Sabine Naiemi

Schwarzwald-Baar – Eine Frau sitzt im Bus, erschrickt und greift nach ihrem Mobiltelefon: Sie hat vergessen, die Kaffeemaschine auszuschalten. Nachdem die Maschine über die Vernetzung per Handy ausgeschaltet ist, lächelt sie erleichtert. Eine andere Szene könnte zeigen, wie jemand auf dem Weg nach Hause die Heizung aktiviert. Das sind nicht nur Geschichten, wie sie aktuell gern in der Werbung gezeigt werden. Das ist Realität. Die Rede ist von der fortschreitenden Digitalisierung, von Innovationen, die sich rasend schnell im täglichen Leben ausbreiten. All das stellt die Ausbildung an Schulen vor neue Herausforderungen. So auch die Gewerbliche Schule Villingen-Schwenningen, die als erste von 16 Schulen des Landes im vergangenen Jahr mit einer Lernfabrik 4.0 ausgestattet wurde. Welche Änderungen und Perspektiven sich durch neue Digitalisierungstechnologien aktuell in der Praxis an der Schule in den einzelnen Sparten entwickeln, stellte ein Informationsabend des Innovationsnetzwerkes Schwarzwald-Baar-Heuberg mit rund 100 Teilnehmern dar.

  • Smart home: Mit dem Handy lassen sich von unterwegs die gesamten Vorgänge im Haus steuern und überwachen. Man bekommt eine Nachricht, wenn jemand vor der Tür steht, etwas nicht funktioniert, kann die Heizung oder elektrische Geräte ein- oder ausschalten. „Die Aspekte liegen auf Energieeinsparung und Sicherheit“, erklärte Jürgen Kraft von der Gewerbeschule. Solche Technologien könnten Senioren länger ein unabhängiges Leben zu Hause ermöglichen. „Das ist keine Spielerei“, ergänzte Gerold Schwer. Im realen Leben kann das zum Beispiel bei der Überwachung von Heizungsanlagen bedeuten, dass der Installateur automatisch von einer Störung Nachricht erhält und schon vor der Tür steht, wenn der Betroffene den Ausfall noch nicht einmal bemerkt hat. Anlagenmechaniker, Elektro- und Sanitärinstallateure verlegen also schon jetzt nicht mehr einfach nur Rohre.
  • Energiewende-Box: „Wie sehen wir die Welt in 30 Jahren?“, so der Auszubildende Philipp Merz über die Grundlage des Schülerprojektes der Schule. Nicht benötigte Energie soll in einer Cloud gespeichert werden und kann mit einer intelligenten IOT-Steuerung (IOT bedeutet Internet on Things) von überall her dorthin abgerufen werden, wo sie benötigt wird. Das Projekt entwickelt diese Energiewende-Box und die IOT-Steuerung.
  • Haarschnitt 4.0: „Auch der Friseur wird digital“, erklärte Doris Manger. Man muss nicht mehr anrufen, sondern kann sich online zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Termin buchen. Der Kunde erhält eine Bestätigung und eventuell sogar eine Terminerinnerung auf sein Handy. Mit Tablets können digital Frisuren und Haarfarben schon im Vorfeld ausprobiert und variiert werden. So erfahre der Kunde schon vorher, wie er hinterher aussehen wird. Er könne am Platz digital bezahlen. Administrative Tätigkeiten (Lager-, Kassen- und Mitarbeiterverwaltung) werden digital erledigt. Die Schule verfügt über 16 Tablets, die im Unterricht verwendet werden.
  • Baiboard: Statt einer alten grünen Tafel ermöglicht diese „kollaborative Whiteboard-App“, also quasi eine elektronische Tafel mit umfangreichen Teamworkfunktionen, den Lehrern im Lebensmittelbereich den Einsatz von Lern-Apps, bei denen die Schüler sofort Rückmeldung über ihre Antworten erhalten. „Besonders beliebt ist unter unseren Schülern das Millionenspiel“, erklärte Lena Zauner. Eine App, bei der mit vier Antwortmöglichkeiten auf Fragen das Wissen überprüft wird. Die Schüler würden sich ständig und mit größter Freude dieser Form des Lernens widmen, sie haben ihren Lernstoff quasi immer auf dem Handy dabei.
  • Fahrzeugtechnik: Besonders offensichtlich macht sich die Digitalisierung wohl im Automobil-Bereich bemerkbar. Park-Assistenten, Abstandswarner, automatische Bremsfunktionen, Müdigkeitswarner: All das ist schon lange nicht mehr Zukunftsmusik, sondern Realität. Die Zeiten, in denen der einigermaßen handwerklich begabte Autofahrer noch selbst einen Autoscheinwerfer oder eine Sicherung austauschen konnte, sind so gut wie vorbei. Selbst die Fachleute sind heutzutage bei hochtechnisierten Autos ohne Computertechnologie aufgeschmissen. Diese liefert über die Analyse dann auch gleich noch die entsprechenden Informationen zum benötigten Ersatzteil mit.
  • Zerspanungstechnik: Auch hier sind die Schlagwörter Learning Apps, Smart Machine und Smart Factory. Tablets ersetzen den Rechenschieber, die Apps liefern auch gleich Drehzahl und Hauptnutzungszeit im Fertigungsvorgang, Sensoren überwachen alles, die Maschine gibt über die digitale Vernetzung die entsprechenden Daten an den Infopoint, der Aufgabenbereich des Zerspanungstechnikers ändert sich in eine mehr überwachende Funktion, er wird zum Factory-Director, seine Laufwege reduzieren sich.
  • Fachbereich Informatiker: Sie sind gefragt, damit all dies überhaupt erst möglich wird, denn irgendjemand muss die Ideen für die entsprechenden Programme haben. Die Geräte werden immer leistungsfähiger und immer kleiner, eine Innovation jagt die nächste, doch: „Das Dilemma ist, dass die Geräte eine immer kürzere Lebenszeit aufweisen“, erklärt Schulabsolvent Marc Wagner, was hohe Kosten verursache. Mobile Gerätecenter als PC-Ersatz seien die Alternative. Das heißt, an Dockingstationen (Monitoren) könne man das Mobiltelefon anschließen und könnte so auch bequem von zu Hause aus arbeiten.
  • Kreismedienzentrum: Nicht zuletzt hat sich in der Kreismedienstelle die Arbeit genauso rasant verändert. Das Kreismedienzentrum berät, begleitet und unterstützt Schulen und Lehrkräfte bei der Medienentwicklungsplanung, bietet medienpädagogische Beratung und pädagogische Projektbegleitung, stellt die Ausstattung für Testszenarien zur Verfügung und schult in der Methodik neuer Medien. So durften denn die Teilnehmer im Anschluss auch gleich digital ihre Beurteilung darüber abgeben. „So eine Veranstaltung habe ich noch nicht erlebt“, lobte jedenfalls Ministerialrat Karsten Altenburg. Dass Villingen-Schwenningen als erste von 16 Schulen die Lernfabrik 4.0 bekommen habe, spreche für sich.

Was es bedeutet

Die Arbeitswelt ist im Umbruch und steht im Mittelpunkt eines sich fortwährend wandelnden Umfelds.

  • Digitalisierung: Gemeint ist der Ersatz manueller Arbeiten durch Computer und Softwareprogramme. Ein Beispiel: Die meisten Autos werden heute in der Werkstatt an Analysegeräte angeschlossen, Fehlerlisten werden ausgelesen und Lösungsvorschläge unterbreitet. Das Autohaus ist hierbei heute noch meist autonom, künftig werden die Server der Hersteller angeschlossen. Dies scheitert derzeit noch vielfach an den langsamen Datenleitungen.
  • Glasfasernetz: Das ist die Lösung für die langsamen Computerbindungen ins Internet. Im Schwarzwald-Baar-Kreis ermöglicht der Zweckverband Breitbandausbau den Anschluss eines jeden Hauses. Immobilienexperten sprechen von Wertverlusten für Wohngebäude von bis zu 20 Prozent, wenn künftig kein schnelles Internet in Gebäuden angeboten werden kann.
  • Industrie 4.0: Das meint die so genannte vierte industrielle Revolution. Nach Mechanisierung (1.0), Massenproduktion (2.0), Automatisierung (3.0) nun die smarte Produktion. Produkte steuern im Fertigungsprozess die Maschinen über kleine Chips auf den Rohlingen. Die Maschinen lesen die hier gespeicherte Kundenanforderung im Fertigungsprozess mit Sensoren aus. Optische Systeme steuern die Abläufe und Verpackung, Versand und digitale Fakturierung laufen vollautomatisch an.