Mit dem Vortrag: „Fidelis, Anwalt der Armen, und heute?“, setzte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Samstagabend in Sigmaringen neue Akzente und spannte im Fidelisjahr einen großen Bogen von der Ermordung des Heiligen bis zum Klimawandel.
Einsatz für Flüchtlinge gewürdigt
Sehr dankbar ist der Ministerpräsident den Menschen, die sich einsetzen und helfen, wenn es um die Flüchtlinge aus der Ukraine geht. Erstaunlich sei auch, dass immer wieder Wohnraum zur Verfügung gestellt werde. „Dabei waren wir bisher immer der Meinung, dass es in Baden-Württemberg kaum Leerstände gebe. Das war falsch“, gab Kretschmann zu. Und zu den Waffenlieferungen an die Ukraine stellte er fest, dass ein Staat nicht pazifistisch sein könne. Deshalb müsse man Waffen liefern. Sobald man die Interessen Dritter vertreten müsse, gelte das weltliche Recht. „Patriarch Kyrill lässt sich da instrumentalisieren“, kritisierte der Ministerpräsident das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. In Kriegszeiten müsse zwar der Frieden die Gesinnung leiten, der Staat müsse aber die Bürger schützen. Man brauche eine verteidigungsfähige Bundeswehr und müsse bereit sein, auch solidarisch zu helfen. Für ihn ist klar: „Wir müssen die Anwälte der Armen sein, aber keinesfalls darf Religion missionieren.“ Und schließlich dürfe man auch den gemeinsamen Feind nicht vergessen: die Erderwärmung.
Umrahmt von Ausschnitten aus dem extra für das Fidelisjahr komponierten Musical wurde deutlich gemacht, dass seit dem Todestag des Heiligen am 24. April 1622 zwar 400 Jahre vergangen sind, das Thema Armut und Gerechtigkeit aber nach wie vor präsent ist. Vielleicht sogar mehr als je zuvor.
Sozialarbeiter in vorderen Reihen
In den vorderen Reihen platziert hatte man die Mitarbeiter der kirchlichen Sozialarbeit. Für Pastoralreferent Hermann Brodmann sind sie diejenigen, die heute oft die Funktion „Advokat der Armen“ im Sinne des Heiligen Fidelis übernehmen müssen. Fidelis wurde 1578 als Markus Roy in Sigmaringen geboren. Er studierte Jura und war auch als Advokat tätig. Brodmann: „Dabei erlebte er viel Ungerechtigkeit und Bestechlichkeit.“ Das habe ihn dazu gebracht, in den Kapuzinerorden einzutreten. In Feldkirch habe er dann als Bruder Fidelis großen Einsatz für die Benachteiligten gezeigt. „Ausbeutern soll er sogar in der Beichte die Absolution verweigert haben“, erinnerte Brodmann. Und er stellte eine Frage, die derzeit viele Menschen bewegen dürfte: „Wassermangel, Hunger Kriege, Corona und der Klimawandel – wer ist in diesen Zeiten Anwalt der Armen?“
„Kirchenaustritte schmerzen“
Winfried Kretschmann, Mitglied im Diözesanrat der Erzdiözese Freiburg, sieht die Popularität von Fidelis auch nach 400 Jahren als ungebrochen an. Und für ihn ist klar: „Fidelis kann Vorbild sein.“ Vielleicht auch für die derzeitigen Baustellen in den Kirchen. „Die zurückgesetzte Rolle der Frau, der Missbrauch und die Nachfolge, das alles treibt mich sehr um“, gestand der Ministerpräsident, der in Laiz wohnt. Dennoch ist für ihn klar, dass der Staat die Kirchen brauche. Die Verfassungsordnung sei christlich imprägniert. Sozialstaat und Sozialsystem seien ohne die christliche Soziallehre bei uns nicht denkbar. Umso schmerzlicher sind für ihn die vielen Kirchenaustritte. Gerieten die Kirchen in Geldnot, dann seien auch viele Dienste nicht mehr finanzierbar.
Größte Arbeitgeber in Deutschland
Kretschmann erinnerte daran, dass Caritas und Diakonie die größten Arbeitgeber in Deutschland seien. Viele Menschen verlören aber ihren Glauben und das Vertrauen in die Institution Kirche. Missbrauch gebe es auch anderswo, „aber die Kirche ist auch eine moralische Institution, da erwarten die Menschen Ehrlichkeit“, sagte Kretschmann. Immer noch seien die Kirchen für den Staat ein starker Partner und wenn sie schwächelten, dann werde die soziale Temperatur sinken. Wie könnten die Kirchen entgegensteuern? „Kirchen und Religionsgemeinschaften müssen durch ihren Glauben wahrnehmbar sein“, lautete die Antwort. Winfried Kretschmann ist überzeugt, dass es nicht immer abwärts gehe. „Wir waren noch nie so christlich wie heute. Vieles kommt im säkularen Gewand“, hat der Redner erkannt.

Beim zweiten Themenbereich ging es um den Klimawandel. Kretschmann: „Die Menschen tragen die Verantwortung für die Erde: Wir müssen sorgsam mit ihr umgehen.“ Doch das habe schon früher nicht funktioniert. Ein Beispiel sei die Sintflut. Der Mensch habe in der Neuzeit eine existenzielle Krise ausgelöst. Man müsse jetzt alles Mögliche tun, um diese Krise wieder zu stoppen. „Und wir müssen beweisen, dass Klimaschutz und Prosperität zusammenpassen“, forderte der Redner. Deutschland als Hochtechnologieland müsse zeigen, „dass wir es können“.
Appell zu Fleischverzicht
Kretschmann forderte die Zuhörer auf, weniger Fleisch zu essen. Mit dem hohen Fleischkonsum seien die Klimaziele nicht erreichbar. Mit leichtem Schmunzeln erinnerte er an den von den Grünen einmal geforderten Veggie-Day. Der habe der Partei sehr geschadet, aber heute würden bereits rund 15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vegetarisch leben. Fidelis habe es vorgemacht, dass man seine Lebensweise jederzeit ändern könne. Kretschmann: „Anwalt der Armen zu sein, das bedeutet auch Anwalt der Schöpfung zu sein, die wir selbst arm gemacht haben“, redete Kretschmann den Zuhörern ins Gewissen.
Das Fidelisjahr
Die nächsten Veranstaltungen im Fidelisjahr in Sigmaringen sind:
28. April: „Nightfever“ (Nacht der Lichter für Jugendliche) in der Pfarrkirche St. Fidelis im Hanfertal (19 Uhr).
29./30. April: „Fidelis – das Musical“ in der Stadthalle (jeweils 19 Uhr).
1. Mai: Fidelisfest mit Eucharistiefeier (Predigt Bischof Benno Elbs, Feldkirch), Prozession und anschließendes Fest auf dem Marktplatz (9.30 Uhr).
1. Mai: „Fidelis – das Musical“ in der Stadthalle (15 Uhr).
2. Juli: „Fidelis – das Musical“ in der Stadthalle (19 Uhr).