Ein kalter Wind weht über die feuchten Wiesen des Bad Dürrheimer Ortsteils Öfingen. „Da ist ein roter Punkt, passend groß“, sagt Erhard Jauch mit Blick auf das Wärmebild in den Händen. Vielleicht ein Rehkitz? Achim Förster steuert seine Drohne mit Kamera und nimmt die Fundstelle ins Visier. Um 6 Uhr morgens fängt ihre gemeinsame Suche an.

Gemeinsam gegen den Mähtod
Drohnenpilot und Co-Pilot sind Kitzretter der Kreisjägervereinigung Schwarzwald-Baar-Kreis. Beide engagieren sich ehrenamtlich aus gutem Grund: Kein Kitz soll unter einem Mähdrescher zu Tode kommen. „Das muss man doch hinbekommen, mit all der Technik zur Hilfe“, sagt Förster. Aus seinem Hauptberuf in der Bauvermessung weiß er, wie gut Drohnen die Topografie feststellen können – warum denn nicht auch die Rehkitze?

Aus dieser Überlegung heraus und den Tieren zuliebe sei er vor vier Jahren der Vereinigung beigetreten. Hier bilde er für die Aktion Kitzrettung einige Drohnenpiloten aus. Mittlerweile sollen es 15 sein. „Wir sind in diesem Jahr breit aufgestellt und können unser Einsatzgebiet, den Schwarzwald-Baar-Kreis, gut abdecken“, ergänzt Förster.

Die Augen richtet der Co-Pilot Jauch gefesselt auf seinen Bildschirm in der Hand. Den anfangs gesichteten roten Fleck analysiert er, denn dabei könnte es sich um den warmen Körper eines Kitzes auf kaltem Gras handeln.

Nach näherer Betrachtung stellt er aber nur eine Kahlstelle im Feld fest – ausgetrocknete Erde, die Wärme lange speichern kann. Darum sieht die Wärmebildkamera der Drohne an dieser Stelle rot. „Um es auf Schwäbisch zu sagen: Wir werden hier verseckelt“, so der Schwenninger.
Während Jauch weitersucht, erzählt er von seiner Begeisterung für den Naturschutz: „Ich war früher hauptberuflich Jäger. Wir Jäger machen viel, wir pflanzen zum Beispiel Bäume.“ Weil ihm auch der Tierschutz am Herzen liege, sei er nach seiner Pension der Kitzrettung beigetreten.
Seine erste Anlaufstelle sei die Mitgründerin der Aktion, Dunja Zimmermann, gewesen. Sie ist zudem Kreisjägermeisterin und Jauch ihr Stellvertreter. Seit drei Jahren hilft er nun, die Kitze in den Feldern zu orten. Ob er heute eines sichtet? In diesem ersten Feld wohl eher nicht.
Landwirte nehmen das Angebot an
Die Kitzretter geben grünes Licht. Jetzt könnten die Landwirte aus Talheim sorglos ihre Wiese in Öfingen mähen. „Wir lassen unsere Felder schon immer absuchen. Es geht uns um das Tierwohl“, sagt Rose Irion, ehe sie sich an die Arbeit macht.
Eine weitere ihrer Wiesen müssten die Ehrenamtlichen noch kontrollieren. Nur wenige Autominuten weiter lassen sie die Drohne wieder steigen. Ein wenig wünschten sie sich schon, hier ein Kitz zu sichten. Denn es sind zwei ehrenamtliche Helferinnen dabei, die noch keinen Fund miterlebt hätten.
Die Rettungsaktion erfüllt mit Glück
„Ich glaube, ich sehe etwas. Da ist es ziemlich rot“, sagt Birgit Andris-Boroewitsch. Wenn ihre Entdeckung auf dem Bildschirm tatsächlich ein Kitz wäre, dann müsste sie mit Handschuhen, Kiste und Funk raus aufs Feld.

Als Helferin sei es nämlich ihre Aufgabe, das Tierchen behutsam aufzusammeln und am Waldrand einzubehalten, bis der Landwirt die Wiese gemäht habe. Danach werde das Kitz frei und sicher zu der Mutter gelassen. „Das ist der schönste Moment am Morgen“, kommentiert Förster. Die Rettungsaktionen würden ihn jedes Mal erfüllen. Am Ende seien es die Glücksgefühle, die das Ehrenamt bezahlt machten.
Ein Ehrenamt ist ein Dank an die Gemeinschaft und Natur
Auch die Helferinnen verbinden große Motivation mit der freiwilligen Mitarbeit. „Da, wo ich wohne, wo ich lebe, möchte ich Lebensqualität erhalten“, sagt Sonja Haberer. Ihr Engagement zu Hause in Öfingen fange schon im Kleinen an: „Wenn ich draußen Müll sehe, hebe ich ihn auf.“

Selbstlos ist auch ihre Helfer-Kollegin Andris-Boroewitsch. Sie helfe etwa Kröten über die Straße. Weil es ihr in ihrem Leben gut gehe, möchte sie mit ihren Ehrenämtern „Danke“ sagen – an die Gemeinschaft und die Natur.

Fröhliche Gesichter strahlen wie die Sonne um 7.30 Uhr. Die Baumkronen, die Erde und das Gras scheinen sich aufzuheizen. Ehe die Wärmebildkamera nur noch Rot zeigt und Kitze nicht mehr erkennbar wären, ist das Feld fertig abgesucht. „Heute haben wir nichts gefunden“, bilanziert Förster. „Aber kein gefundenes Kitz ist dennoch ein gerettetes“, antwortet Haberer mit einem Lächeln. Sie freue sich schon auf den nächsten Einsatz.
Als Vorgeschmack schickt Dunja Zimmermann per Handy-Nachricht, was die Helferin in dieser Saison bestimmt noch sehen wird: ein kleines Wunder im Feld.