Die Luft ist dick im Sitzungssaal in Königsfeld. Zu wenig Stühle, zu viele Menschen, viel Diskussionsbedarf. Da hilft auch das Öffnen der Fenster wenig. Die dicke Luft bleibt. Das liegt am Thema, das auf der Tagesordnung des Ortsteilausschusses Königsfeld steht: Die Ansiedlung von Aldi und Rossmann am Ortsrand.
Aldi und Rossmann oder Cap-Markt?
Seit über einem Jahr diskutiert die Gemeinde den Bau der beiden Märkte. Bereits zwei Standorte wurden abgelehnt, jetzt ist ein dritter im Gespräch. Bei der Sitzung ging es jedoch nicht nur um die Ansiedlung des Discounters und des Drogeriemarktes, sondern auch um die Alternative: ein Cap-Markt, der im alten Treff-Markt am Zinzendorfplatz eingerichtet werden könnte. Zahlreiche Bürger erschienen im Rathaus mit einem Aufkleber auf dem Oberkörper. Darauf gut sichtbar das Cap-Logo und darunter der Schriftzug: „Pro Aldinative“.

Einwohner kommen zu Wort
Um 18.30 Uhr eröffnete Bürgermeister Fritz Link die Sitzung. Mittlerweile waren so viele Königsfelder im Saal, dass sie auch auf Tischen saßen und entlang der Wände des Sitzungssaales standen. Begonnen wurde mit Fragen und Anregungen von Einwohnern. Eine Stunde lang meldeten sich die Bürger zu Wort. 19 Anliegen wurden aus den Zuschauerreihen vorgetragen. Die Mehrheit davon sprach sich gegen eine Ansiedlung von Aldi und Rossmann aus.
Einzelhandel und Ortsmitte
Als Grund wurde häufig der Einzelhandel thematisiert. „Wenn wir uns so viel Mühe geben, müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen“, sagte Stephanie Richter, Inhaberin der Buchhandlung Hornscheidt in der Friedrichstraße. Als eine passende Rahmenbedingung empfinde sie einen Discounter nicht. „Die Stadt wird darunter leiden“, so Richter. Der Trend in Kommunen gehe hin zum „Wohlfühl-Einkaufen“, trug Richter vor, und nicht zu Discountern. Außerdem frage sie sich, ob der Cap-Markt wirklich eine Option sei, oder ob es nicht etwa schon feststehe, dass Aldi und Rossmann nach Königsfeld kommen. Ein Kritiker zweifelte an, dass Aldi-Besucher nach ihrem Einkauf tatsächlich in die Ortsmitte gehen. Er sage das Gegenteil voraus, nämlich einen „toten Innenort“. Dem schloss sich eine weitere Besucherin an, die mit der Ansiedlung der Märkte keinen „Zugewinn für den Innenort“ sah.
Senioren im Blick haben
Ein Punkt, der den Zuhörern auf dem Herzen lag, waren die älteren Menschen in der Gemeinde. Marianne Michelmann vom Seniorenbeirat war der Ansicht, dass es „unbedingt eine Einkaufsmöglichkeit in der Ortsmitte“ geben müsse. Schon der Weg zu Edeka sei für die Senioren zu weit, der Zinzendorfplatz würde durch eine Einkaufsmöglichkeit dazu gewinnen, so Michelmann. Ein „fußläufiges Einkaufen“ sei wichtig, fügte eine Besucherin hinzu.
Bürger mit einbeziehen
Mehrere Bürger plädierten dafür, dass sich die Gemeinde mit der Entscheidung Zeit lassen solle. Eine Bürgerin bat darum, dass „die Entscheidung nicht zu schnell über die Bühne geht“. Sie schlug eine Bürgerbefragung vor. Ein Bewohner aus Burgberg kritisierte, dass der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werde: „Ich vermisse die Bürgerbeteiligung“, sagte er. Er habe den Eindruck, dass etwas erzwungen werde. Man solle sich mindestens ein halbes Jahr Zeit lassen, um die Bevölkerung zu fragen. „Dinge werden im Schnellschuss gemacht“, sagte er. Axel Maier, ein Anwohner der Jahnstraße, riet dazu, keine Empfehlung auszusprechen und die Entscheidung zu vertagen. In der Zeit sollten die Bürger beteiligt werden.
Weitere Bedenken
„Als Ärztin will ich etwas über Lärm und Gesundheit sagen“, äußerte sich eine Frau. Anlieferungen der Märkte würden früh morgens beginnen und Anwohner in der Nachtruhe gestört werden. Erhöhter Blutdruck und Folgekrankheiten würden dadurch gefördert werden. Ein Fischbacher, der sich in Königsfeld ein Haus gekauft hat, vermisste die „Verantwortlichkeit gegenüber den Gründungsvätern der Gemeinde“. Das Motto „Geiz ist geil“ sei für ihn keine christliche Tugend.
Argumente der Befürworter
Ein Bürger zeigte sich „interessiert, dass sich Aldi und Rossmann ansiedeln“. Er sehe die Notwendigkeit. Die Gebäudekomplexe allerdings den Anwohnern der Jahnstraße „aufs Auge zu drücken“, empfinde er als „nicht so nobel“. Er fragte, ob der erste Standort noch einmal aufgegriffen werden könne. Eine Einwohnerin glaubte, dass es viele praktisch fänden, einen Aldi vor Ort zu haben. Eine junge Frau war der Meinung, dass ein Aldi „jungen Familien, Rentnern und Asylbewerbern“ helfen würde.
Angriffe gegen Bürgermeister Link
Vereinzelt wurden persönliche Angriffe gegen den Bürgermeister laut. In den vergangenen Monaten seien „außer den Ortsschildern keine großen Erfolge für den Bürgermeister“ zu verzeichnen gewesen, so ein Bürger. Er führte auch die Schließung der Balint-Klinik an. Dass die Ansiedlung der Märkte „ein Prestigeprojekt“ für Link sei, warf ein weiterer Bürger dem Bürgermeister vor. Eine Anschuldigung einer Bürgerin lautete, dass Link die „ökologische und nachhaltige Umweltpolitik“, wie sie auf der Internetseite der Gemeinde aufgeführt werde, selbst nicht vertrete.
Das sagt der Bürgermeister
Nachdem Fritz Link während der Fragerunde mit Satzanfängen wie: „Mit Blick auf die Uhr...“ oder „Wir sollten jetzt wirklich...“ immer wieder versucht hatte, zum nächsten Punkt zu kommen, war nun er an der Reihe, auf die Fragen und Anliegen der Bürger einzugehen.
Einzelhandel und Cap-Markt
„Die Qualität des Einzelhandels wissen wir als Gemeinde zu schätzen“, so Link. Sein Bestreben sei es, den Einzelhandel-Standort auch langfristig zu sichern. Dass ältere Menschen sich in der Ortsmitte eine Einkaufsmöglichkeit wünschen, sei verständlich. Link nannte einen Cap-Markt am altem Treff-Standort „begrüßenswert“, machte jedoch deutlich, dass Cap „nicht in der Lage“ sei, „ein Konzept zu erstellen“. Es sei ausreichend Zeit dafür gewesen, so Link. „Es gibt null Überlegungen dazu.“ Außerdem sei ein Cap-Markt nur durch Edeka zu bewirken, da Edeka „noch 19 Jahre das Sagen“ über das Haus Just am Zinzendorfplatz habe. Die Gemeinde habe darüber „keine Verfügungsgewalt“, betonte er. Außerdem bezweifle er, dass Edeka sich selbst eine Konkurrenz schaffen würde. Sollte sich der Gemeinderat dafür entscheiden, die Pläne zu verfolgen, würde der Cap-Markt kein Konzept erstellen, stellte Link klar. Wie lange Aldi und Rossmann noch warten würden, könne er nicht sagen.
Kaufkraft fließt ab
7,1 Millionen Euro an Kaufkraft würden jährlich in das Umland abfließen, so Link weiter. Würden nur 50 Prozent der Strecken nach Villingen, Schramberg oder St. Georgen unterlassen werden, würde dies eine Einsparung an Fahrstrecke von 2,7 Millionen Kilometer bedeuten, so Link. Dabei waren immer wieder Zwischenrufe aus den Zuschauerreihen zu hören, die Link mit: „Lassen Sie uns doch auch die Dinge darstellen“ quittierte.
Bürger einbinden
Zum Thema Bürgerbeteiligung verwies Link darauf, dass es bereits 2004 und 2011 Bürgerwerkstätten zum Einzelhandel gegeben habe. Außerdem beschäftige sich die Gemeinde seit über einem Jahr mit der Thematik: „Dies zum Thema Zeit und überstürzt. Das waren alles öffentliche Sitzungen.“
Optionen für die Ansiedlung
Vier Varianten zur Ansiedlung von Aldi und Rossmann waren den Sitzungsunterlagen angefügt. Sollte die Entscheidung dafür fallen, die Pläne zu verfolgen, sollte sich das Gremium gleichzeitig für eine bevorzugte Variante entscheiden. Die Varianten unterscheiden sich vor allem in folgenden Punkten: Dem Grünstreifen zur Jahnstraße hin, der entweder 2,5 Meter (Variante 3.1) oder fünf Meter (Variante 3.2) beträgt, und im Abstand der beiden Märkte zueinander. Sind die Baukörper in Variante 3.1 und 3.2 direkt aneinander gebaut, ist bei den anderen beiden Varianten ein Abstand eingeplant, der entweder etwas kleiner (Variante 3.3) oder größer und mit Platz für weitere Parkplätze (Variante 3.4) ausfällt.
Das sagen die Räte
- Thomas Fiehn zeigte sich betroffen über die „aufgeheizte Situation“. Unverständlich finde er, dass viele von denen, die sich zu Wort gemeldet hatten, schon gegangen seien. „Es wäre toll, wenn wir als Gemeinderäte nicht angefeindet werden“, sagte er und bat um eine sachliche Diskussion und darum, sich zuzuhören. Was Edeka betreffe, handle es sich möglicherweise um eine Strategie. „Eigentlich werden wir erpresst“, so Fiehn. Vielleicht sei es nur eine Taktik, bis Aldi und Rossmann abspringen. „Wenn Edeka dann auch abspringt, haben wir gar nichts.“ Er fragte: „Was schadet uns Aldi?“ Die Kaufkraft aus dem Ort würde der Discounter seiner Meinung nach nicht abziehen: „Wir lassen uns von Edeka in die Zange nehmen.“
- Beate Meier kann die Anwohner der Jahnstraße verstehen. Sie gab außerdem zu bedenken, dass sich Edeka und Aldi gegenseitig „die Kunden wegnehmen“ könnten. „Königsfeld hat ein besonderes Flair“, so die Rätin. Discounter am Ortseingang hätten dies weniger. Sie würde sich freuen, wenn Königsfeld den Mut dazu habe, „anders zu sein“. Meier kritisierte, dass ihr alles zu schnell gehe. Die Auswirkung der Entscheidung werde „über Jahrzehnte“ spürbar sein. Sie schlug vor, die Entscheidung zu vertagen, bis der Cap-Markt sein Konzept der Gemeinde vorgestellt habe.
- Jan-Jürgen Kachler bat um „eine konstruktive Diskussion“. Eine Diskussion, wie sie um den Zinzendorfplatz geführt wurde, möchte er nicht noch einmal erleben, sagte er. Diese sei teilweise auf „unterirdischem Niveau“ geführt worden. „Wir wollen alle für Königsfeld etwas Gutes.“ Die Variante 3.4, bei der die beiden Märkte mit einem verhältnismäßig großen Abstand zueinander stehen, hielt Kachler für „eine gute Lösung“, da alles „entzerrter“ sei. „Wir tun alles dafür, dass der Lärm reduziert wird“, gab Kachler an. Er selbst gehöre nicht zu den Aldi-Einkäufern und sehe den Discounter kritisch, trotzdem glaube er daran, dass die Kunden das Angebot des Einzelhandels an der Friedrichstraße nutzen würden. Er befürworte den Cap-Markt, glaube allerdings nicht, dass er kommen wird: „Ich glaube Edeka nicht jedes Wort.“
- Stefan Giesel gaben die Äußerungen zum Faktor Zeit zu denken. Auch er fragte sich, warum man die Entscheidung nicht verschieben könne. Er ärgerte sich außerdem darüber, dass einige der Kritiker schon gegangen waren: „Wenn man Argumente einbringt, sollte man auch das Ende abwarten. Das ist nicht fair.“
- Franziska Hornscheidt forderte eine „nette Diskussion“. Sie merke, dass Wellen der Emotionen hochkochen, man solle trotzdem versuchen, sachlich zu bleiben. Sie selbst sei ein „Aldi-Gegner“. Dass die Hälfte der Kunden danach im Ort einkaufe, davon sei sie nicht überzeugt. Für sie sei die Frage wichtig: „Was vermarkten wir nach außen?“ Ein Aldi sei ihr dabei „ein Dorn im Auge“.
- Marielle Dannert fand, dass der Rat „das nicht überstürzt entscheiden“ sollte. Sie befürworte ein Stimmungsbild in der Bevölkerung: „Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn wegen einer überstürzten Entscheidung der Kernort ausstirbt.“ Sie plädierte dafür, dass der Cap-Markt sich vorstellen dürfe.
Entscheidung
Nachdem der Antrag auf Vertagung von Beate Meier mit drei Gegenstimmen abgelehnt wurde, folgte die Entscheidung: Vier Stimmen für die Ansiedlung der Märkte und drei dagegen. Die Varianten 3.2 (breiterer Grünstreifen) und 3.4 (größerer Abstand zwischen den Märkten) werden als Empfehlung an den Gemeinderat weitergegeben.