
Der mit den Kuckucksuhren – meistens reicht diese Beschreibung um einem Gesprächspartner zu vermitteln, dass es um Stefan Strumbel geht. Den Künstler aus Offenburg, der es mit seinen Arbeiten auch schon auf das Titelblatt des weltbekannten Time Magazine geschafft hat. "Dabei habe ich gar nicht so viele Uhren gemacht, wie viele annehmen", sagt Strumbel im Museum Art Plus, wo er bei der Talk-Reihe Rede und Antwort steht.

Das Thema Heimat zieht
Der Name lockt. Im Spiegelsaal des Museums müssen weitere Stühle reingeschafft werden, so viele Besucher sind gekommen. Darunter auch jüngere, zwischen 20 und 30 Jahre alt. Auch sie scheinen in den Arbeiten Strumbels irgendwas zu entdecken. Kein Wunder, liegt doch des 1979 Geborenen auf dem Thema Heimat. Worthülse, Komplex, Gefühl. Jeder hat dazu eine Verbindung – und eine eigene Auslegung.

Die Leinwand fährt in den Norden
Schon zu seinen Anfängen liegt die Heimat im Fokus von Strumbel. Klassisches Graffiti, aufgesprüht auf Züge fahren bunte Kuckucksuhren bis in den Norden der Bundesrepublik. "Ich fand den Gedanken faszinierend, dass meine Leinwand quasi aus dem Schwarzwald weiter in das Land fährt." Das Problem daran: es ist illegal. Der erste Prozess lässt nicht lange auf sich warten. Es wird nötig, irgendwie Geld zu verdienen, um sich einen Rechtsbeistand leisten zu können: "1996 hatte ich meine erste Verhandlung. Ich begann dann, mir mit legalen Aufträgen die Bezahlung der Anwälte zu finanzieren", erklärt Strumbel.
What the fuck is Heimat?
Eine der ersten Ausstellungen findet in Charlotte, Colorado, USA statt. Besonders interessant: Wie erklärt man den Amerikanern in englischer Sprache den Heimat-Begriff? Die fragen sich natürlich "What the fuck is Heimat?" (engl.: Was zur Hölle ist Heimat?) Strumbel übernimmt das, benutzt die Frage in seinen Werken. 2014 benutzt er sie als Titel einer Ausstellung.

Worum geht es ihm?
"Der Heimatbegriff war damals noch verstaubt. Das wollte ich aufbrechen", erklärt er. Das schafft er, indem er Objekte verfremdet, den in engem Zusammenhang mit dem Heimatbegriff stehen: Kuckucksuhren, Bollenhut, Trachten. "Der Bollenhut ist Idylle", so Strumbel. Entsprechend groß auch der Aufschrei vieler deutscher Tourismus-Verbände, als er Siebdrucke anfertigt, auf denen sich eine Dame mit Bollenhut eine Nadelspritze an die Vene setzt. Ein fataler Bruch. Das Schwarzwaldmädel als Junkie: "Heimat ist doch die stärkste Droge. Es geht dabei um Gefühle wie Glück, Geborgenheit, die erste Liebe nach der Geburt. Das ist wie ein Schuss."

Urbane Kunst wird Mainstream
Die aufgesprühten oder geklebten Kunstwerke im öffentlichen Raum halten nach und nach Einzug in die Kunstwelt der Sammler und Galerien. Die Leute beginnen sogar, Graffiti von der Wand abzuklopfen. Wie erst kürzlich das Banksy-Kunstwerk beim Pariser Bataclan-Club. "Die Werke gerieten von der Straße in den Raum", erklärt Strumbel. Seine erste Kuckucksuhr, an einer Hauswand hängend, wird direkt ebenfalls geklaut. Ein medialer Hype entsteht, als sich Modeschöpfer Karl Lagerfeld mit einer der Uhren abbilden lässt: "Viele denken: Wenn Lagerfeld so was hat, besitzt das sicher Tiefe. Die kommerziellen Händler haben das ausgeschlachtet." Industriell gefertigt werden die Uhren übrigens nicht: "Die ersten habe ich fast nur durch Farbe verändert, die letzten habe ich im Studio stark verändert."

Traditionsschänder
Heute könne man an keinem Laden vorbei, in dem sich nicht mindestens ein Bollenhut befinde. Früher sei das anders gewesen. Auch habe Strumbel das Material für seine Arbeiten aus den Touriläden meist erst nach 17 Uhr abholen können: "Ich galt als Traditionsschänder", so der Künstler. Er ergänzt: "Es ist witzig, wie das heute teilweise überkitscht ist." Die Ansicht wandelt sich. Strumbel wird erfolgreich, international. Den Heimatbegriff machen sich auch Unternehmen zu Nutze, die ganz klar in der Region verortet sind, etwa die Rothaus Brauerei bei Grafenhausen.

Die Verortung verblasst
Das knallbunte ist aus Strumbels Arbeiten größtenteils verschwunden. Das Heimat-Thema ist weiter präsent, allerdings in anderer Form: "Was will ich denn mit der Heimat? Es ist mir wichtig, sie zu bewahren und weiterzugeben", sagt Strumbel. Also wird sie eingepackt, in Luftpolsterfolie. Was darunter steckt? Ein Stücke Heimat. "Jeder kann das Bild vollenden, Heimat ist immer anders." Die Gefühle stehen im Vordergrund. Was ist etwa eine Madonna anderes, als eine Frau mit Kind? "Es geht um Nähe."

Ähnlich ist es bei den verspiegelten Tränen. Sie verorten den Betrachter im Raum, zeigen ihn aber in verschieden Teile zerbrochen, dekonstruiert. Heimat ist ein Begriff, der nicht leicht zu fassen ist.
Woher kommen die Ideen?
Die erhält der Künstler bei ganz verschiedenen Begebenheiten: "Das kann beim Zähneputzen sein, manchmal ganz intuitiv und manchmal steckt eine lange Planung dahinter", erklärt der Offenburger. Er sei glücklich, jeden Tag so arbeiten und seinen Traum leben zu können: "Was ist Erfolg? Ich bin einfach dankbar darüber, was passiert ist, und glücklich, den Bruch überstanden zu haben." Auch in den USA gibt es noch Käufer, die sich einen echten Strumbel gönnen: "Wir habe gerade erst zwei Container an Sammler Übersee geschickt", so Strumbel.