Sieglinde Hornstein aus Echbeck misst zwar nur knappe 1,60 Meter, doch wie sie der deutlich größeren Melike Gündemir mit der flachen Hand einen Ablenkungsschlag auf die Brust versetzt und dabei laut „Stopp!“ schreit, verfehlt seine Wirkung nicht. Gündemir mimt den Angreifer. Die Polizistin hat zuvor erklärt, dass ein selbstbewusstes Auftreten und die eindeutige Botschaft „das lass ich mir nicht gefallen“ eine gute Reaktion auf ungewollte Annäherungsversuche sind. Später zeigt sie, wie Stöße mit Kopf oder Ellbogen einen Angreifer außer Gefecht setzen können. „Wer Griffe und Hebel zur Selbstverteidigung lernen will, dem empfehle ich Krav Maga oder Wing Tsun“, so die Polizeiweltmeisterin im Boxen, die seit 18 Jahren Kampfsport betreibt.

Angreifer abwehren

Bei Dunkelheit auf dem Heimweg, im Wald beim Joggen, im Festzelt, im Parkhaus oder nach der Disco – viele Situationen sind vorstellbar, in denen Frauen von Männern angemacht, angepöbelt, begrapscht, sexuell bedrängt oder im schlimmsten Fall vergewaltigt werden. Ob Exhibitionismus oder Handtaschenraub, keine Frau will mit so etwas konfrontiert werden. Um so besser, wenn sie weiß, wie sie sich zur Wehr setzen kann.
Narrenzunft veranstaltet Veranstaltung zur Prävention
„Sicher unterwegs“ hieß es daher am vergangenen Donnerstag im Pfarrsaal in Denkingen. Die Veranstaltung der Holzhauderezunft Denkingen stieß auf großes Interesse. „Prävention ist ein großes Thema bei uns in der Zunft. Es ist uns ein großes Anliegen, dass die Mädels nach Auswärtsumzügen gut vom Bus nach Hause kommen“, sagt Sonja Vogler. „Letzte Fasnacht kam es in Festzelten wohl öfter zu Begegnungen, die Frauen verunsichert haben.“ Marina Weikart und ihre Schwester aus Neuhausen ob Eck haben zwar noch keine schlechten Erfahrungen gemacht, aber sie wollen sich über Prävention informieren. Sabine Bosch aus Denkingen geht es genauso. „Was ich heute bei der Selbstverteidigung gelernt habe, werde ich auch an meine 12-jährige Tochter weitergeben.“

Frauen fühlen sich unsicher
Dass es Belästigungen nicht nur in der Fasnacht gibt, machte Fabian Hengstler, in Sigmaringen bei der Polizei im Referat Prävention tätig, in seinem Vortrag über Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum deutlich. Die Aktion entstand nach den Vorfällen der Silvesternacht 2016. Damals wurden Frauen in Köln, Stuttgart und anderen Städten übelst bedrängt. „Das Sicherheitsgefühl hat darunter wahnsinnig gelitten“, so Hengstler. Er sagt aber auch, dass die Zahl der Delikte und damit das Risiko vergleichsweise gering sind. Die Ängste mögen unbegründet sein, sind aber trotzdem da. „Warum sind Sie besorgt?“ will er von den Teilnehmerinnen wissen. „Ich werde durch die Medien ganz verrückt gemacht“, ist eine Antwort.
Selbst Schenkelgrapschen ist strafbar

„Nein heißt Nein“, lautet eine Kernbotschaft des Abends. Gegen ihren Willen muss sich keine Frau sexuelle Berührungen gefallen lassen – auch nicht über der Bekleidung oder an Körperteilen wie dem Oberschenkel. Das gilt ebenso für Küsse auf den Hals oder ähnliches. Auch digitale Gewalt stellt eine Straftat dar. „Erstatten Sie Anzeige, wenn Ihnen Dick-Pics, also Penisbilder, oder sonstige pornografischen Bilder auf ihr Handy geschickt werden. Das wird bei Kindern bis 13 Jahre sogar als Kindesmissbrauch geahndet“, erklärt Hengstler.
Kubotan zur Selbstverteidigung
Wenn Flüchten nicht möglich ist, dürfen und sollen Frauen sich schlagend und tretend zur Wehr setzen. Dem Angreifer im „worst case“ eine Flasche über den Schädel zu ziehen, ist nicht verboten. „Das ist Notwehr“, so der Polizist. Von Pfefferspray hält er nicht so viel, da es in der Handhabung im Ernstfall unpraktisch sei. Melika Göndemir zeigte den Teilnehmerinnen, wie die Abwehr mit einem Kubotan funktioniert – dieser hat Ähnlichkeit mit einem Kugelschreiber und dient der Selbstverteidigung.
Weitere Infos unter www.polizei-beratung.de
Tipps von der Polizei
- Gedanklich vorbereiten: Wohin gehe ich, was erwartet mich dort? Wie komme ich wieder nach Hause? Ist es dann schon dunkel, fährt überhaupt noch ein Bus? Kann mich jemand abholen?
- Kein Risiko eingehen: Plätze/ Situationen meiden, die einem bedenklich vorkommen. Sich durch Beleidigungen nicht provozieren lassen, sondern ignorieren
- Wegplanung: Keine Abkürzung durch den Wald oder dunkle Gassen wählen. Dort laufen, wo am ehesten andere Leute sind, lieber den weiteren, aber beleuchteten Weg wählen
- Auf sich aufmerksam machen: In Notsituationen schreien, laut um Hilfe rufen. Eventuell einen Taschenalarm griffbereit bei sich tragen, das kleine Geräterzeugt einen schrillen Ton
- Körpersprache: Täter suchen sich vermeintlich schwache, zaghaft wirkende Opfer aus. Durch aufrechtes Gehen oder eine laute Stimme Selbstbewusstsein demonstrieren
- Alkohol: Wer betrunken ist, hat ein höheres Risiko, Opfer einer Straftat zu werden. Bei Partys etc. aufeinander aufpassen, am besten zusammen kommen und zusammen gehen