Ein verregneter Tag am matschigen Rand eines Ackers bei Riedhausen. Drehbeginn war um 8 Uhr. Die Regieassistentin hat zwei Maiskolben in der Hand. „Zur Not locke ich die Wildschweine persönlich an“, meint sie. Die Crew am Set ist durchnässt, Plastikfolien schützen die Ausrüstung gegen den Regen. Die Wildschweine im Gehege haben noch keine Lust, sich in Richtung Kameramann Conrad Lobst zu bewegen. Schauspielerin Nina Gnädig ist nicht zu beneiden, sie wartet in der Kälte als Tante Gabi im luftigen Trägerkleid auf ihren Einsatz. „Die Serie spielt im Sommer, die Darsteller kommen vom Abiball“, erklärt Paul Beck, einer der Produzenten. „Wir sind in der letzten Drehwoche, den heutigen Außendreh können wir nicht verschieben.“


Work ohne Travel
Welche Bedeutung die Borstenviecher in der Story haben und warum aus dem geplanten „Work and Travel“ des Protagonisten Carlo „Work ohne Travel“ wird, kann man sich kommendes Jahr bei ZDFneo anschauen. Bei „Tschappel“, so der Name der Comedy-Serie, geht es um die Jugend und das Erwachsenwerden auf dem Land. Ein Leben zwischen Partys, Ministrieren und den Fragen: Gibt es ein Leben nach dem Dorf und wird „love interest“ Pia den verliebten Carlo erhören?
Dreh-Start war Anfang August
Schon seit Anfang August herrscht im und um das Dorfgemeinschaftshaus Schalander in Zußdorf ein geschäftiges Treiben. Die Vereine haben ihre Räume für Aufnahmeleitung, Szenenbild-Abteilung, Catering, Kostüm und Maske bereitgestellt. Vor dem Gebäude stehen die Trailer für die Hauptdarsteller Jeremias Meyer, Sebastian Doppelbauer und David Ali Rashed. Alle drei sind gefragte Jungschauspieler und haben bei Amazon-Prime- oder Netflix-Serien wie „Der Greif“ oder „Die Discounter“ schon große Rollen gespielt.
Sie schwätzen Schwäbisch
35 Schauspieler und 15 Kleindarsteller wirken bei der Dorf-Serie mit, ein Teil musste der Authentizität halber sogar Schwäbisch lernen. Hinzu kommen 250 Komparsen aus der Region. Auch der bekannte Entertainer Harald Schmidt hat einen Gastauftritt. Für ihn wurde im Schalander eine Arztpraxis eingerichtet, er spielt einen Kinderarzt.
Aus Bräuhaus wird der Bären
LAX-Entertainment produziert in Kooperation mit Apollonia Film die achtteilige Sitcom, die in Oberschwaben im fiktiven Hintervorderbach spielt. Gedreht wurde meist in einem Fünf-Kilometer-Umkreis um Zußdorf, mal war Ruschweiler der Schauplatz, mal Illmensee. In Pfrungen schlugen die Filmleute beim Riedfest auf und auch das dem Schalander gegenüberliegende Bräuhaus kommt in der Serie vor. Dort heißt es aber „Gasthof zum Bären“.

Hinter der Produktionsfirma Apollonia Film stecken Paul Beck (28) und sein Cousin Marius Beck (30). Die beiden leben inzwischen in München, sind aber in Zußdorf groß geworden und haben dort noch Familie. „Im eigenen Dorf zu drehen, ist schon ein komisches Gefühl“, sagt Paul Beck. „Die Willkommenskultur war unglaublich groß, wir fühlen uns hier sehr wohl.“ Im Team vor Ort wirken sogar fünf bis acht Leute aus Zußdorf mit – etwa als Fahrer oder Set-Runner, eine Art „Mädchen für alles“. Paul Beck, der ursprünglich Soziologie und Pädagogik studiert hat, war selber einmal Set-Runner bei der ZDF-Serie „Marie fängt Feuer“. Das Praktikum hat ihn so begeistert, dass er sich als Quereinsteiger ins Film-Business gewagt hat. Sein Cousin studiert noch an der Filmhochschule in München. „Das Tschappel-Projekt mit dem ZDF ist bisher unsere größte Produktion.“
Autobiografisches fließt ein
Die Serie ist geprägt von viel Witz und auch ein bisschen Melancholie. Autobiografische Inhalte seien durchaus eingeflossen, sagt Beck. „Carlo ist zum Beispiel eine Kombination aus mehreren Leuten, die wir kennen.“ Carlo ist auf der Suche nach sich selbst, weiß nicht, was er mal werden soll, und Sex hatte er auch noch keinen. Die Drehbücher schrieben Marius Beck und Marc Philip Ginolas (26), der auch Regie führt. Tschappel ist übrigens die liebevolle Bezeichnung für einen Trottel.
Dass Folge 1 – die mit dem Wildgehege – eigentlich erst am Schluss der siebenwöchigen Dreharbeiten entstanden ist, kann dem Zuschauer egal sein. Die Wildschweine haben sich irgendwann bequemt und sind dorthin getrabt, wo sie hinsollten. Ohne dass Julia Dembowski die Maiskolben zum Einsatz bringen musste.
Der Dreh endete am 20. September und sei reibungslos verlaufen, freut sich Beck. Alle seien unglaublich engagiert und die Stimmung unter den zumeist jungen Leuten richtig gut gewesen. Jede der acht Folgen dauert 23 Minuten. Doch gefilmt wurde ein Vielfaches. „Wir haben ein Verhältnis von 1 zu 20,“ erklärt Beck. Das heißt, für jede Minute im fertigen Film liegen 20 Minuten Roh-Material vor.