Überall Karneval mit Konfettiregen und die schönen, alten Masken nur noch schnödes Beiwerk? Das wäre heute ohne die Narrozunft Villingen vielleicht Realität. Sie bewies vor 100 Jahren Weitblick.

Auf ihre Initiative wurde die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) mit 13 Zünften und Vereinen gegründet. Zu den Jubiläumsfeierlichkeiten kommt die VSAN am 5. und 7. Januar mit zwei kleineren Veranstaltungen in die Zähringerstadt.

Narrozunft mit Weitblick

„Es gab die Fastnacht zwar Anfang der 1920er Jahren noch, aber sie war karnevalisiert“, blickt VSAN-Präsident Roland Wehrle 100 Jahre zurück. Außerdem stand die fünfte Jahreszeit unter Druck, schwierige politische Verhältnisse und die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg machten ihr zu schaffen. Nicht allen war nach Narretei zumute, die Politik dachte sogar an Fastnachtsverbot.

„Es gab die Fastnacht zwar Anfang der 1920er Jahren noch, aber sie war karnevalisiert.“
Roland Wehrle, VSAN-Präsident

Den Verlust des heimischen Brauchtums wollten die Narrozunft und zwölf weitere Fastnachtsvereine nicht hinnehmen. Daher wurde die VSAN im Stiftskeller, dem damaligen Stammlokal der Narros in der Gerberstraße, aus der Taufe gehoben. Die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte sei damit laut Wehrle eine der ältesten Narrenvereinigungen im deutschsprachigen Raum. Daran erinnert das Anbringen einer Gedenktafel am Sonntag, 7. Januar, um 14 Uhr.

Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), hier ein Bild vom Januar 2022, ist es wichtig, ...
Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), hier ein Bild vom Januar 2022, ist es wichtig, dass zumindest ein Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten in der Gründerstadt Villingen stattfindet. | Bild: Felix Kästle/dpa

„Es ist eine Hommage an die Gründerstadt Villingen“, betont Wehrle, obwohl die Narrozunft bereits 1955 die VSAN verließ und sich seitdem standhaft weigert zurückzukehren. Zunächst treffen sich die Festgäste und Delegationen der Gründerzünfte in der Zehntscheuer, dem Domizil der Narros, zu einem Umtrunk.

Aufzug in die Gerberstraße

Dann kommt es zu einem Aufzug durch Villingen in die Gerberstraße. Dabei handelt es sich nicht um einen Fastnachtsumzug. Es werde ein knallbunter Haufen sein, sagt Wehrle. Amtstrachten, also beispielsweise die Uniformen der Narrenräte sind natürlich erwünscht, möglicherweise werde auch die eine oder andere Scheme der Gründerzünfte zu sehen sein. Mit dabei sei auf jeden Fall die Stadt- und Bürgerwehrmusik Villingen.

Als Festredner würdigen neben Wehrle Justizministerin Marion Gentges, Narrozunftmeister Anselm Säger und Oberbürgermeister Jürgen Roth die Gründung der VSAN vor 100 Jahren.

Im früheren Stiftskeller an der Gerberstraße, dem damaligen Stammlokal der Narrozunft, wird die VSAN 1924 gegründet.
Im früheren Stiftskeller an der Gerberstraße, dem damaligen Stammlokal der Narrozunft, wird die VSAN 1924 gegründet. | Bild: Hauser, Gerhard

Gottesdienst für alle

Schon zwei Tage zuvor am Freitag, 5. Januar, ab 18 Uhr kommt es im Villinger Münster mit Erzbischof Stephan Burger zu einem Gottesdienst, mit dem unter anderem an die verstorbenen Närrinen und Narren gedacht wird. Es sei keine Narrenmesse, betont Wehrle. Das sei auch gar nicht möglich, weil die schwäbisch-alemannische Fastnacht erst mit dem Abstauben am 6. Januar beginne.

Fahnenweihe durch Erzbischof

Der Gottesdienst stehe auch ganz ausdrücklich für alle Gläubige und Interessierte offen. Vertreter der Narrenvereine kämen in ihren Amtstrachten, die der Musikvereine in den Uniformen. Im Gottesdienst wird auch die neue Fahne der VSAN gesegnet, bisher habe man noch keine besessen, betont Wehrle.

Das war es dann mit den Jubiläumsveranstaltungen in Villingen, das Zentrum der Feierlichkeiten liegt eindeutig im Oberschwäbischen mit dem Festakt am 13. Januar in Bad Saulgau und dem großen Narrentreffen zwischen dem 19. und 21. Januar in Weingarten.

Die Narros gehören zwar zu den Gründungsmitglieder der VSAN, 1955 verlassen sie aber die Vereinigung.
Die Narros gehören zwar zu den Gründungsmitglieder der VSAN, 1955 verlassen sie aber die Vereinigung. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Schwerpunkt im Oberschwäbischen

„Ich hätte es mir durchaus auch vorstellen können, das Narrentreffen in Villingen zu veranstalten“, sagt Wehrle. Allerdings sei es bei den Vorüberlegungen geblieben. Er freue sich allerdings, dass eine große Abordnung der Narrozunft mit der Stadt und Bürgerwehrmusik nach Bad Saulgau kommen wird. Dort starten die Festlichkeiten mit der Serenade um 17 Uhr, dann kommt es zum Hexensetzen, zum Feuerwerk im Stadion und zum Festakt im Stadtforum.

Eine Woche später sehen sich die Narren beim Narrentreffen in Weingarten, dem eigentlichen Höhepunkt des Jubiläumsjahrs. 68 Narren- und sieben Partnerzünfte reisen mit ihren auf 150 Personen begrenzten Abordnungen zu dem Narrenspektakel. So werden am Sonntag allein 10.000 Hästräger und 25.000 Besucher erwartet.

Aus der Region werden beispielsweise die Narrenzünfte aus Hüfingen, Bräunlingen, Donaueschingen, Schwenningen, Geisingen, Immendingen, Bad Dürrheim, und Schramberg erwartet.

Hier hätte die VSAN gern Sonderzüge eingesetzt, zu früheren Narrentreffen konnten bis zu drei Sonderzüge gefüllt werden. Doch trotz Anfragen einzelner Landschaftsvertreter sei es mit der Bahn zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen, berichtet Wehrle.

Wanderausstellung mit Narro-Scheme

Zudem bringt die VSAN eine Wanderausstellung auf Reisen. Unter dem Titel „Kulturerbe im Wandel“ wird in Weingarten, Singen, Offenburg und Rottenburg mehrere Wochen die Entwicklung der Fastnacht aufgezeigt, mit dabei unter anderem eine der wertvollen, alten Narroschemen aus der Villinger Manfred Merz-Sammlung.

Das könnte Sie auch interessieren