Exakt um 20.21 Uhr endete in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats eine jahrhundertelange Tradition – Pfullendorf hat kein Krankenhaus mehr, das vom Spitalfonds betrieben wird. Einstimmig votierte der Gemeinderat in seiner Sondersitzung in der Stadthalle vor exakt sieben Zuhörern für das medizinische Zukunftskonzept der Kliniken GmbH, das die Schließung der Krankenhäuser Pfullendorf und Bad Saulgau und die Konzentration der stationäre Patientenversorgung im Landkreis im Krankenhaus Sigmaringen ab Mitte 2023 bedeutet.
Spitalfonds Pfullendorf tritt als Gesellschafter der SRH Kliniken GmbH aus
Der Gemeinderat billigte auch den Austritt des Spitalfonds als Gesellschafter der SRH Kliniken GmbH zum Monatsende, wofür man 2,1 Millionen Euro erhält. „Es tut uns sehr leid, wir haben keine andere Wahl“, brachte FW-Fraktionschef Thomas Jacob die Stimmungslage des Gremiums auf den Punkt. Zuvor hatte Bürgermeister Thomas Kugler davon gesprochen, dass man sich „der neuen Zeitrechnung in der medizinischen Gesundheit anpassen müsse“ und mit den Veränderungen die Realität abbilde. Im Schnelldurchlauf erläuterte Dr. Arne Berndt von der Firma WMC Healthcare die Eckpunkte des Zweitgutachtens und die Optionen für eine Nachfolgenutzung des Gebäudes in Pfullendorf.
Medizinisches Versorgungszentrum ist für ambulante Versorgung unerlässlich
Die Eröffnung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) ist für den Experten unerlässlich, um die ambulante Versorgung zu stärken. Auch die Einrichtung einer Kurzzeitpflege ist für ihn vielversprechend, und die Verlagerung der Psychiatrie von Sigmaringen nach Pfullendorf mache durchaus Sinn, während das von Pfullendorf anvisierte ambulante Operationszentrum wenig erfolgsversprechend sei.
Bürgermeister sieht ehrliches Interesse von SRH und Landkreis
Dank der Psychiatrie habe Pfullendorf die Chance, als Betriebsstätte mitsamt 90 Betten im Landeshauskrankenplan erhalten zu bleiben, berichtete Bürgermeister Kugler, dass es kommende Woche auch Gespräche wegen dem MVZ gibt, wobei er durchaus hoffnungsvoll sei. Klar ist für den Rathauschef, dass die verbliebenen SRH-Gesellschafter, die SRH Holding GmbH und der Landkreis, ein ehrliches Interesse an einer erfolgreichen Nachnutzung des Pfullendorfer Hauses hätten. „Wir sind zum Erfolg verdammt“, weiß der Rathauschef um die Enttäuschung über das Aus von bisher gut funktionierender Strukturen, aber ein „Weiter so“, sei unmöglich. „Seit der Gemeindereform ist das die schwierigste Entscheidung“, bekannte der Bürgermeister. Und der Ausstieg des Spitalfonds als SRH-Gesellschafter sei notwendig, um diesen zu schützen, ergänzte Kugler, dass die Stiftung bestehen bleibt.
Bei Nichtnutzung erhält Stadt oder Spitalfonds das Vorkaufsrecht
Dann bat FW-Chef Jacob namens der Fraktionen um eine Sitzungsunterbrechung, denn eine wichtige Frage musste noch geklärt werden: Was passiert, wenn die Psychiatrie doch nicht nach Pfullendorf verlagert wird und SRH im Prinzip keinen Bedarf mehr am Gebäude hat? Fraktionsübergreifend wurde im Beschlussvorschlag deshalb ein zusätzlicher Passus aufgenommen, wonach in einem solchen Fall, die Stadt oder der Spitalfonds das Vorkaufsrecht hätte, um dort eine medizinische Grundversorgung einzurichten, ohne gegen die Interessen von SRH zu verstoßen. „Das wäre kein zusätzliches Krankenhaus“, brachte es Thomas Kugler auf den Punkt, der diese Ergänzung nicht als Misstrauen gegen SRH verstanden haben will.
Angebot der Physiotherapie wird es nicht mehr geben
Auf Nachfrage von Eva Riede-Leibbrand (UL) verneinte Jan Ove-Faust, dass SRH das auch für Nichtkrankenhauspatienten nutzbare Phyisotherapieangebot aufrechterhält, wobei ein freier Praxisbetreiber gut in ein Primärversorgungszentrum passen würde. Die auf dem Podium sitzenden Gesellschaftsvertreter Landrätin Stefanie Bürkle und Werner Stalla als Geschäftsführer der SRH Gesundheit GmbH mussten keine Fragen beantworten.