Hans-Jürgen Götz

Das dürfte kaum noch jemand wissen – während des Zweiten Weltkrieges gab es in Hüfingen einen Militärflugplatz, auf dem junge Piloten mit 19 Jahren mit Kampfjägern vom Typ Me 109 starteten und von denen viele bis heute noch als vermisst gelten. Der Hüfinger Pilot Rolf Ebnet und sein Freund Werner Kilchling aus Hinterzarten beschäftigen sich seit Jahren mit der Entstehung dieses Platzes und dessen teilweise kurzer, aber wechselvoller Geschichte.

Bild 1: Viele abgeschossene Piloten sind noch heute vermisst. Der Verein Forschungsgruppe Luftfahrt sucht Zeitzeugen.
Bild: Südkurier

Zusammen haben die beiden vor über zehn Jahren einen Verein gegründet mit dem Namen „Forschungsgruppe Luftfahrt e. V.“ Seitdem sammeln und dokumentieren Sie alles, was sie rund um diesen ehemaligen Flugplatz des Jagdgeschwaders 76 finden können. Auch viele Zeitzeugen konnten sie im Laufe der Jahre noch befragen, nur werden das mit jedem Jahr leider immer weniger.

Die gesammelten Fundstücke sind derzeit sortiert und katalogisiert in einer Halle in Löffingen eingelagert. Dort will der Verein in naher Zukunft auch ein Museum eröffnen. „Das soll ein Museum gegen das Vergessen werden, damit so etwas nie wieder passiert“, erklärt Werner Kilchling. „Wir wollen die Geschehnisse des Luftkrieges über dem Schwarzwald dokumentieren“, so Ebnet. „Die Schicksale der jungen Flieger, die damals in Hüfingen und Donaueschingen zu ihrem Einsatz gestartet sind und oft tödlich abgeschossen wurden, berühren uns sehr, hinter jedem Absturz steht auch eine individuelle Lebensgeschichte.“

Rolf Ebnet (links) und Werner Kilchling vor den Fahrwerksteilen eines englischen Lancaster Bombers, der 1944 über dem Bodensee ...
Rolf Ebnet (links) und Werner Kilchling vor den Fahrwerksteilen eines englischen Lancaster Bombers, der 1944 über dem Bodensee abgeschossen wurde. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Der passionierte Rettungstaucher Kilchling sei bereits vor vielen Jahren bei einem Taucheinsatz im Titisee auf ein abgestürztes Jagdflugzeug aus dem zweiten Weltkrieg gestoßen, das bis dato als vermisst galt. Über diese frühen Entdeckungen seien sie weiter auf viele weitere Fakten aus dieser Zeit gestoßen. So gab es ja auch in Donaueschingen damals schon einen Flugplatz, der ebenfalls militärisch genutzt wurde. Ebenso befand sich Villingen auf dem heutigen Friedengrund ein Flugplatz. Dieser wurde seinerzeit aber auch parallel zivil für den damals geplanten Linienverkehr genutzt. Außerdem gab es überall in der Umgebung Segelfluggelände zur Ausbildung des Pilotennachwuchses, wie etwa in Unterbaldingen – die Ostbaarhalle ist die alte Fliegerhalle – und am Fürstenberg.

Rolf Ebnet (links) und Werner Kilchling in ihrem Archiv. Hier studieren sie gerade die handschriftlichen Aufzeichnungen eines ...
Rolf Ebnet (links) und Werner Kilchling in ihrem Archiv. Hier studieren sie gerade die handschriftlichen Aufzeichnungen eines Mechanikers, der auf dem Feldflugplatz in Hüfingen Messerschmitt Jagdflugzeuge gewartet hatte. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Bei ihren aufwendigen Recherchen haben Ebnet und Kilchling zusammen mit Vereinskollegen viele Absturzstellen im ganzen südlichen Schwarzwald und Elsass ausfindig gemacht und dort ausgegraben, was noch übrig war. Weit über 40 Schicksale hätten sie seitdem auf diese Weise dokumentieren können. Vieles ist noch lückenhaft, während sie in anderen Fällen zur bestätigten Aufklärung von Vermisstenmeldungen beitragen konnten.

Rolf Ebnet (links) und Werner Kilchling vor den Fahrwerksteilen eines englischen Lancaster Bombers, der 1944 über dem Bodensee ...
Rolf Ebnet (links) und Werner Kilchling vor den Fahrwerksteilen eines englischen Lancaster Bombers, der 1944 über dem Bodensee abgeschossen wurde. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Vom Zeppelin-Museum in Friedrichshafen haben sie die Überreste eines englischen Lancaster Bombers als Dauerleihgabe erhalten. Dieser wurde im Jahre 1944 von der deutschen Luftwaffe abgeschossen und erst 1993 aus dem Bodensee geborgen.

Der zerstörte Motor einer Me 109, die bei Langenordnach, in der Nähe vom Titisee geborgen werden konnte. Ihr Pilot, ein Villinger, ...
Der zerstörte Motor einer Me 109, die bei Langenordnach, in der Nähe vom Titisee geborgen werden konnte. Ihr Pilot, ein Villinger, startete in Hüfingen und wurde beim Luftkampf über dem Südschwarzwald von amerikanischen Jagdflugzeugen abgeschossen. Er konnte sich mit dem Fallschirm retten.

Während es zu Beginn des Krieges noch Flugzeuge und Besatzungen der Alliierten waren, die hier abgeschossen und abgestürzt waren, so waren es gegen Ende des Krieges dann eher deutsche Piloten, die über ihrer Heimat von den Alliierten abgeschossen wurden. So stürzte seinerzeit unter anderem auch eine englische Lancaster im Wald bei Wolterdingen ab.

Zum Ende hin seien es fast nur noch ganz junge deutsche Piloten gewesen, gerade mal 19 Jahre alt, mit erst wenigen Flugstunden Erfahrung auf einem Jagdflugzeug. Dort wo heute in Hüfingen die Menschen ihre Freizeit am Baggersee genießen, starteten damals viele dieser jungen Männer zum ersten Mal, um nie wieder zurückzukehren. Trotz aller Bemühungen, ihre möglichen Absturzstellen zu lokalisieren, fehlt von vielen bis heute jegliche Spur. Nur ganz wenige hätten diese Zeit überhaupt überlebt und können heute noch davon berichten, so die beiden Männer.

Der zerstörte Motor einer Me 109, die bei Langenordnach, in der Nähe vom Titisee geborgen werden konnte. Ihr Pilot, ein Villinger, ...
Der zerstörte Motor einer Me 109, die bei Langenordnach, in der Nähe vom Titisee geborgen werden konnte. Ihr Pilot, ein Villinger, startete in Hüfingen und wurde beim Luftkampf über dem Südschwarzwald von amerikanischen Jagdflugzeugen abgeschossen. Er konnte sich mit dem Fallschirm retten.

Es seien vor allem diese unbekannten Schicksale, deren Aufarbeitung, Dokumentation und Aufklärung dem Verein wichtig sind. Die Flugzeuge und ihre Überreste dienen nur der Dokumentation und haben rein gar nichts mit einer Verherrlichung dieser schrecklichen Zeiten zu tun.

Die Bergung einer Me 109 bei Langenordnach, in der Nähe vom Titisee. Der Pilot, ein Villinger, startete in Hüfingen wurde beim Luftkampf ...
Die Bergung einer Me 109 bei Langenordnach, in der Nähe vom Titisee. Der Pilot, ein Villinger, startete in Hüfingen wurde beim Luftkampf über dem Südschwarzwald von Amerikanischen Jagdflugzeugen abgeschossen. Er konnte sich mit dem Fallschirm retten.

Bei den aufwendigen Recherchen arbeiten die Vereinsmitglieder übrigens offiziell mit der „Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt)“ in Berlin zusammen.

Am wichtigsten sind jedoch Kontakte mit Überlebenden und deren Nachfahren. Über diese Interviews hätte man bisher am meisten Informationen zusammentragen können. Viele Nachkommen hätten auch noch Bilder, Dokumente, Tagebücher, Orden und andere Utensilien von Ihren Verstorbenen vererbt bekommen. Rolf Ebnet ist es wichtig, Kontakt zu solchen Menschen zu finden, um zu verhindern, dass auch noch eventuell allerletzte Informationen für immer in Vergessenheit geraten.

Neben dem Aufbau des Museums schreibt Ebnet gerade auch an einem Buch über diese Zeit. Gespickt mit vielen Fotografien und Berichten von Zeitzeugen, entsteht hier eine lückenlose Dokumentation über die fast vergessenen Flugplätze und die damaligen Geschehnisse im Schwarzwald-Baar-Kreis. „Die Recherchen sind jetzt fast abgeschlossen“, sagt Ebnet. Jedoch suche er noch immer nach Zeitzeugen, um so viele Informationen wie möglich in die Dokumentation einfließen lassen zu können.

So geschah es etwa, dass nach der Veröffentlichung seines ersten Buches über zwei Flugzeugabstürze und die Ermordung einiger Flieger, im Nachhinein noch einige Einwohner Details erzählten, die er gerne hätte in die Dokumentation einfließen lassen. Deshalb hofft er sehr, dass es noch weitere Zeitzeugen oder deren Nachfahren gibt, die ihm Unterlagen und Informationen zu Verfügung stellen könnten.

Er wisse beispielsweise, das gerade zwischen den damaligen Quartiergebern in der Gegend und den Fliegern oft in kürzester Zeit Freundschaften entstanden seien. Auch so manche Heirat sei daraus entstanden. All diese Dinge interessieren ihn sehr. Zum Beispiel habe ihn im Jahr 2016 der damalige Pilot Wolfgang Sommer besucht, der in Bräunlingen bei einer Familie einquartiert war. Leider hätten sie trotz intensiver Suche das Haus nicht mehr finden können, worüber der Pilot doch etwas unglücklich war.

So hofft Ebnet also, bald alle Informationen zusammen zu haben, um wie vorgesehen sein neues Buch, im nächsten Jahr fertig stellen zu können.