Auf höheren Ebenen der Politik wird über eine Aufarbeitung der Corona-Zeit und dem Umgang der Politik mit der Pandemie debattiert. Aber soll das auch lokal und vor Ort laufen – und gibt es überhaupt einen Bedarf daran?

Das fordert jetzt zumindest eine Gruppe von sogenannten Spaziergängern – also Vertretern einer Protestform, die sich in der Pandemie entwickelt hatte, weil öffentliche Versammlungen aufgrund von Ansteckungsgefahren zu gewissen Zeiten nicht erlaubt waren, aber Spaziergänge offiziell schon.

„Eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie kann nur auf Bundes- und Landesebene stattfinden“, sagt nun Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck zu dieses Ansinnen.

Beck reagiert damit auf Forderungen aus Kreisen der sogenannten Spaziergänger, eine Bürgerversammlung zur Aufarbeitung der Coronazeit in Tuttlingen einzuberufen.

Knapp 40 Männer und Frauen, die sich seit der Coronazeit immer montags zu den sogenannten Spaziergängen treffen, hatten sich schriftlich an Beck gewandt und gefordert, in einer öffentlichen Versammlung diese Zeit aufzuarbeiten.

Michael Beck, Oberbürgermeister Tuttlingen.
Michael Beck, Oberbürgermeister Tuttlingen. | Bild: Stadtverwaltung Tuttlingen

Von diesem konkreten Vorschlag hält Beck laut Mitteilung der Stadt wenig: „Ich wüsste nicht, was wir in Tuttlingen konkret aufarbeiten sollten“, so der OB in seinem Antwortschreiben, „sämtliche Allgemeinverfügungen oder anderen Vorschriften, die wir in dieser Zeit erlassen haben, waren unmittelbar aus dem Landesrecht abgeleitet. Die Entscheidungsspielräume, die wir als Kommune hier hatten, waren denkbar gering.“

In Rückschau vieles leichter zu beurteilen

Zwar räumt auch Beck ein, dass ihm seinerzeit viele Maßnahmen schwerfielen – zum Beispiel die Sperrung von Kinderspielplätzen. Auch Schul- oder Kindergartenschließungen erschienen im Nachhinein fragwürdig.

Allerdings sei es immer leicht, aus der Rückschau ein Urteil zu fällen: „Hinterher ist man immer schlauer.“

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Aus der damaligen Sicht, so Beck weiter, sei es in Anbetracht eines unübersehbaren Infektionsgeschehens und einem unerforschten Virus richtig gewesen, im Zweifelsfall eher zu vorsichtig als zu nachlässig zu handeln.

Beck weiter: „Dies sehe ich nach wie vor so, und ich beneide niemanden, der in dieser Zeit auf Bundes- oder Landesebene in politischer Verantwortung die entsprechenden Entscheidungen fällen musste.“

Aufarbeitung als offenen Dialog

Eine Aufarbeitung der Pandemie hält Beck dennoch für sinnvoll: Allerdings nicht – wie aus dem Querdenker-Milieu gefordert – als Abrechnung, an deren Ende dann Schuldige benannt und bestraft werden, sondern als offenen Dialog darüber, wie eine Gesellschaft künftig auf eine solche Herausforderung reagieren kann, und was man verbessern könnte.

Beck: „Die nächste Pandemie kommt bestimmt – alle biologischen und ökologischen Entwicklungen sprechen dafür.“ Eine solche Aufarbeitung müsse aber auf Landes- und Bundesebene geschehen.