungsgrad von 83,3 Prozent und damit den niedrigsten Wert im Landkreis ermittelt, wobei diese Angaben von Ende 2020 stammen. Für diesen Bedarf könnte das Krankenhaus Pfullendorf mit geringen Umbaumaßnahmen nutzbar gemacht werden und die bestehende Diagnostik an das MVZ übergehen, empfehlen die Gutachter. Die eigentliche Herausforderung sieht WMC in der Personalgewinnung und der Finanzierung, denn die Kliniken dürfen entsprechend der Rechtslage in der ambulanten Versorgung nur sehr eingeschränkt tätig werden. Wobei die SRH-Geschäftsführung mehrfach versichert hat, in Pfullendorf ein MVZ anzusiedeln und weitere Arztsitze für diese Einrichtung zu erwerben, wobei eine solche Ansiedlung nur im Einvernehmen mit den niedergelassenen Ärzten möglich sei. „Auch wenn dies nur im Zusammenwirken mit der Kassenärztlichen Vereinigung möglich ist, sollte das MVZ der Kliniken GmbH gemeinsam mit der Stadt Pfullendorf diesen Schritt wagen“, gibt es seitens der Stadtverwaltung ein klares Ja zu dieser Option.
Beraterfirma sieht Aufbau eines ambulanten Operationszentrums in Pfullendorf kritisch
Das Angebot eines ambulanten Operationszentrums (AOP) in Pfullendorf sieht die Beraterfirma WMC hingegen sehr kritisch, denn selbst im günstigsten Fall müsse man mit einem jährlichen Minus von 200 000 Euro rechnen. Nur wenn man externe Partner für das AOP gewinne und dies in Vollauslastung betreibe, könnte man erfolgreich agieren. Trotz dieser negativen Prognose sollte nach Auffassung der Verwaltung dieser Ansatz weiter verfolgt werden, wobei auch die Stadt an der Gestaltung mitwirken sollte. Nur, wenn die Vollauslastung gelinge, das heißt, auch die niedergelassenen Ärzte die Kapazitäten nutzen, könnte ein AOP erfolgreich betrieben werde, heißt es in der Sitzungsunterlage.
Zeitplan für Entscheidungen und Beteiligung der Öffentlichkeit
Nach der Sondersitzung des Gemeinderates Pfullendorf am kommenden Donnerstag, 3. März, findet dann am Dienstag, 8. März, 19 Uhr, ebenfalls in der Stadthalle eine Bürgerinformationsversammlung statt, die für alle Einwohner des Landkreises gilt. Denn die Veranstaltung wird gemeinsam mit dem Landkreis veranstaltet, dessen geplante Bürgerinfo in der Göge-Halle in Hohentengen abgesagt wurde. Einlass in die Stadthalle am 8. März ist ab 18.15 Uhr. Dabei wird das Zweitgutachten der Firma WMC Healthcare über das medizinische Zukunftskonzept vorgestellt. Diese Informationsveranstaltung wird auch als Livestream übertragen und ist unter www.kliniken-sigmaringen.de oder www.landkreis-sigmaringen.de abrufbar. Der Kreistag wird am 14. März, 14 Uhr, in der Sandbühl-Halle in Bingen seine Entscheidung treffen. Zuvor tagt am 3. März, 14 Uhr, der zuständige Verwaltungs- und Sozialausschuss, ebenfalls in der Sandbühlhalle in Bingen.