Über einen Freispruch erster Klasse im Amtsgericht Sigmaringen kann sich ein 39-jähriger Berufssoldat freuen, der wegen Gehorsamsverweigerung angeklagt war, denn sogar der Staatsanwalt hat einen Freispruch gefordert. Was war passiert? Es waren drei Zettel mit Fahraufträgen verschwunden, die nicht mehr auffindbar gewesen waren. Da der Soldat seine Vorgesetzten, die ihn mehrfach aufforderten, diese abzugeben, im Glauben, die Dokumenten noch zu finden, hinhielt, wurde es den Vorgesetzten zu bunt, so dass es zur Anzeige kam.
Vier Zeugen und drei Stunden Verhandlung
Vier Zeugen und drei Stunden Verhandlung waren nötig, um festzustellen, dass durch die verloren gegangenen Fahraufträge keinem ein wirklicher Schaden zugefügt worden war. Auch versicherte der Angeklagte glaubhaft, keinen Vorteil davon zu haben, die Unterlagen verschwinden zu lassen. Er hob mehrfach hervor, sich in seinen 17 Jahren als Berufssoldat noch nie etwas habe zuschulden kommen lassen. „Ich habe noch nie Mist gebaut“, sagte er aufgebracht, „und jetzt werde ich behandelt wie ein Staatsfeind!“.
Nie ein Befehl gegeben worden?
In der Beweisaufnahme ging es Richterin Kristina Selig auch darum, herauszufinden, was unter einem Befehl zu verstehen ist und wie er ausgesprochen wird. In den Zeugenbefragungen ist auch deutlich geworden, dass durch den langjährigen gemeinsamen Dienst in der Einheit des Angeklagten ein überwiegend kameradschaftlicher Ton herrschte, so dass von einem „Befehl“, die Unterlagen herbeizuschaffen, nicht ausgegangen werden konnte. „In dieser Sache habe ich nie einen Befehl erhalten“, unterstrich der beschuldigte Hauptfeldwebel, räumte aber ein, von seinem Disziplinarvorgesetzten und dessen Stellvertreter mehrfach ermahnt worden sein, die Fahraufträge beizubringen.
Möglichkeiten für das Verschwinden der Zettel
Die fehlenden Belege bezogen sich auf die Monate Mai, Juni und Juli 2019, in denen der Beklagte die meiste Zeit nicht an seinem Standort in Stetten am kalten Markt anwesend war. Wie er berichtete, befand er sich unter anderem dienstlich auf Kreta und in Dänemark. Zudem sei er zwischenzeitlich immer mal wieder krankgeschrieben gewesen. Weiter sei erschwerend dazugekommen, dass im fraglichen Zeitraum der Umzug seiner Kompanie von in ein anderes Gebäude stattfand. Wegen der unterschiedlichen Einsatzorte habe er die Fahraufträge für die drei Monate auf einmal bekommen, so der Hauptfeldwebel, statt für einen Monat, und die Unterlagen mussten unter anderem wegen des Umzugs in der Küche abgelegt werden. Er wusste nicht, wo sie letztlich hingekommen sind.
Für Vorgesetzten beharrliche Befehlsverweigerung
Sein Disziplinarvorgesetzter sagte aus, dass sich der Beschuldigte „beharrlich den Befehlen verweigert“ habe und sich „der militärischen Vernehmung stetig entzogen hat“. Die Krankmeldungen und Facharzttermine seien immer dann eingegangen, wenn ein Vernehmungstermin anberaumt worden sei. Verteidiger Thomas Meder rief den Zeugen daraufhin zur Ordnung. Zum einen, weil dieser den Ärzten indirekt unterstelle, ungerechtfertigte Krankmeldungen auszustellen, zum anderen dem Beklagten vorwerfe, sich der Untersuchung zu entziehen. In Harnisch brachte den Anwalt auch die Aussage des Zeugen, den Angeklagten am 31. Juli 2019 vor dessen Urlaub zum letzten Mal gesprochen zu haben, was nicht stimme. In seinem Plädoyer hob der Verteidiger hervor, dass es nach zwei Jahren äußerst schwierig sei, nachzuweisen, dass Befehle, sofern es sie gab, verweigert worden seien. Dem schloss sich der Staatsanwalt an.