Das Amtsgericht Sigmaringen hat einen 33-jährigen Mann in einem fünfstündigen Prozess zu fünf Monaten und zwei Wochen Haft verurteilt. Da der Mann bereits in Haft ist, wird er voraussichtlich noch rund drei Jahre im Gefängnis sitzen, denn er hat sich nicht nur im Kreis Sigmaringen einiges zu Schulden kommen lassen. Im vergangenen Jahr hat er im Kreis Sigmaringen innerhalb von fünf Monaten 14 Straftaten begangen. Die meisten Anschuldigungen in der Anklage räumte der heute 33-Jährige vor Gericht ein. Verurteilt wurde er am Ende für zweimaligen Diebstahl, dreimaligen Hausfriedensbruch und zweimaligen Betrug. Die anderen Vergehen, dabei handelte es sich um Sachbeschädigungen und Schwarzfahren, wurden in Absprache mit der Staatsanwaltschaft im Prozess eingestellt.
Alkohol- und Drogensucht
Einige der in der Anklage aufgeführten Taten führte der Mann auf seine starke Alkohol- und Drogensucht zurück. So hat er Mitte Juni des vergangenen Jahres an einem Abend in zwei Gaststätten die Zeche geprellt. „Peinliche Sache, ja“, gab der Mann zu, der mit Fußfesseln im Gerichtssaal saß. In beiden Lokalen hatte er starke Alkoholika getrunken, wie ein Barkeeper und eine Bedienung bestätigten. Beiden fiel auf, dass der Mann einen verwirrten Eindruck machte. Außerdem habe er Selbstgespräche geführt. „Er wusste gar nicht, was er tat“, sagte der Barkeeper.
Erst im April dieses Jahres stand der Mann vor Gericht
Dass der Mann an Alkoholsucht leidet, wurde durch ein psychiatrisches Gutachten in einem anderen Verfahren vor dem Amtsgericht Reutlingen bereits festgestellt. Dort hatte sich der Angeklagte im April dieses Jahres bereits für ähnliche Straftaten verantworten müssen. Der Mann wurde in Reutlingen zu zwei Jahren Haft verurteilt, ohne Bewährung. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Der Rechtsanwalt des 33-Jährigen hat Berufung eingelegt, weil das Urteil zu hart ausgefallen sei.
Staatsanwaltschaft ist nicht bereit, das Verfahren einzustellen
Im Prozess vor dem Sigmaringer Amtsgericht bot der Verteidiger der Staatsanwaltschaft an, die Berufung zurückzuziehen, wenn sie im Gegenzug die Anklage gegen seinen Mandanten fallen lässt. Rechtsreferendarin Miriam Humpf lehnte ab: „Über kleinere Tatbestände können wir reden, komplett einstellen kommt nicht in Frage“.
Hausverbot sollte die Besuche bei seiner Mutter verhindern
Die Hausfriedensbrüche waren die Folge von Hausverboten auf Grundstücken, die der Angeklagte dennoch betreten haben soll. In einem der Häuser lebte seine Mutter zur Miete, doch der Vermieter hatte dem Angeklagten ein Hausverbot ausgesprochen. Vor Gericht schilderte der Vermieter, dass der Mann „immer neben der Kappe“ und „nicht nüchtern“ gewesen sei. Er sei mit einem Klappmesser durch den Ort gelaufen, habe mit diesem auch Fenster an Autos manipuliert. „Die jungen Mädchen im Ort hatten Angst vor ihm“, sagte der Vermieter aus.
Vermieter begründet sein Hausverbot gegenüber dem Angeklagten
Einmal habe er in der Scheune ein Feuer gemacht, schilderte der Vermieter. Daraus resultierte dann auf Anraten der Polizei das Hausverbot. Weil der Vermieter nicht jedes Mal die Polizei rief, als der 33-Jährige dennoch seine Mutter besuchte, dachte der Angeklagte, das Hausverbot sei nicht mehr gültig. Und auch die Mutter beteuerte vor Gericht: „Das ist doch mein Sohn. Er muss mich doch besuchen können“. Zudem sei ihre Wohnung oft der einzige Zufluchtsort für ihren zeitweise obdachlosen Sohn gewesen. Richterin Lorine Haack stellte dazu in der Urteilsbegründung fest, dass die Hausverbote gültig seien. Menschlich könne sie das Verhalten des Angeklagten nachvollziehen. „In diesem Fall sticht das Hausverbot des Vermieters allerdings das Besuchsrecht der Mieterin“, so Haack. Der Angeklagte habe dem Vermieter Angst gemacht.
Sucht treibt Angeklagten in Kriminalität
Ladendiebstähle wurden ebenfalls verhandelt. Einmal ließ er eine Dose Jacky Cola an einer Tankstelle mitgehen, ein anderes Mal stahl der Mann zwei rechte Schuhe in einem Schuhgeschäft. Der Angeklagte gab die Diebstähle zu, konnte aber nicht mehr erklären, warum er zwei rechte Schuhe in unterschiedlichen Größen mitgehen ließ. Das Getränk in der Tankstelle bezahlte er, nachdem er erwischt wurde, noch an Ort und Stelle. Die Schuhe blieben bis heute verschwunden.
Zeugen attestieren Verwirrtheit
Ein geladener Polizeibeamter sagte aus, der Mann habe einen zerstreuten, betrunkenen Eindruck gemacht. Die Filialleiterin des Schuhgeschäfts bestätigte den Eindruck und auch der Leiter der Tankstelle gab an, dass der Mann „einen Blick ins Leere“ gehabt habe. Der Angeklagte konnte nicht sagen, wie viel er an den einzelnen Tagen getrunken hatte. Deshalb sahen der Verteidiger, die Richterin und die Staatsanwaltschaft eine verminderte Schuldfähigkeit als erwiesen an.
Sucht macht Mann zum Kriminellen
Mehrfach wurde im Prozess deutlich, dass der Mann vor allem durch seine Sucht zum Kriminellen wurde. Bereits als 13-Jähriger sei er während seiner Schulzeit auf dem Gymnasium in Kontakt mit Drogen gekommen. Er habe psychische Probleme gehabt. Sein Weg führte dann über die Realschule auf die Hauptschule. Nach einem guten Hauptschulabschluss besuchte er mehrere weiterführende Schulen im Kreis. „Irgendwie“, so gab er an, schaffte er dann noch den Realschulabschluss. Eine Ausbildung begann er nie. Es folgten mehrere Jobs, die er wegen seiner Sucht und der daraus resultierenden Unzuverlässigkeit wieder verlor. Seit April 2010 arbeitet der vierfache Vater nicht mehr.
Staatsanwaltschaft fordert elf Monate Haft
In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwaltschaft elf Monate ohne Bewährung. Die Sozialprognose sei ungünstig, der Angeklagte habe aus seinen vorangegangenen Taten nichts gelernt. Die Verteidigung beantragte vier Monate Gesamtstrafe und forderte, die Sucht strafmildernd zu werten. Richterin Haack verurteilte den Angeklagten am Ende zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Monaten ohne Bewährung. Grund sei die schlechte Sozialprognose. Der Auszug aus dem Strafregister enthielt 29 weitere Straftaten. Strafmildernd habe sie bewertet, dass der Angeklagte vor allem wegen seiner Sucht straffällig geworden sei und die Schäden oft gering ausfielen. Außerdem habe er die Taten eingeräumt. Der 33-Jährige wird allerdings wesentlich länger in Haft bleiben. Derzeit sitzt er eine Strafe aus dem Februar 2020 in der Justizvollzugsanstalt Rottweil ab, daran schließt sich die jetzt verhängte Haftstrafe an.