Es sollte nie der Eindruck entstehen, die Zahlen für die Werderstraße ein Geheimnis wären. Nachdem es in der vergangenen Woche den deutlichen Hinweis von den Stadträten gegeben hatte, dass doch endlich einmal über die Verkehrszählung gesprochen werden sollte, hat OB Erik Pauly sie nun offiziell verkündet. Aber nicht ohne einen deutlichen Hinweis: "Es wäre das Falscheste, nun einen hektischen Entschluss zu treffen, um die vermeintlich schlechte Stimmung zu verbessern."
Fakt ist jedoch, der Verkehr in der Werderstraße hat sich erheblich gesteigert. Waren es vor der Einführung der Einbahnstraße an der Stadtkirche täglich durchschnittlich 796 Fahrzeuge, so wurden bei der Zählung drei Monate nach Umsetzung der umstrittenen Maßnahme täglich durchschnittlich 2150 Fahrzeuge gezählt. In der Woche vom 9. November bis zum 16. November wären es 5576 Fahrzeuge gewesen und bei der zweiten Zählung vom 3. Juli bis zum 10. Juli wurden laut Pauly 17 200 Fahrzeuge gezählt. Ein Problem mit der Geschwindigkeit gebe es allerdings nicht: Vor der Einbahnstraße wäre 85 Prozent der Fahrzeuge mit 28 Stundenkilometern oder weniger unterwegs gewesen und auch bei der zweiten Zählung hätten 85 Prozent der Fahrzeuge sich an Tempo 30 gehalten.
Zwei weitere Zählungen sind laut OB geplant: eine im November und eine zu Beginn des neuen Jahres. Die beiden vorhandenen Zählungen sind seiner Meinung allerdings keine Grundlage für eine Entscheidung. Grundsätzlich ist eine Verwaltungskehrtwende festzumachen. Hatte Bürgermeister Bernhard Kaiser den Stadträten noch vor einer Woche vorgeworfen, dass die Entscheidung zur Einführung der Einbahnstraße vom Gemeinderat gefällt wurde und aus der Hüfte herausgeschossen worden sei, ist Pauly nun bemüht im Wir-Modus unterwegs und betont deutlich: "Das Verkehrkonzept wurde nicht über das Knie gebrochen, sondern ist einem abgewogenen Prozess entstanden."
Doch wie geht es nun weiter? Die Hoffnung, dass sich die Verkehrsströme mit der Zeit noch ändern werden, machte Ordnungsamtsleiter Andreas Dereck zunichte. Denn er hat Anfang der Woche mit sechs Mann die Autofahrer in der Werderstraße befragt. Auf Begeisterung stieß die Aktion, die in der Hauptverkehrszeit der Werderstraße von 7.30 Uhr bis 10 Uhr stattgefunden hat, bei den Autofahrern, die an der Ampel halten mussten, nicht gerade. Aber sie brachte interessante Ergebnisse zutage.
Als Datengrundlage dienen 320 Befragungen, die ein doch recht eindeutiges Bild bieten. Punkt eins: Wie viele Autofahrer verlassen sich noch auf ihr Navi und landen deshalb irrtümlich in der Werderstraße? "Nur vier Befragte sind nach dem Navi gefahren", erklärte Dereck. Damit hat sich die Argumentation zerschlagen, dass es doch noch einige Verkehrsteilnehmer geben könnte, die auf Grundlage der Navigationsstimme den Weg durch das Wohngebiet nehmen, anstatt über die Bahnhofstraße und die Herrmann-Fischer-Allee auf den Hindenburgring zu fahren.
Doch ist es überhaupt bekannt, dass es eine Alternative zur Werderstraße gibt? "Acht Befragte haben angegeben, dass ihnen keine Alternative bekannt ist", sagt der Ordnungsamtsleiter. So bleiben 308 Fahrzeuge, deren Fahrer durchaus bewusst ist, dass sie auch anders fahren könnten. Die Begründungen für die Streckenwahl: Über den Hindenburgring wäre der Weg weiter und man würde ständig an einer Ampel warten müssen. Und eines kommt noch hinzu: "Fast alle haben gesagt, dass sie auch weiterhin durch die Werderstraße fahren werden." Vor allem diejenigen, die zum Fürstenberg-Gymnasium wollten, wären nicht bereit, über den Ring zu fahren. Man müsse allerdings beachten, dass natürlich auch bei den Befragten der Anteil mit dabei sei, der früher die Werderstraße schon als Abkürzung benutzt hat.
"Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir eine deutliche Zunahme des Verkehrs in der Werderstraße haben", sagt der OB. Nicht nur der ehemalige Stadtbaumeister Heinz Bunse habe den Anwohnern vor der Umsetzung der Einbahnstraße versprochen, dass es im Falle einer erheblichen Verkehrszunahme Maßnahmen geben werde, sondern auch er selbst. Auch die Befragung sei "eindeutiger, als wir uns das vorgestellt haben". Aber: "Die Zahl der gemessenen Fahrzeuge haben wir auch in anderen Straßen."
SPD-Stadtrat Peter Rögele, der die ganze Diskussion in der vergangenen Woche mit seiner Nachfrage angestoßen hatte, machte sich für eine baldige Lösung stark: "Das Thema Werderstraße brennt unter den Nägeln. Wir haben damals davor gewarnt." Nun könne man die Anwohner nicht ein weiteres dreiviertel Jahr warten lassen. Das sei nicht zumutbar. Zeitnahe müsse nun überlegt werden, was man tun könne. Eine Temporeduzierung von 30 auf 20 Stundenkilometer und begleitende Maßnahmen krönnten beispielsweise schnell realisiert werden.
Weitere Diskussion übers Verkehrskonzept
FDP/FW-Fraktionssprecher Bertolt Wagner hatte in der vergangenen Woche gefordert, dass der Gemeinderat sich noch einmal ausführlich mit dem Verkehrskonzept beschäftigt. Und das noch vor der nächsten Kommunalwahl – schließlich haben die Räte des aktuellen Gremiums die Entscheidungen getroffen. Nun die Bestätigung von OB Erik Pauly: „Wir werden das zeitlich hinbekommen und wir werden dann auch das Planungsbüro hinzunehmen.“ Mit ein Thema dürfte dann auch sein, ob die Einbahnstraßen in der Zeppelinstraße und der Max-Egon-Straße schon früher umgedreht werden sollen. Ein Frage, die sich sowohl GUB-Stadträtin Claudia Weishaar, als auch CDU-Fraktionssprecher Konrad Hall gestalt hatten. Bislang ist die Maßnahme an die Realisierung des Parkdecks neben dem Rathaus geknüpft. Allerdings könnte die Änderung der Einbahnstraße in den beiden Straßen auch einen Einfluss auf den Verkehr in der Werderstraße haben. Auch in der Karlstraße soll nochmals der Verkehr gezählt werden.