Er ist der Politiker mit dem direkten Draht nach ganz oben und am Freitag, 24. Mai, gibt es so richtig was zu feiern. Wolfgang Kaiser wird 70. Der Stadtrat von Bad Dürrheim ist seit Jahren auch Landesvorstandsmitglied der Grünen. In der Region ist er eine echte Nummer als bodenständiger, früherer, langjähriger Ortsvorsteher von Biesingen sowie als ebenso langjähriger Pädagoge an der Villinger-Albert-Schweitzer-Schule.
Manche nennen ihn heute einfach nur den grünen Kaiser. Das ist politisch gemeint – und respektvoll. Der Jubilar hat seine Scholle über Jahrzehnte bearbeitet, nennt stolz die Errungenschaften aus seiner 13 Jahre währenden ehrenamtlichen Zeit im Biesinger Rathaus. „Wir haben Mitte der Neunziger den Bolzplatz, eine Streuobstwiese, einen Barfußpfad geschaffen und das Backhäusle wieder aufgebaut“, sprudelt es aus ihm heraus. Mit dem Forum Ostbaar habe er eine Art ländlicher Volkshochschule geschaffen, die heute noch mit Kursen, Vorträgen und Exkursionen wirkt.
Er weiß, er galt früher als eine Art Revoluzzer. Als gebürtiger Stuttgarter, der nach seiner Bundeswehrzeit, als junger Lehramtsanwärter ins Bad Dürrheimer Haus seiner Großeltern gezogen war, verliebte er sich in die Landschaft. Die Zeit beim Militär habe ihm die Bedeutung von Frieden klar gemacht, sagt er heute. Die Begegnungen mit Professor Günter Reichelt, einem Umweltschützer der Baar, habe ihn Ende der Siebziger stark beeinflusst. Es war die Zeit, als Kaiser mit anderen in Bad Dürrheim eine BUND-Ortsgruppe gründete und es war die Zeit, als der junge Kaiser, bei Wind und Wetter, stoisch nach Villingen zur Schule radelte. Als 1979 in Karlsruhe die Grünen gegründet wurden, war Kaiser dabei. Zusammen mit Fritz Kuhn und Winfried Kretschmann, dem heutigen Ministerpräsidenten.
Der Vater von fünf Kindern führt seine zweite Ehe und muss erst durchs Haus rufen: „Babsi, wie lange sind wir verheiratet?“ 27 Jahre, ruft Barbara Hendriks-Kaiser, Kölnerin und geschäftsführende Schulleiterin der hauswirtschaftlichen Schulen in Villingen, prompt aus dem Obergeschoss.
Das Ehepaar findet Ruhe beim Schneeschuhwandern vom Haus weg oder in den Alpen und in Südtirol. Wolfgang Kaiser ist mit 70 ein klassischer Unruheständler. Als grüner Realo eckt er mit seinem BMW oder im VW-Kabriolett seiner Frau auch schon mal an – und muss dann grinsen. Das Leben als Grüner treibt ihn überregional voran. Als Landesschatzmeister seiner Partei ist er im engsten Führungszirkel morgens in Telefonkonferenzen der Parteispitze eingebunden und regelmäßig in Stuttgart aktiv. Es ist kein Zufall, dass die Landesgrünen ihren 40. Geburtstag am 15. November 2019 in Bad Dürrheim feiern werden.
Kaiser hat als Friedenspolitiker wilde Jahre hinter sich. Er wurde von der Polizei in Mutlangen von der Straße getragen, als Tausende gegen die Pershing-Stationierung mit Sitzblockaden vorgingen. Er organisierte die von Hunderttausenden gebildete Menschenkette von Stuttgart nach Ulm mit, um die US-Raketen-Transporter symbolisch zu blockieren. Und er stemmte sich vor 25 Jahren gegen die geplante Sondermülldeponie bei Durchhausen, die verhindert wurde. Er muss selber schmunzeln, wenn er diese Ereignisse wieder anspricht.
„Kommunalpolitik darf keine Parteipolitik sein“, sagt er im Jahr 2019. 1980 rückte er im Bad Dürrheimer Gemeinderat an. Frisch gewählt für eine Organisation namens LBU, Liste für Bürgerbeteiligung und Umwelt. Ein Name. Ein Programm. Heute hat die Gruppierung fünf Sitze. Damals, als Bürgermeister Gerhard Hagmann mit die Stadt voranbrachte, sei „es sehr hart zuggegangen“, schildert Kaiser. Vor allem Kräfte der CDU hätten die so genannten Alternativen zu bekämpfen versucht. Natürlich haben die Friedenspolitiker auch zurückgerempelt, was manchmal auf Beobachter ziemlich unfriedlich wirkte. Kaiser versichert: „Es ging nie gegen Personen.“ Sein Anspruch an die Politik? „Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden“ sagt er und verdeutlicht, es nütze eben nichts, wenn die Kommunen keine Entscheidungskompetenzen hätten. Für ihn war es war ein bipolares politisches Leben. Kommunal wollte er unpolitisch sein.
Eine seiner schönsten Geschichten? Die heute noch existierende Krabbelkäfergruppe wurde in Besingen gegründet. Verlorene Schlachten? „Vöhrenbach“, antwortet er. Mitte der Achtziger kandidierte er dort bei der Bürgermeisterwahl gegen Amtsinhaber Schneider. Kaiser holte 39 Prozent – und verlor. „Ich hätte das sehr gerne gemacht“, sagt er heute noch. Bundespolitik? Ist ihm „zu weit weg von den Leuten“. Seine größte Sorge? Die Gesundheit. Und zwar die von Europa. Die Populisten seien erfolgreich, weil zu viele Menschen verunsichert seien.
Wo er Geburtstag feiert ist geheim. Gut unterrichtete Kreise sagen, es kämen viele Gründungsmitglieder der Landespartei, vor allem die prominentesten.
Am 24. Mai wird nicht nur Wolfgang Kaiser 70 Jahre alt. Auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gibt es dann auf den Tag genau sieben Jahrzehnte. Kaiser unterstreicht diese Parallelität von sich aus. „Am selben Tag geboren zu sein wie das deutsche Grundgesetz ausgerufen worden ist. Das bedeutet mir sehr viel – ich trage das schon in mir.“
70 Jahre Grundgesetz
Am 24. Mai wird nicht nur Wolfgang Kaiser 70 Jahre alt. Auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gibt es dann auf den Tag genau sieben Jahrzehnte. Kaiser unterstreicht diese Parallelität von sich aus. „Am selben Tag geboren zu sein wie das deutsche Grundgesetz ausgerufen worden ist. Das bedeutet mir sehr viel – ich trage das schon in mir.“