Ernst Zimmermann

Die Feuerwehr braucht sie nicht, der Katastrophenschutz setzt auf Nina und der Bund hat sie längst vergessen. Zur Klarstellung: Nicht mehr gebraucht wird die Heulsuse und damit gemeint ist die gute alte Luftschutzsire. Und Nina ist nicht das nette Mädchen aus der Nachbarschaft, sondern ein Kunstwort (Notfall-Informations- und Nachrichten-App) und steht für die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zur Verfügung gestellte Smartphone-App.

Überbleibsel aus der Zeit des kalten Kriegs: In Neudigen befindet sich die alte Luftschutzsirene noch auf dem Rathausdach. Sie ist, von ...
Überbleibsel aus der Zeit des kalten Kriegs: In Neudigen befindet sich die alte Luftschutzsirene noch auf dem Rathausdach. Sie ist, von Hand gesteuert, sogar noch funktionsfähig. | Bild: Ernst Zimmermann

Als das Gorbatschow'sche Tauwetter das Eis des kalten Kriegs zum Schmelzen brachte, gingen mit dem Schmelzwasser auch die Luftschutzsirenen den Bach runter. Sie wurden einfach nicht mehr gebraucht. Deshalb bot der Bund den Kommunen an, diese in ihre Obhut zu übernehmen. Donaueschingen hat von diesem Angebot damals nicht Gebrauch gemacht, weil dem Luftschutz keine Bedeutung mehr beigemessen wurde und es für den Feueralarm eine stille Lösung gab. Nicht alle Kommunen handelten in gleicher Weise. Von den einst rund 70 000 Sirenen sind heute bundesweit immer noch 35 000 vorhanden. Trotz der Entscheidung für den Abbau hat in Donaueschingen eine Sirene überlebt – die auf dem Rathausdach in Neudingen. Diese funktioniert sogar noch, wie von Edgar Schiesel, dem Kommandanten der Gesamtwehr Donaueschingen, zu erfahren war.

Die auf Funk und Internet basierten Warnmöglichkeiten stoßen an ihre Grenzen

Jetzt wird in Deutschland teilweise aber wieder über Sirenen diskutiert. Vielleicht weil sich die weltpolitische Lage gegenüber der Zeit nach 1989 doch wieder etwas gewandelt hat. Vielleicht setzt sich aber auch langsam die Erkenntnis durch, dass die auf Funk und Internet basierten Warnmöglichkeiten allein möglicherweise doch nicht das Gelbe vom Ei sind und deren Ergänzung mit Sirenen möglicherweise die allerbeste Lösung darstellt, um die Bevölkerung vor allen denkbaren Gefahren warnen zu können.

Schon werden in manchen Städten elektronische Hochleistungssirenen neu aufgestellt, die in einem modularen Warnsystem neben Warnungen über Apps, Informationen über Radio und Internet und so weiter als weiteres Standbein dienen sollen. Die Sirenen der neuen Art sind vom Stromnetz unabhängig und können bis zu 30 Alarmierungen über Akkubetrieb leisten. Sie sind vor allem nachts allen anderen Warnmöglichkeiten weit überlegen. Kein System kann dann so effektiv warnen wie sie. Die Meinungen zur Frage, ob zusätzliche Sirenen tatsächlich aber gebraucht werden, oder die jetzige Diskussion in dieser Hinsicht als Aktionismus abzutun ist, sind sehr unterschiedlich.

Die meisten Bürger können Sirenensignal nicht deuten

Edgar Schiesel hat eine klare Meinung dazu: „Sowohl die Feuerwehren als auch die anderen Rettungsorganisationen benötigen für ihre Einsätze keine Sirenen. Diese werden über die sogenannten Piepser von der integrierten Leitstelle in Villingen-Schwenningen alarmiert und mit den notwendigen ergänzenden Informationen versorgt." Der stille Alarm sei ganz im Sinne der Feuerwehr, weil er gewährleiste, dass die Feuerwehrleute ihre Aufgaben ohne Behinderung durch Zuschauer erledigen köntnen. Notstromversorgungen sorgten dafür, dass dieses System auch bei Stromausfällen funktioniere. Andreas Dereck, der Leiter des Ordnungsamts der Stadt Donaueschingen, sieht auch im Hinblick auf den Katastrophenschutz keine zwingende Notwendigkeit für die Neuinstallation von Sirenen. Eine solche Lösung sei zwar auch diskutiert, aber wieder verworfen worden. Zum einen wegen der damit verbundenen Investitions- und Unterhaltungskosten und zum andern wegen der Tatsache, dass die Bevölkerung die Bedeutung der einzelnen Sirenensignale kaum richtig zu deuten wüsste. Die Stadt setzt deshalb bei Stromausfall auf Lautsprecherdurchsagen, um die notwendigen Verhaltenshinweise zu geben.

Nina übermittelt standortbezogene Warnungen

Und Nina? Diese Smartphone-App hat auch ihre Berechtigung. Sie warnt zum Beispiel über bevorstehende oder bereits existente Katastrophen oder Gefahrenlagen wie zum Beispiel Großbrände oder Gefahrstoffe, die sich unkontrolliert ausbreiten. Darüber hinaus übermittelt Nina standortbezogene Warnmeldungen wie etwa über Hochwasserstände oder regionale Unwetter und auch über ganz andere Gefahren wie zum Beispiel beim Erpressungsversuch im September 2017 mit vergiftete Babynahrung in einem Supermarkt in Friedrichshafen. Bei besonderen Gefahrensituationen in Donaueschingen wird Nina ebenfalls Warnhinweise geben, wie Andreas Dereck dem SÜDKURIER auf Anfrage verraten hat.

Nina ist allerdings kein Ersatz für Sirenen. Nicht jeder hat nämlich ein Smartphone, und wer eines hat, hat es nicht immer griffbereit. Außerdem ist nicht gewährleistet, dass immer und überall das Internet, auf dem Nina basiert, funktioniert.

Sirenen könnten eine Übergangslösung sein

Arnold Schuhmacher vom Landratsamt sieht die Warn-Problematik differenzierter. Sirenen, die auch beim Versagen der Stromversorgung funktionieren, sind für ihn eine gute Lösung. Kommunen, die noch über Sirenen verfügen, empfiehlt er deshalb, diese zu erhalten und auch weiterhin zu pflegen. Bei einem Zusammenbruch der Versorgungsinfrastruktur bei einer Unterbrechung der Stromversorgung wären sie das probateste Mittel für eine schnelle Warnung der gesamten Bevölkerung.

Für Warnungen in einem möglichen Verteidigungsfall setzt das Land auf das satellitengestützte Warnsystem „SatWaS". Dieses System soll weiterentwickelt werden. Bis dies soweit ist, könnten aber doch wieder Sirenen zum Einsatz kommen. Jedenfalls werden zurzeit entsprechende Forderungen diskutiert. Nur so wäre nämlich im Verteidigungsfall gewährleistet, dass die Bevölkerung insgesamt innerhalb kürzester Zeit vor möglichen Angriffen aus der Luft gewarnt werden kann. Thema Sirenen ist also doch noch nicht endgültig erledigt.

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