Was ist passiert, nachts um 2 Uhr in der Wohnung in einer Kreisgemeinde? Eine 18-Jährige übernachtet in einem separaten Zimmer bei ihrer Tante und soll von derem Lebensgefährten vergewaltigt worden sein. „Ich habe nichts getan“, beteuert der Beschuldigte immer wieder vor dem Schöffengericht. Er hat keine Erklärung für die Anzeige der jungen Frau. Wenn Richter Jürgern Dorner und seine zwei Schöffen ihn schuldig sprechen, drohen ihm mindestens zwei Jahre Gefängnis, maximal zehn Jahre.
Nur vermeintlicher Täter und vermeintliches Opfer waren als Zeugen geladen
Die Prozessbeobachter können sich während der dreistündigen Verhandlung nur ein unvollständiges Bild der Tatnacht sowie der Vorgeschichte machen, denn die Befragung des Opfers findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es könnten Informationen zur Person und Lebensumstände aufkommen, die nicht in die Öffentlichkeit gehören, begründet Richter Dorner den Ausschluss der Besucher. Öffentlich war zuvor die Anklage sowie die Einlassung des Beschuldigten. Nur der potenzielle Täter und das potenzielle Opfer wurden gehört, ansonsten waren keine Zeugen geladen.
Beschuldigter: „Ich habe nichts gemacht“
Der Staatsanwaltvertreter warf dem Mann vor, der jungen Frau, die nach einer familiären Geburtstagsfeier betrunken im Bett lag, zuerst die Jogginghose ausgezogen und dann vergewaltigt zu haben. Er sei nachts im Zimmer gewesen, nachdem ihm die 18-Jährige mehrfach Handynachrichten geschickt habe, schilderte der Beschuldigte die nächtliche Szenerie. Dabei habe er die Frau immer schlafend vorgefunden, wobei sie ihn einmal am Arm packte, als er einen leeren Teller wegräumen wollte. „Ich habe nichts gemacht“, versicherte er immer wieder. Am Folgetag habe die Frau mit ihm und seiner Partnerin gefrühstückt, und auch sonst kein Wort verloren. Der Familienfreund schilderte die 18-Jährige als schwierigen Charakter. Stets wolle sie im Mittelpunkt stehen und habe mehrfach Männer wegen sexuellen Übergriffen beschuldigt, wobei es nie zu einer Anzeige gekommen sei.
Handynachricht: „Fahr zur Hölle“
Richter Dorner hielt dem lebhaft agierenden Mann mehrere Handynachrichten vor, die er Tage nach der verhängnisvollen Nacht an die 18-Jährige geschickt hatte: „Gib mir die Möglichkeit zu Reden. Ich wollte dir nie wehtun“, zitierte der Amtsrichter sinngemäß inklusive der Antwort: „Fahr zur Hölle.“ Er habe diese Nachrichten mit verheulten Augen und völlig verzweifelt geschrieben, erklärte der Beschuldigte, dass ihm erst später klar wurde, welchen „Sch....“ er formuliert hatte. Dann gab es keinen Kontakt mehr zwischen den Beiden. Im Sommer habe die 18-Jährige ihre Tante besucht und dann mit ihm via Handy gesprochen und dabei erklärt, dass sie die Anzeige zurückziehen werde. Der Staatsanwalt hielt ihm Bilder mit Verletzungen des Opfers vor, die nach der vermeintlichen Tat gemacht worden waren. „Sie hatte immer kleinere Verletzungen“, erklärte der Beschuldigte.
„Warum sollte das Mädchen die Vergewaltigung behaupten?“
Irritiert fragte der Staatsanwalt, ob er sich bei der Frau nie erkundigt habe, ob sie die Anzeige tatsächlich zurückgezogen habe. Nein, versicherte der Mann, das ihm seine Freundin später von der Rücknahme erzählte. „Warum sollte das Mädchen die Vergewaltigung behaupten?“, fragte die Nebenklägerin, worauf der Beschuldigte von deren schwierigen Verhältnissen erzählte. Deren Familie hatte die Wohnung verloren, und so übernachtete die Jugendliche oft in der Wohnung der Tante. Es folgt der formale Beschluss, dass die Besucher den Sitzungssaal verlassen müssen und die Zeugin betrat den Raum, begleitet von einem pädagogischen Beistand. Nach mehr als einer Stunde öffnete sich die Tür wieder. Richter Dorner verlas den offiziellen Bericht des Krankenhauses. Das Mädchen hatte am Folgetag ihrer Mutter von dem Geschehen erzählt und einen Tag später nahm die Kripo ihre Arbeit auf.
Weitere Zeugen werden vom Schöffengericht vorgeladen
„Wir müssen weitere Zeugen hören“, erklärte Pflichtverteidiger Karl Abt, dass zumindest die damals in der Wohnung befindliche Tante, die Mutter der 18-Jährigen sowie ihr derzeit in der Schweiz lebender Ex-Freund befragt werden müssten, um die Glaubwürdigkeit der Aussagen zu überprüfen. In ihrer Vernehmung hatte die junge Frau wohl berichtet, dass es seitens des Beschuldigten schon vorher sexuell motivierte Übergriffe gegeben haben. „Man muss viel aufhellen“, pflichtete der Staatsanwalt bei, dass man „drei Spuren“ habe.
Landeskriminalamt findet männliche DNA-Spuren
Dann wurde es spannend. In der Beweisaufnahme hatte ein wichtiges Indiz gefehlt – das Ergebnis einer DNA-Untersuchung der Unterhose des Opfers durch das Landeskriminalamt. Nur, wenn dieses Ergebnis vorliege, stimme er einer Unterbrechung zu, gab es von Richter Dorner eine klare Ansage. Der Staatsanwalt hatte die zündende Idee, und so fragte Dorner beim benachbarten Polizeipräsidium Sigmaringen bei der zuständigen Sachbearbeiterin nach und siehe da, schon im Juli hatte das LKA das Gutachten geschickt, das nun binnen Minuten zum Gericht gebracht wurde. Technisch-biologisch kompliziert war das Antwortschreiben formuliert, aber es gab eine eindeutige Aussage, die Richter Dorner dem Beschuldigten vorhielt: „Wie kommt ihre DNA an den Slip?“
Verdacht: „War weitere Person im Raum?“
Eindringlich appellierte der Staatsanwalt daraufhin an den Beschuldigten, sich nochmals mit seinem Anwalt zu beraten, wobei er das fünfseitige Gutachterergebnis hochhielt. Allein, es fand keine Beratung zwischen Verteidiger und Anwalt statt und so folgte das Gericht dessen Antrag, weitere Zeugen zu hören und die Verhandlung wurde unterbrochen. Die große Beweisaufnahme findet nun am 22. Dezember mit der Vernehmung von vier zusätzlichen Zeugen inklusive einer Polizistin statt. Denn von Seiten der Ermittler wurde der Verdacht geäußert, dass sich in der Tatnacht eine weitere Person im Zimmer aufgehalten habe.