Herr Link, wissen Sie noch, wann Sie das erste Mal von dem Corona-Virus gehört oder gelesen haben?
Das war Ende des letztes Jahres im Fernsehen, als in der Tagessschau Bilder gezeigt wurden, wie die chinesische Regierung die Millionenstadt Wuhan abgesperrt hat.
Was haben Sie dabei gedacht, als Sie die Bilder sahen? Dachten Sie, dass das Virus auch Blumberg und die hiesigen Schulen betreffen könnte?
Für mich war das Virus zunächst in weiter Ferne. Ich habe in den Nachrichten verfolgt, wie die chinesische Regierung innerhalb weniger Tage ein großes Krankenhaus für 1000 Patienten aufgestellt hat. Ich kann mich daran erinnern, dass einige Experten gesagt hatten, dass das Coronavirus ähnlich wie eine Grippewelle sei. Von einer Pandemie, sprich einer länderübergreifenen Infektionskrankheit, sei nicht auszugehen.
Am Sonntag, 15. März, wurde in Blumberg der erste Corona-Fall bestätigt, Bürgermeister Markus Keller hat daraufhin die Schulen und Kitas schon ab Montag, 16. März, geschlossen, einen Tag früher als es die Landesregierung am 13. März verordnet hatte.
Es war gut, dass Bürgermeister Keller so schnell reagiert hat und schon am Montag die Schulen geschlossen hat. Es war schon am Wochenende eine große Verunsicherung bei den Eltern zu spüren. Die Verunsicherung und die Sorgen der Eltern waren so groß, dass in anderen Schulbezirken die Eltern ihre Kinder schon am Montag von sich aus zuhause ließen statt in die Schule zu schicken.
Die Schulschließung war zu erwarten
Wie schnell konnten sich die Blumberger Schulen und insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer auf die neue Unterrichtsform ohne Präsenz der Klassen einstellen?
Nachdem Bayern die Schulschließung angekündigt hatte, war zu erwarten, dass auch Baden-Württemberg die Schulen schließen würde. Schon vor der Verkündigung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 13. März haben wir uns innerhalb der Schulen ausgetauscht und erste Maßnahmen auf den Weg gebracht. So konnten die Schüler am Freitag, 13. März, schon ihre Schulbücher mit nach Hause nehmen. Und wir haben die Email-Listen der Eltern aktualisiert und das jeweilige Einverständnis eingeholt. Schon am Freitagvormittag haben wir die Schüler informiert, dass eine Schulschließung kommen wird, und wir haben sie außerdem informiert, das sie auf jeden Fall Lernmaterial bekommen würden, und zwar jede einzelne Schülerin und jeder einzelne Schüler. Bei Unterrichtsende an diesem Tag haben wir die Schüler nicht wie für ein normales Wochenende verabschiedet sondern wie für einen Ferienabschnitt.
Was war für die Schulen bisher die größte Herausforderung?
Zuerst mussten wir klären, wie unsere Schüler die Lernmaterialien erhalten. Die Klassenlehrer haben den Eltern ihrer Schüler Abfragebögen zur digitalen Ausstattung in den Familien zugesandt. Das Ergebnis war sehr unterschiedlich, etliche Familien hatten keinen Computer, keine WLan-Verbindung und keinen Drucker. Uns Pädagogen lag am Herzen, allen Schülerinnen und Schülern gleiche Lernbedingungen zu ermöglichen.
Was hat bisher gut geklappt?
Wir konnten zu fast allen Schülern und Eltern einen Kontakt aufbauen und sie so ständig informieren und uns gegenseitig austauschen. Wir können feststellen, dass die Lernmöglichkeiten im Internet funktionieren, dass die Lernmaterialien weiterhin bei den Schülern zuhause ankommen, und dass die von den Schülern erbrachten Arbeitsleistungen und -ergebnisse kontrolliert werden.
Was hat Sie in diesem Zusammenhang besonders gefreut?
Uns Schulleiter freut, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer auf diese Herausforderung eingelassen haben. Wir spüren auch in dieser Situation, dass unsere Pädagogen ein hohes Maß an Verantwortung den Schülerinnen und Schüler gegenüber haben, und dass sie sehr kreativ sind, um den Schülern Lernangebote nach Hause zu geben. Darüber hinaus pflegen die Pädagogen auch zu den ganzen Familien regelmäßig Kontakt und versuchen, die Familien zu stärken.
Am 4. Mai, sollen die Schulen zunächst für die Prüfungsklassen wieder öffnen. Bis die vor Corona gewohnte Normalität wieder einkehren wird, wenn überhaupt, wird es nach Aussage von Fachleuten noch Monate dauern. Wie weit haben sich die Schulen schon auf diese Art „Dauerzustand“ eingestellt?
Es wird weiterhin so unterrichtet wie bisher auch, mit Erklärvideos, Arbeitsblättern und Video-Klassen-Chats.
Was ist Ihre größte Sorge in der Corona-Zeit?
Meine große Sorge ist, dass die Schere der Bildungs- und Chancengleichheit weiter auseinander geht, so lange diese Krise anhält. Ich sehe das Problem dass es auf Dauer schwierig sein wird, strukturierte Tagesabläufe und insbesondere auch die Lernmotivation aufrecht zu erhalten. Dass die Belastung in den Familien noch größer wird mit unterschiedlichen Herausforderungen wie Homeoffice, Einschränkung von sozialen Kontakten, die ständige Beschulung (Homeschooling). In Familien mit mehreren Kindern und beispielsweise nur einem Tablet oder Smartphone ist die Frage zu klären, wer wann und wofür ein Tablet oder einen Computer nutzen darf. Darin steckt viel Konfliktpotenzial.
Was ist Ihr größter Wunsch in der Corona-Zeit?
Dass alle Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern sowie die Pädagogen gesund bleiben, dass die Gelassenheit in den Familien überwiegt, dass in diesem Schuljahr alle Schüler noch einmal die Schule besuchen können. Und dass das digitale Lernen konsequent ausgebaut wird, und dass für die Zukunft jeder Schüler ein mobiles Endgerät und einen kostenlosen Zugang zum Internet erhält.
Fragen: Bernhard Lutz