Der Chef schickt den Mitarbeiter mal eben zum Betriebsarzt. Was ist an dieser flapsig anmutenden, aber die Machtverhältnisse widerspiegelnde Aussage dran? Ist der Betriebsarzt der verlängerte Arm der Geschäftsführung? Muss ich als Mitarbeiter gar Angst haben vor dem Betriebsarzt? Das ist alles, kurz gefasst, nicht zutreffend, lautet ein verkürzte Antwort. Ausführlich das Zusammenspiel von Betriebsarzt, Firmenleitung und Mitarbeiter erklären kann Christoph Kusch. Er ist Facharzt für Arbeitsmedizin, hat seinen Dienstsitz innerhalb einer international aufgestellten Unternehmensgruppe in Villingen-Schwenningen und betreut nach eigenen Angaben rund 100 Firmen. Etwa achtmal im Jahr führen ihn seine Aufgaben nach Donaueschingen in die Fürstenberg-Brauerei.

Dabei schwankt der arbeitsmedizinische Aufwand so stark wie die Größe der Betriebe. Der Gesetzgeber schreibt diese Betreuung für jeden Betrieb mit Beschäftigten vor. Das gilt von der Imbiss-Bude bis zum Weltmarktführer. Mindestens alle drei Jahre sollte über die Berufsgenossenschaft den jeweiligen Betrieben ein Besuch abgestattet werden, bei größeren Betrieben findet das öfter statt: von jährlich, mehrmonatlich bis hin zu mehrmals im Monat. „Definiert wird das in dem Vertrag, den die Firma über die Berufsgenossenschaft mit uns abschließt.“

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Wer jetzt meint, der Betriebsarzt erfülle eine Funktion, die im Bedarfsfall der eines gängigen Facharzt oder Allgemeinmediziners gleichkommt, irrt. „Meine Hauptaufgabe ist die Beratung“, sagt der 63-jährige Arbeitsmediziner. Arbeitsmedizin sei kein kuratives Fach. Mitarbeiter würden von ihm nicht behandelt. „Ich kann also auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausschreiben“, führt er etwaige Missverständnisse zum Thema Krankmeldung weiter aus.

„Ich kann also auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausschreiben.“Christoph Kusch ist ein erfahrener Arbeitsmediziner.
„Ich kann also auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausschreiben.“Christoph Kusch ist ein erfahrener Arbeitsmediziner. | Bild: Christoph Kusch

Seine beratende Tätigkeit beläuft sich darauf, Arbeitgeber und Betriebsrat bei Unfallverhütung und Arbeitsschutz in allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu unterstützen. Der Arbeitsmediziner muss auch Beurteilungen von Arbeitsplätzen vornehmen und arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig erkennen und verhüten.

Das gilt auch für seine Einsätze in der Brauerei. In der Flaschenabfüllung herrscht ein erhöhter Lärmpegel. Einen Gehörschutz zu tragen, ist dort vorgeschrieben. Über die arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung definiert sich, welche Arten von Untersuchungen und Beratungen in welchen Bereichen möglich sind. Wo Beschäftigte Lärm ausgesetzt sind, kann ein Hörtest empfohlen werden und wird geschaut, welche Form von Gehörschutz – vom Schaumstoff- oder Wattestöpsel über Kapseln die über die Ohren gestülpt werden, bis zur dem Ohr angepasste Otoplastiken – verwendet wird.

In der Hand des Arbeitnehmers

Die Empfehlung für einen Hörtest stellt der Arbeitsmediziner aus. Den Rest hat der Arbeitnehmer in der Hand. „Es ist freiwillig, die Bescheinigung beim Arbeitgeber abzugeben“, sagt Kusch. Denn der Betriebsarzt ist gehalten, die ärztliche Schweigepflicht zu beachten. Andere Personen erhalten keine Auskünfte über medizinische Befunde und Diagnosen.

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Parallel laufen im Betrieb kontinuierlich die Umsetzungen von Vorsorgemaßnahmen. Dies zu dokumentieren wie auch die Einhaltung von Schutzmaßnahmen und Hörtestprotokollen, schütze Firma und Mitarbeiter. Sollten vom Mitarbeiter bei Renteneintritt Gehörschäden vorgebracht werden, die angeblich auf der Berufstätigkeit beruhen, könnte der Betrieb etwaige finanzielle Ansprüche durch die dokumentierte Gesundheitsfürsorge abwehren.

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Aus seiner Expertise entwickelt er Gefährdungsbeurteilung. Abhilfe kann er – eine Form der Vertragserweiterung – selbst anbieten oder sie ist für eine Firma extern einholbar. Bei Betriebsbegehungen kontrolliert Kusch die Umsetzung der Schutzmaßnahmen. Auch die Gestaltung von Arbeitsplätzen obliegt dem Arbeitsmediziner und dazu Vorsorge- und Sicherheitsschulungen sowie die Wiedereingliederung erkrankter Mitarbeiter.

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Gerade diese Wiedereingliederung sei inzwischen sehr bedeutsam. Kranken- und Rentenversicherung sei es ein Anliegen, Mitarbeiter länger im Arbeitsprozess zu halten. Schon seit einigen Jahren ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BG) ein wichtiges Themenfeld der Arbeitsmediziner. Da gehe es um Elemente der Teilhabe, erläutert Kusch. „Die Menschen verbringen dort viel Lebenszeit. Da muss man auch etwas bieten“. Allerdings ruhten die BG-Aktivitäten Corona-bedingt derzeit nahezu komplett.

Im Regelfall bewegt sich der Betriebsarzt geräuschlos im ökonomischen Kräftefeld zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Seine Arbeit findet Anerkennung. So schreibt die Pressesprecherin Ilona Zimmermann der Fürstenberg-Brauerei auf Anfrage: „ Der Betriebsarzt ist für uns als Arbeitsgeber Ansprechpartner und auch Ratgeber bei arbeitsmedizinischen Fragen und dem allgemeinen Gesundheitsschutz. Er ist somit ein wichtiger Bestandteil im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsvorsorge.“