Furtwangen Immer wieder werde er angesprochen, wenn er mal Urlaub macht, ob er jetzt Rentner sei, schmunzelte Hermann Fengler im Gespräch mit dieser Zeitung. Nein, nach wie vor sei er als Gemeindevollzugsbediensteter der Stadt Furtwangen tätig – und die Arbeit mache ihm Spaß. Doch auch er habe manchmal Urlaub.

Und den Urlaub nutze er gerne, um das nachzuholen, was ihm in jungen Jahren verwehrt blieb – Reisen in ferne Länder. Hier berichtet er von seiner jüngsten Reise nach Venezuela.

„Meine Reise begann in Freiburg – mit dem Zug nach Frankfurt, anschließend mit dem Flieger über Istanbul und Havanna und nach etwa 13 Stunden reiner Flugzeit nach Caracas mit einer Zeitverschiebung von fünf Stunden. Nach Uganda, Togo, Senegal, Kolumbien und Ecuador jetzt eben Venezuela“, so Fengler.

Die Hauptstadt Caracas liegt im Norden – die Kathedrale der Hauptstadt ist eine Sehenswürdigkeit romanischer Architektur, die 225 Meter hohen Zwillingstürme des Parque Central prägen das Stadtbild. Rund 28 Millionen Menschen leben in Venezuela auf einer Fläche von rund 916.450 Quadratkilometern, etwa sieben Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe – besonders bei der medizinischen Grundversorgung und Sicherung der Ernährung. Denn das Durchschnittseinkommen liegt bei fünf Millionen Bolivares – umgerechnet 1,30 Euro, obwohl das Land das wohl reichste Erdölvorkommen der Welt hat – der Sprit ist indes sehr billig.

Landeswährung sei kaum erhältlich, sagt Fengler, deshalb könne in der Regel auch kein Geld getauscht werden. Die Ausgabe an Geldautomaten sei eingestellt worden. Der Zahlungsverkehr erfolge weitgehend elektronisch und sei meist auch mit internationalen Kreditkarten möglich. Wenn Bargeld, würden US-Dollar akzeptiert.

Durch ein Vorbereitungstreffen wusste der Vollzugsbeamte, sein Gastgeber vor Ort heißt Jörg, und diesem sei es eine Herzenssache, Werbung für das wunderbare, vielfältige und bunte Land zu machen. Jörg reiste bereits 1988 mit dem Rucksack durch Venezuela. Seitdem hat er verschiedene Länder Lateinamerikas und des globalen Südens bereist. Seit 2018 lebt er in Caracas. Er ist Diplom-Geograf, der sich auf die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen zur Verbesserung der Lebensqualität spezialisiert hat. Zuletzt unterrichtete er Deutsch als Fremdsprache am Colegio Humboldt Caracas.

„Schwerpunkte meiner Reisen sind Kontaktaufnahme mit der unverfälschten Landesbevölkerung außerhalb jeglichen Tourismus, hineinschnuppern in verschiedene Projekte, um das wahre, einfache und zum Teil erbärmliche Leben zu erkunden, um einen Eindruck in das Hier und Jetzt in einem fremden Land zu bekommen“, nennt Fengler seine Intention.

„Wir bekamen Einblicke über komplette Prozesse von der Kakaopflanze bis zur fertigen Schokolade, den beschwerlichen Kartoffelanbau an steilen Hängen, besuchten auf einer abenteuerlichen Jeep-Fahrt durch den Bergnebelwald die Kolibri-Station eines deutschen Auswanderers, der vor Jahren aus einem kargen Stück Land durch Aufforstung einen Urwald zauberte und eine kleine Pension in den Bergen betreibt.“

Die Gruppe tauchte in Armenvierteln, den sogenannten Barrios, ein und lernte das Leben im kulturell reichen Armenviertel San Agustin kennen. Natürlich durfte auch der Besuch in einer Rumfabrik Santa Teresa nicht fehlen. Rum hat eine lange Geschichte in Venezuela und eine große Bedeutung.

Die Zustände in Venezuela seien desaströs, so Fengler. Menschen leiden an Hunger, die Inflationsrate liegt bei 13.000 Prozent. Doch mit Spirituosen könne ein Oligarch trotzdem noch gute Geschäfte machen.

Es ging weiter in die einzigartigen Ökosysteme der Llanos, in denen die Gruppe Kaimane, Capybaras (Wasserschweine), Ameisenbären, Pumas und vieles mehr hautnah und in freier Wildbahn erleben konnte. Die Vielfalt der Hauptstadt Caracas mit dem bunten Treiben und Salsa wie Tangobars war erstaunlich. Doch die Armut sei allgegenwärtig, so verließen bis 2023 rund 7,7 Millionen Menschen das Land, weltweit eine der größten Flucht- und Migrationsbewegungen. „Erleben durften wir fast ausschließlich aufgeschlossene, freundliche, hilfsbereite und interessierte Menschen“, resümiert Fengler.