Kreis Sigmaringen – Im Jahr 1913 wurde das Krankenhaus Bad Saulgau gebaut und exakt 110 Jahre später werden dort, was die stationäre Patientenversorgung angeht, die Lichter ausgehen. Der Kreistag stimmte am Montagnachmittag bei seiner Sitzung in der Göge-Halle in Hohentengen mit 26 Ja gegen sechs Nein-Stimmen für die Schließung der Häuser in Bad Saulgau und Pfullendorf und für die Zentralisierung der stationären Patientenversorgung in Sigmaringen.

Kreisräte der Raumschaft Bad Saulgau stellen weitreichenden Antrag

Aber die Kurstadt hat den Kampf um das Krankenhaus noch nicht aufgegeben und deshalb stellten fünf Kreisräte der Raumschaft Bad Saulgau den Antrag, die Entscheidung über das medizinische Konzept an eine Bedingung zu knüpfen – Bad Saulgau erhält die Chance, das Krankenhausareal mitsamt Liegenschaften und für die Diagnostik notwendige Ausstattung zum Zeitpunkt der Schließung der Betriebsstätte zu fairen und wirtschaftlich leistbaren Bedingungen zu kaufen.

Bad Saulgau will Verantwortung übernehmen

Vor drei Dutzend Besuchern, die ihren Protest gegen die Klinikschließungen mit Plakaten illustrierten, erklärte Doris Schröter, Bürgermeisterin von Bad Saulgau und FW-Fraktionschefin, dass ihre Stadt bereit sei, „selbst in die Verantwortung zu gehen“. Sie versuchte, dem Kreistag die neue Offerte schmackhaft zu machen und verwies auf die gutachterlich bestätigten Jahresverluste von Bad Saulgau sowie dem prognostizierten Sanierungsaufwand von 13 Millionen hin. Diese künftige Last würde man SRH und dem Landkreis durch die Übernahme ersparen und die Stadt könnte dann mit interessierten Akteuren einen Gesundheitscampus mit breitem medizinischem Angebot entwickeln. „Die Stadt möchte diese letzte Option nutzen und ist bereit, entsprechende Risiken, auch für den Fall des Scheiterns zu übernehmen.“

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Landrätin begrüßt Initiative, lehnt eine Verknüpfung aber ab

Dass die Zustimmung zum medizinischen Konzept an eine Bedingung knüpfe, auf die der Kreistag keinen Einfluss habe, nämlich die späteren Verhandlungen zwischen der SRH-Gesellschaft als Eigentümerin des Krankenhauses und der Stadt Bad Saulgau, lehnte Landrätin Stefanie Bürkle ab. Für sie klinge diese Option so, dass man das Krankenhaus behalten wolle, monierte die Kreischefin, dass man diese Option schon früher in die Verhandlungen hätte einbringen können. Sie habe Verständnis für den Wunsch, und der Kreistag könne mögliche Verhandlungen ja unterstützen.

Erfolg der Nachnutzungskonzeption als Gradmesser für Kommunalpolitiker

Die Fraktionssprecher stützten im Anschluss die Argumentation von Bürkle. Für die CDU signalisierte Stefan Bubeck zwar, dass Bad Saulgau die Unterstützung seiner Fraktion bekomme, wenn die Stadt das Gebäude kaufen will. Aber seit Jahrzehnten beschäftige man sich im Kreistag mit der Krankenhausthematik und dank vieler richtiger Entscheidungen konnten viele Jahre drei Standorte gehalten werden. Grünen-Sprecher Hermann Brodmann wies auf die bundespolitischen Rahmenbedingungen, Fachkräftemangel und Veränderungen in der Medizin hin und mahnte, dass man „nicht aus Sorge, unkluge Entscheidungen treffen sollte“. Wenn Menschen in Bad Saulgau keinen Hausarzt finden, habe das nichts mit dem Krankenhaus zu tun. Den Antrag bewerte er grundsätzlich positiv, aber eine Verbindung zum medizinischen Konzept herzustellen, sei nicht klug.

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CDU-Kreisrat Zimmerer spricht von einem „schwarzen Tag“

Von einer schweren Entscheidung sprach SPD-Fraktionschef Matthias Seitz, wobei es richtig sei, den empfohlenen Weg einzuschlagen. Klar ist für ihn, dass dann die Arbeit erst richtig losgeht und das Gremium am Erfolg der Nachnutzungskonzepte gemessen wird. Aber man könne sich keine Hängepartie leisten und nicht endlos weiter diskutieren. Von einem „schwarzen Tag“ sprach CDU-Kreisrat Thomas Zimmerer aus Bad Saulgau. Während in Baden-Württemberg die Krankenhausinfrastruktur zerschlagen und die Konzentration gefördert werde, gebe es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die gegenteilige Entwicklung. Ohne die Bevölkerung aus Pfullendorf und Bad Saulgau werde auch der Betrieb des Krankenhauses in Sigmaringen schwierig, forderte Zimmerer ein klares Signal für Bad Saulgau, „sonst gehen 30 000 oder 40 000 Menschen andere Wege.“ Man sei ein Stück weit getrieben, ist für Jochen Spieß (CDU) entscheidend, dass ein Krankenhaus im Landkreis überlebensfähig sein muss. Wie viele andere Probleme, würde die Sicherung der Gesundheitsversorgung von Bund und Land auf die Kommunen abgeschoben.

Sitzung wird unterbrochen und interfraktioneller Kompromiss gefunden

Um jedes Wort wurde in der Sitzungspause gerungen. Unser Bild zeigt CDU-Vertreter Stefan Bubeck, FW-Chefin Doris Schröter, Landrätin ...
Um jedes Wort wurde in der Sitzungspause gerungen. Unser Bild zeigt CDU-Vertreter Stefan Bubeck, FW-Chefin Doris Schröter, Landrätin Stefanie Bürkle und SPD-Fraktionschef Matthias Seitz (von links). | Bild: Volk, Siegfried

Doris Schröter verwahrte sich abschließend gegen den Vorwurf, dass der Kampf um das Krankenhaus Bad Saulgau als Kirchturmpolitik ihrer Stadt bezeichnet wird. Sie trage als Kreisrätin Projekte wie die Umfahrung B 311 mit, obwohl die Zahl der Betroffenen deutlich geringer sei, als bei den Krankenhausschließungen. Sie beantragte erfolgreich eine Sitzungsunterbrechung, damit die Fraktionen über den Antrag der fünf Bad Saulgauer Kreisräte beraten konnten. Die Fraktionssprecher gruppierten sich um Landrätin Bürkle und es wurde augenscheinlich um jedes Wort gerungen. Letztlich einigte man sich interfraktionell auf die Formulierung, dass der Kreistag das Bestreben der Stadt Saulgau unterstützt, das Krankenhausareal mitsamt Diagnostik zu erwerben und sich in die anstehenden Verhandlungen mit der SRH-Gesellschaft einbringen will.

In Pfullendorf soll ein Medizinisches Versorgungszentrum etabliert werden

Es folgte der Schlussakkord der Krankenhausdebatte. Sechs Kreisräte votierten gegen die Empfehlung des medizinischen Zukunftskonzepts und die Schließung von Bad Saulgau. Einstimmig war das Votum, dass in Pfullendorf ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) eingerichtet wird, gegebenenfalls unter Beteiligung der Stadt. Einstimmig war auch das Votum, dass die SRH-Geschäftsführung für die Standorte Pfullendorf und Bad Saulgau beim Land Anträge für die Entwicklung von Primärversorgungszentren erarbeiten soll und zu prüfen, ob die Kliniken dafür Geld aus dem Krankenhausstrukturfonds erhalten. Und, wenn die betroffenen Städte eine vertiefte Prüfung der Nachnutzungsoptionen prüfen, soll der Kreis sie unterstützen.