Wenn ein Kind stirbt, bricht für die Eltern immer eine Welt zusammen. Die Freude auf den Nachwuchs, das fertig eingerichtete Kinderzimmer, die geschmiedeten Pläne – all das bricht weg und hinterlässt eine schmerzhafte Leere. Für die trauernden Eltern ist es extrem wichtig, diese Leere mit positiven Erinnerungen zu füllen. Dieser anspruchsvollen Aufgabe hat sich Carmen Brockhammer verschrieben.
Die 39-Jährige ist im Hauptberuf Krankenschwester. Nebenbei arbeitet die zweifache Mutter ehrenamtlich als Fotografin. Ihr Hauptmotiv sind sogenannte Sternenkinder, also Kinder, die vor, während oder bald nach der Geburt sterben. Der Begriff soll abbilden, dass die Kinder bereits im Himmel sind, bevor sie das Licht der Welt erblickt haben. An einem trüben Januarnachmittag steht Brockhammer in ihrem Fotostudio in Dunningen und erzählt von ihrer Tätigkeit, die ein Höchstmaß an Sensibilität und Einfühlungsvermögen verlangt.
Seit mittlerweile fünf Jahren geht Carmen Brockhammer ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Auf die Idee kam sie, als sie in den sozialen Netzwerken auf die Organisation "Dein Sternenkind" stößt. Die Plattform bietet trauernden Eltern an, professionelle Fotos ihrer verstorbenen Kinder anfertigen zu lassen. Diese sollen, wenn der Trauerprozess fortgeschritten ist, als bleibende positive Erinnerung an den verloren gegangenen Menschen dienen. Die insgesamt rund 600 Fotografen, von denen laut "Dein Sternenkind" einige selbst einen solchen Verlust verkraften mussten, arbeiten ohne Honorar.
Wie läuft ein Fotoshooting mit einem verstorbenen Kind ab?
Stirbt ein Kleinkind in der Klinik, bekommt Carmen Brockhammer eine Benachrichtigung, dass die Eltern sich Fotos ihres Kindes wünschen. Dann muss sie zügig reagieren. Lange Vorlaufzeiten sind in diesen Fällen nicht möglich. Die Fotos entstehen in einem eigens dafür hergerichteten Raum. In der Regel ist sie in der Helios-Klinik in Rottweil oder im Schwarzwald-Baar Klinikum in VS im Einsatz.

"Wenn ich die Kinder fotografiere, versuche ich, möglichst viele Details wie Mund, Füße oder die Finger aufzunehmen", erklärt die 39-Jährige. Meist spricht sie davor mit den Eltern und den Hebammen, um einen Eindruck der Situation zu bekommen. "Die Eltern sind nach so einem Schicksalsschlag in einem Schockzustand und wissen gar nicht, mit der Situation umzugehen. Sie haben neun Monate auf das Kind gewartet und plötzlich bleiben nur wenige Augenblicke mit ihm", erklärt Brockhammer.
Unbeschreiblich traurige Atmosphäre
"Die Atmosphäre ist immer unbeschreiblich traurig und dennoch voller Liebe, die die Eltern für ihr Kind empfinden", erzählt sie. Während dem Fotoshooting muss Carmen Brockhammer sich beeilen. Sie möchte, dass die Eltern ihr Kind in der kurzen gemeinsamen Zeit nicht unnötig lange aus ihrer Obhut geben müssen. "Während des Fotografierens spreche ich auch mit dem Kind. Der Umgang mit einem leblosen Kind macht mir an sich nichts aus", erklärt die Krankenschwester. Ich bin in meinem Leben schon viel mit dem Tod in Berührung gekommen."

Dennoch ist ihre Mission alles andere als einfach. Die Fälle gehen ihr nahe, oft muss Carmen Brockhammer danach lange nachdenken und gelegentlich auch weinen. "Wenn man noch so einer Situation nicht traurig wäre, wäre das unmenschlich. Aber ich nehme auch nicht alle Aufträge an, weil ich mich auch selbst schützen will", erklärt sie. Dennoch weiß sie, dass sie das richtige tut und den Eltern damit einen großen Dienst erweist. Dieses Wissen ist ihr Antrieb und gibt ihr neue Kraft. "Ich will den trauernden Eltern vor allem eine positive Erinnerung mit auf ihren Weg geben. Eine Erinnerung, die zeigt, dass dieses Kind da war", sagt sie.
Dass verstorbene Babys fotografiert werden, empfindet Carmen Brockhammer als großen Fortschritt in der Trauerarbeit. "Früher war der Tod eines Kindes ein Tabuthema", erklärt sie. Oft hat sie in ihrer Tätigkeit als Krankenschwester auch schon erlebt, wie traumatisiert manche Leute sind und für lange Zeit auch bleiben, wenn sie ihr Kind nach dessen Tod überhaupt nicht gesehen haben. So haben die Eltern eine Erinnerung, die nicht verblassen kann.
Sternenkinder
Insgesamt sind im Jahr 2016 laut Statistischem Landesamt 368 Kinder innerhalb ihres ersten Lebensjahres verstorben. Das ist ein leichter Angestieg im Vergleich zu 2015, als 293 Kinder starben. Grundsätzlich stagnieren die Zahlen in den letzten 15 Jahren auf niedrigem Niveau. Zum Vergleich: 1970 gab es 2704 Sterbefälle, 1950 sogar 5458 Kinder, die den ersten Geburtstag nicht erlebt haben. (lsp)