Wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilte das Schöffengericht am Amtsgericht Sigmaringen unter Vorsitz von Richterin Lorine Haack einen 71-jährigen Rentner aus einer Gemeinde im südlichen Kreisgebiet zu einer Geldstrafe in Höhe von 4500 Euro.
Aus der von Oberstaatsanwalt Jens Gruhl verlesenen Anklage ging hervor, dass der Angeklagte am 30. August 2019 gegen 11 Uhr mit seinem Nachbar wegen eines Entwässerungsgraben zwischen ihren Grundstücken in Streit geraten war. Als der Streit eskalierte, habe er mit einer Schaufel auf seinen Nachbarn eingeschlagen. Noch vor Beginn der Verhandlung wies Gruhl den Angeklagten darauf hin, dass er immer noch bereit sei, das Verfahren gegen eine Auflage einzustellen. Dieses Angebot wurde jedoch vom Angeklagten mit seinem Verteidiger nicht angenommen.
Streit um Entwässerungsgraben
In der Verhandlung berichtete der Angeklagte, dass der Entwässerungsgraben insbesondere bei Hochwasser von großer Bedeutung sei. Der Graben sei jedoch von seinem Nachbar auf dessen Seite aufgefüllt und auf seiner eigenen Seite abgetragen worden. Deshalb habe er damit begonnen, den Graben auf seiner Seite wieder aufzufüllen, der sich auf seinem Grundstück befinde. Die Schaufel habe er für eine Abwehr auf Bauchhöhe gehalten. Auf Befragen von Richterin Haack räumte der Angeklagte jedoch ein, dass die Aktion des Nachbarn bereits in den Jahren 2016/2017 stattgefunden habe, die er dann 2019 habe wieder rückgängig machen wollen.
Gartenabfälle in den Graben entsorgt
Der als Zeuge geladene 39-jährige Nachbar berichtete dem Gericht, dass er am 30. August 2019 zunächst nur beobachtet habe, wie der Angeklagte dabei war, seine Gartenabfälle in dem Graben zu entsorgen. Er habe ihn darum gebeten, mit dem Auffüllen aufzuhören. Das Gespräch sei jedoch sehr laut geworden und der Angeklagte habe dann mit der Schaufel nach ihm geschlagen. Um den Schlag ab zu wehren habe er den Arm vor sein Gesicht gehalten. Daher habe ihn der Angeklagte am linken Unterarm getroffen und auch verletzt. Er habe eine Schürfwunde erlitten, geblutet und zwei Tage Schmerzen gehabt und die Stelle an der getroffenen Elle sei geschwollen gewesen.
Verspätete Anzeige wegen Urlaub
Hier schaltete sich der Anwalt des Angeklagten ein. Für ihn stelle sich die Frage, warum der 39-Jährige erst am 11. September 2019 Strafanzeige erstattet habe. Der Zeuge begründete die Verzögerung damit, dass er nach der Auseinandersetzung mit seiner Familie in den Urlaub gefahren sei. Eindringlich wies der Verteidiger jedoch den Zeugen auf Widersprüche bei seinen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung und seinen Aussagen in der Verhandlung hin. Der Zeuge räumte ein, dass er zwar keine äußerlichen Verletzungen, aber Schmerzen erlitten habe. Seltsam fand der Verteidiger auch, dass der Zeuge seine Verletzungen überhaupt nicht dokumentiert habe.
Seine ebenfalls als Zeugin geladene Ehefrau berichtete im Zeugenstand, dass sie gesehen habe, wie der Angeklagte wieder einmal versucht habe, sich seiner Abfälle im Graben zu entledigen. Sie sei aus dem Haus gegangen und habe den Angeklagten ein paar Mal gefragt, warum er das mache und dann aufgefordert, endlich damit aufzuhören. Bei der Auseinandersetzung sei sie mit ihrem Mann auf ihrem Grundstück gewesen und der Angeklagte habe sich auf seinem Grundstück befunden. Sie zeigte sich überzeugt davon, dass der Angeklagte ihren Mann mit der Schaufel treffen wollte, denn drohen könne man ja auch anders.
Widerspruch in den Aussagen
Ein als Zeuge geladener 58-jähriger Nachbar hatte die Auseinandersetzung beobachtet. Er bestätigte dem Gericht, dass er gesehen habe, wie der Angeklagte wieder einmal Material auf das Grundstück der Eheleute geworfen habe. Er habe auch gehört, wie der 39-Jährige dem Angeklagten zugerufen habe: „Behalten Sie Ihren Dreck oder ich schmeiße ihn wieder rüber“. Der Zeuge ergänzte seine Aussage mit den Worten: „Ich habe auch gesehen, wie die Schaufel den 39-Jährige berührt hat. Der ist auch zurückgewichen, hat den Arm hochgehalten und hat damit auch gut reagiert“. Der Verteidiger wies den Zeugen auf einen Widerspruch zu seiner Aussage bei der Polizei hin. Dort habe er zu Protokoll gegeben, dass er nur gesehen habe, wie der Angeklagte mit der Schaufel in Richtung des 39-Jährigen geschwenkt sei.
Gruhl wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe, seinen Nachbarn mit der Schaufel zu treffen und auch zu verletzen. Zwar habe der Nachbar keine erheblichen Verletzungen erlitten, aber er sei am Arm getroffen worden. Die Tat sei jedoch ein minderschwerer Fall. Er beantragte eine eine Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Bewährung und eine Geldbuße zu Gunsten des Vereins für Bewährungshilfe. Der Verteidiger sprach von einem seit längerer Zeit bestehenden Nachbarschaftsstreit. Der Streit sei an jenem Tag eskaliert und sein Mandant habe sich bedroht gefühlt und die Schaufel zu seinem eigenen Schutz in die Hand genommen. Eindringlich wies der Anwalt auf die eklatanten Widersprüche bei den Aussagen der Zeugen hin. Er beantragte Freispruch.
Rechtsmittel sind noch möglich
Das Gericht verurteilte den bisher unbescholtenen Angeklagten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 50 Euro. Er muss die Kosten des Verfahrens tragen. In ihrer Urteilsbegründung verwies die Richterin darauf, dass die als Zeugen geladenen Eheleute und Nachbarn des Angeklagten einen sehr besonnenen Eindruck in der Verhandlung gemacht hätten. Bei der Aussage des dritten Zeugen sei dies etwas anderes gewesen, denn bei ihm sei man davon aus gegangen, dass eine gewisse Beeinflussung vorgelegen habe. Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.