Sigmund Vögtle dreht mit dem Rasenmäher-Fahrzeug seine Runden auf den Fußballplätzen des FC Hüfingen. Seit 2015 arbeitet er dort ehrenamtlich als Platzwart, pflegt den Rasen, achtet darauf, dass rund um das Vereinsheim alles in Ordnung ist. Beruflich war er als Bewährungshelfer beim Justizministerium angestellt. Die Arbeit mit Strafffälligen hat ihn auch heute noch nicht losgelassen.
So war die Beschäftigung bei den Hüfinger Fußballern auch die Möglichkeit, dort sinnvolle Einsatzstellen zur Abarbeitung von Geldstrafen und Bewährungsauflagen für verurteilte Straftäter zu schaffen: "Das war fast 40 Jahre lang auch ein Teil meiner beruflichen Arbeit. Wobei es immer sehr schwierig war, entsprechende Einsatzstellen bei Kommunen und gemeinnützigen Einrichtungen zu finden, die bereit waren, mit dem manchmal schwierigen Personenkreis zu arbeiten", sagt Vögtle, der auch für die SPD-Fraktion einen Sitz im Gemeinderat innehat.
Man habe eher darüber geklagt, selbst genug Arbeit zu haben, "anstatt kostenlose Hilfe anzunehmen oder es zumindest zu versuchen", so der Platzwart. Funktionierte es dennoch, dann nur wegen persönlicher Beziehungen.
Zu viel Arbeit für den Rentner
Die anfallende Arbeit könne der Rentner auf der großen Anlage des FC nicht ohne die Vermittlung von durch die Justiz Verurteilten schaffen. Die erfolgt über den Bezirksverein für soziale Rechtspflege Villingen-Schwenningen. Das ist ein gemeinnütziger Verein, dem diese Aufgabe vor zehn Jahren vom Justizministerium Baden-Württemberg für den Schwarzwald-Baar-Kreis übertragen wurde.
Vögtle ist dort bereits seit etwa 40 Jahren ehrenamtlich im Vorstand des Bezirksvereins tätig. "Seit 2015 hatte ich bisher fünf Verurteilte vom Bezirksverein zugeteilt bekommen, die insgesamt 421,5 Stunden mitgearbeitet haben. Ich selbst komme in dieser Zeit auf zirka 1000 Stunden ehrenamtliche Arbeit", erklärt Vögtle.
Zuverlässige Arbeitskräfte
Probleme mit den Verurteilten habe er keine gehabt: "Entgegen der landläufigen Meinung haben alle zuverlässig gearbeitet. Man muss nur mit den Menschen richtig umgehen, macnhmal auch Druck machen, dabei sein und mitarbeiten."
Seit 1975 gibt es die Möglichkeit zur Vermeidung von Haft. Und zwar in Form einer Ersatzfreiheitsstrafe, die durch gemeinnützigen Einsatz abgearbeitet werden kann. "Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird vollstreckt, wenn ein Verurteilter eine Geldstrafe nicht bezahlen kann. Irrsinnigerweise entstehen dem Staat dadurch bundesweit pro Jahr etwa 200 Millionen Euro an Zusatzkosten", erklärt Vögtle. Ein Tag Strafvollzug koste den Staat etwa 130 Euro.
"Beitrag zur Resozialisierung"
Vögtle hat gerechnet. Dabei sei herausgekommen, dass er mit seinem Angebot beim FC bisher 105 Hafttage vermieden, was das Land Baden-Württemberg Kosten in Höhe von knapp 14.000 Euro erspart hat. "Aber nicht nur das. Es ist sinnvoller, körperlich zu arbeiten, anstatt Knastwände anzustarren. Das ist auch ein Beitrag zur Resozialisierung", sagt Vögtle.
Momentan arbeite ein Verurteilter, der in regulärer Arbeit stehe, jeden Samstag bei ihm mit. Um solche Einsatzstellen sei die Justiz froh. Es gebe allerdings auch Leute, die ihre Strafe lieber absitzen, als zu arbeiten. "Hier fehlt es auch am Druck, an der Betreuung und Lenkung im Vorfeld", so der Platzwart. Er ergänzt: Ich hatte auch mal einen langjährigen Drogenabhängigen, der nach stationärer Therapie 121,5 Stunden abgearbeitet hat. Gleichsam eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Das schafft keine Agentur für Arbeit", ist sich Vögtle sicher.
Mehr Arbeit als Verurteilte
Bei seiner Arbeit rund um und auf dem Fußballplatz könnt er durchaus weitere Helfer gebrauchten. Der Bezirksverein konnte jedoch nicht mehr Verurteilte zuweisen. Der Grund: Es gab keine. Daher hat Vögtle vor rund zwei Monaten im Gemeinderat einen Antrag gestellt, um für Flüchtlinge in der Stadt gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten zu schaffen, etwa zur Grünanlagenpflege beim Bauhof und eben bei den Fußballern.
"Nach dem Gesetz kann das Landratsamt Asylbewerber bereits zu Beginn des Asylverfahrens stundenweise zu gemeinnützigen Arbeiten heranziehen", sagt Vögtle. Ansonsten können sie nur arbeiten, wenn sie anerkannt sind, was in der Regel etwa zwei Jahre dauert. "Es gibt dafür pro Stunde einen Euro, ist sinnvoll und strukturiert den Tag. Wer das ohne triftigen Grund ablehnt, bekommt die Gelder gekürzt." Der Antrag sei jedoch nicht unterstützt worden: "Offensichtlich liegt er seit fast zwei Monaten beim Landratsamt. Ich habe nichts mehr gehört", sagt der SPD-Stadtrat.
Geldstrafe, Ersatzleistungen und der Tagessatz
- Geldstrafe: Die wird in der Regel im schriftlichen Verfahrensweg ohne eine gerichtliche Hauptverhandlung erlassen. Sie liegt weit unterhalb einer Freiheitsstrafe zur Bewährung. Sie wird bei weniger gravierenden Straftaten, wie etwa dem Fahren ohne Fahrerlaubnis, Diebstahl, Körperverletzung und wenn der Täter noch keine schwerwiegenden Vorverurteilungen hat, verhängt. Die Strafe setzt sich zusammen aus der Anzahl der Tagessätze und dessen Höhe, orientiert jeweils an der Schwere der Tat und den wirtschaftlichen Verhältnissen.
- Beispiel: Ein Bezieher von Hartz-IV-Leistungen erhält in der Regel einen Tagessatz von 10 Euro. Der Fußballnationalspieler Marco Reus erhielt vor zwei Jahren eine Geldstrafe für das jahrelange Fahren ohne Führerschein in Höhe von 540 000 Euro. Kalkuliert über 90 Tagessätze zu 6000 Euro. Pro Tagessatz müssen nun vier Stunden abgearbeitet werden. Der Bezieher von Hartz IV arbeitet vier Stunden, um zehn Euro abzuarbeiten – Marco Reus arbeitet auch vier Stunden, kann damit jedoch 6000 Euro abgelten. "Leider hat mich der Bezirksverein nicht angerufen, um mir Herrn Reus zu vermitteln", sagt Sigmund Vögtle.