Es ist einer jener klaren, verheißungsvollen Frühlingsmorgen an der andalusischen Küste, an denen das Leben noch vor dem ersten Kaffee mit leichtem Schritt durch die offene Balkontür tritt. Die Sonne steht bereits über dem Mittelmeer, das in flirrendem Glanz die ersten Stunden des Tages begrüßte. Der vertraute Rhythmus des Morgens – warmes Wasser auf der Haut, Musik aus dem Lautsprecher, das Licht hell und unaufdringlich – lässt keinen Zweifel daran, dass der Montag, 28. April, ein gewöhnlicher Tag zu werden verspricht.
Dann, abrupt, der Schnitt: ein Lautloswerden der Welt.
Mit einem kaum vernehmbaren Klicken versinkt das Badezimmer in Dunkelheit. Die Musik erstirbt mitten im Takt, der Ventilator verstummt, das Licht verlischt, als hätte jemand aus weiter Ferne eine unsichtbare Hand über die Zivilisation gelegt. Zunächst regt sich nur leiser Unmut – ein Stromausfall, gewiss, eine jener Unannehmlichkeiten, mit denen man in südlichen Gefilden zu leben gelernt hat. Vielleicht ein überforderter Verteilerkasten, ein Elektroauto zu viel am Netz.
Doch die Unruhe wächst, Türen schlagen, Stimmen werden laut, auf den Balkonen werfen sich Menschen fragende Blicke zu. Nachbarn tauschen Spekulationen, suchen Empfang – vergebens. Was sich da im Kleinen andeutet, entfaltete sich bald in seinem vollen, verstörenden Ausmaß: Die iberische Halbinsel ist ohne Strom. Spanien, Portugal – abgeschaltet. Eine moderne Gesellschaft, von einem Moment auf den anderen aus ihrer elektrischen Selbstverständlichkeit gerissen. Im Standby-Modus, unfreiwillig.
Binnen Minuten wandelte sich das technische Versagen zur gesellschaftlichen Zäsur. Die digitale Infrastruktur – dieser stille Motor unseres Alltags – ist verstummt. Keine Nachrichten, kein Mobilfunk, keine Signale. Keine Supermarktkassen, kein Aufzug, kein funktionierender Geldautomat. Was bleibt, ist ein Zustand zwischen Stillstand und Staunen – ein kollektives Innehalten in einer Welt, die ihren Takt verloren hat.

Doch gerade in dieser Entschleunigung, inmitten des Abbruchs, beginnt sich etwas anderes zu regen. Die Menschen treten hinaus ins Licht, sucht das Freie, das Gespräch, das Gemeinsame. Der Strand und die Promenade werden zu Orten der Begegnung. Auf mit Gas betriebenen Grills brutzelt Fleisch, Bier fließt aus mechanischen Zapfhähnen, Kinder planschen im seichten Wasser. Fremde kommen ins Gespräch, als hätten sie nur auf diesen einen Anlass gewartet.
Es wird diskutiert und spekuliert
Und wieder einmal – wie schon in den Tagen der Pandemie – zeigt sich: Die Gesellschaft weiß, sich zu improvisieren. Was ihr an Planung genommen wird, ersetzt sie durch Kreativität und Nähe. Es wird diskutiert, philosophiert, spekuliert: Ein Angriff aus dem Osten? Ein Kollaps des Netzes? Ein Vorbote kommender Krisen oder nur eine zufällige Entladung im falschen Moment? Das Resultat der grünen Energiewende?
Während einige die Supermärkte stürmen – ein Reflex der jüngeren Geschichte, die Hamsterkäufe zum Ritual gemacht hat –, bleiben andere am Wasser sitzen, in Gespräche vertieft, im Jetzt verankert. Wie einst in den Tagen der Pandemie entfaltet sich eine sonderbare Mischung aus Alarmbereitschaft und Gelassenheit.
Manche hamstern Wasser und Konserven, als stünde das Ende der Welt bevor. Kerzen wurden angezündet, alte Radios mit Batterien hervorgeholt, Vorräte geteilt. Was sich zuerst wie ein Rückfall anfühlt, wird zur Einladung: zum Gespräch, zur Reflexion, zur Wiederentdeckung des Analogen.
Für jene freilich, die in Aufzügen eingeschlossen oder in elektrischen Bahnen gefangen sind, blieb der Tag von einem anderen Kaliber: ein Moment der Ohnmacht im wörtlichen Sinne. Doch auch ihnen wird geholfen, mit einer Entschlossenheit, die in der vermeintlich so anonymen Moderne oft unterschätzt wird. Hilfsbereitschaft ist keine Ausnahme, sondern Regel.

Erst in den frühen Morgenstunden des Dienstags, kehrt der Strom zurück. Leise, fast schüchtern, beginnt die Welt wieder zu summen. Bildschirme flackern auf, Kühlschränke surren, das Wlan findet sein Netz. Die Normalität kehrt zurück – aber nicht unbemerkt. In manchem Gesicht liegt ein Ausdruck, der sich nicht so schnell abschütteln lässt.
Eine Welt ohne digitale Kruste
Es ist ein Lächeln, das verrät: Man hat etwas gespürt. Etwas Echtes. Die Welt, wenn man sie von ihrer digitalen Kruste befreit. Ein Tag, an dem man sich erinnert, wie es war, als Zeit noch nicht in Prozenten des Akkustandes gemessen wurde, als man aufblickte statt auf Displays zu starren. Ein Moment des Lebens, als die Realität den Diskurs beherrscht hat, die Flucht in das Virtuelle war vereitelt.
Vielleicht war es nur ein Tag. Ein Aussetzer im System. Vielleicht aber es auch ein Spiegel, in dem wir für einen kurzen Augenblick das Wesentliche erkannten. Was zählt, wenn nichts mehr funktioniert – außer wir selbst.