Die Probleme beim Thema E-Mobilität liegen auf der Hand: zu wenige Ladesäulen in der Region, finanzielle Risiken für Unternehmer sowie Unsicherheiten bei der tatsächlichen Reichweite dieser Autos.

Die Mobilitätswende ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Unter anderem darum geht es im Gespräch zwischen Taxiunternehmer ...
Die Mobilitätswende ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Unter anderem darum geht es im Gespräch zwischen Taxiunternehmer Martin Bösinger, Grünen-Bundestagskandidat Thomas Bleile und SÜDKURIER-Redakteur Julian Singler am Villinger Bahnhof, wo eine E-Auto-Ladesäule zu finden ist. | Bild: Jundt, Matthias

In Summe führt das alles dazu, dass sich Martin Bösinger, Taxiunternehmer aus Villingen-Schwenningen, einen vollumfänglichen Umstieg auf elektrisch angetriebene Wagen nicht wirklich vorstellen kann. Im Rahmen der SÜDKURIER-Berichterstattung im Vorfeld der Bundestagswahl am Sonntag, 26. September, sagt er: „Aktuell habe ich ein Hybridfahrzeug und ansonsten Dieselfahrzeuge, die auf je durchschnittlich 100.000 Kilometer pro Jahr kommen, sprich nach drei oder maximal vier Jahren müssen sie aussortiert werden.“ Durch Corona variiere diese Kilometerangabe zwar etwas und es sei weniger Strecke geworden, doch im Schnitt komme diese Zahl so hin.

Serie zur Bundestagswahl

Was passieren müsste, damit Bösinger eben jenen unternehmerischen Schritt, welcher mit hohen finanziellen Investitionen verbunden ist, vollzieht? Im Video spricht er darüber, was ihn in dieser Sache bewegt:

Steigen Sie um? Video: Jundt, Matthias

Thomas Bleile, der für die Grünen im Wahlkreis Schwarzwald-Baar auf Stimmenfang geht, steht voll hinter dem Mobilitätsumstieg hin zum E-Auto. Da passt es ins Bild, dass er selbst ein Elektromodell fährt und damit auch zum Termin mit dem SÜDKURIER sowie Martin Bösinger kommt. Als Gewerkschafter liegt es Bleile nach eigenen Angaben am Herzen, eine zukunftsorientierte Wirtschaft im Einklang mit Umwelt- und Klimaverträglichkeit hinzubekommen.

Herausforderung für Unternehmen

Aber wie genau kann das funktionieren? „Wir haben sehr viele Automobilzulieferer in der Region, gerade aus der zweiten und dritten Reihe. Um Bosch und ZF mache ich mir beispielsweise keine Sorgen. Aber bei diesen, die denen zuliefern, da habe ich schon meine Sorgen“, verrät der Grünen-Kandidat und IG-Metaller. „Ich finde es wichtig, dass wir die Industrie bei der Klimawende mitnehmen und beteiligen, vor allem die Mittelständler. Die hatten durch Corona große Probleme, dass Aufträge ausgeblieben sind, dazu Kurzarbeit, und mussten an ihr Eigenkapital ran“, führt Thomas Bleile aus.

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Diesen herausfordernden Begleiterscheinungen stehe gegenüber, dass Unternehmen eigentlich jetzt in zukunftsfähige Produkte investieren müssten, aber es fehle schlichtweg am Geld. Seine Partei hat ihm zufolge einen Transformationsfonds für die Regionen im Sinn, „mithilfe dessen in Strukturregionen wie unsere investiert und bei der Innovation unterstützt“ werden solle. Gleichzeitig müsse man schauen, „dass die Beschäftigten mitgenommen werden, dass diese entsprechend qualifiziert werden“.

Unterhalten sich am Villinger Bahnhof über Mindestlohn und Mobilität: SÜDKURIER-Redakteur Julian Singler (links), ...
Unterhalten sich am Villinger Bahnhof über Mindestlohn und Mobilität: SÜDKURIER-Redakteur Julian Singler (links), Grünen-Bundestagskandidat Thomas Bleile (Mitte) und Taxiunternehmer Martin Bösinger. | Bild: Jundt, Matthias

Die Pandemie habe den notwendigen Wandlungsprozess kurz gebremst, „aber es war nie ganz still“. Zu Beginn der Corona-Krise sei man sehr unsicher gewesen, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird. Bleile verweist auf Parallelen zu 2008/09, als man gemerkt habe, es geht stark bergab, dann wieder fast senkrecht nach oben. „Gerade, was die Metall- und Elektroindustrie angeht, geht es bei vielen wieder gut bergauf momentan. Aber dieser Punkt täuscht etwas darüber hinweg, was im Hintergrund weiterläuft, nämlich diese Transformation, die wir voranbringen müssen“, erklärt Bleile.

Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen

Direkt mit dieser Transformation verbunden sind andere Themen wie etwa der Mindestlohn. Hier vertreten Thomas Bleile beziehungsweise die Grünen den Standpunkt, diesen auf 12 Euro hochzusetzen. Nun arbeitet Martin Bösinger in einer Branche, in welcher man als Taxifahrer auch nicht so viel verdient, dass man damit reich wird. „Im Dienstleistungssektor diesen Spagat hinzubekommen, ist schon eine grenzwertige Sache“, meint er. Bösinger sagt, er sei „absolut dagegen, dass die Beschäftigten ausgebeutet werden, wie es vor dem Mindestlohn der Fall war – speziell in unserem Gewerbe, als Leute für fünf oder sechs Euro Stundenlohn arbeiteten“. Auch in anderen Wirtschaftszweigen wie dem Friseurhandwerk habe dasselbe Problem der bisweilen dürftigen Bezahlung bestanden.

E-Mobilität in der Wirtschaft Video: Jundt, Matthias

„Irgendwo muss man anfangen mit den zwölf Euro. Es ist immer noch so: Stunden bringen nach wie vor das Geld, mit dem Arbeitszeitschutzgesetz bewegt man sich immer ein Stück weit in einer Grauzone“, berichtet Martin Bösinger. Grünen-Kandidat Bleile pflichtet dem Taxiunternehmer bei und verweist auf Betriebe, bei denen nicht zuletzt durch Schichtarbeit eine bessere Regelung möglich sei. „Als ich vor knapp 35 Jahren mit Taxifahren angefangen habe, war das noch provisionsabhängig und lief mit Umsatzbeteiligung“, entgegnet Bösinger. Zähes Brot, eher unattraktiv: Das sind die Vokabeln, die er dann noch anfügt.

Auslastung dank regelmäßiger Fahrten

Sein Unternehmen betreibt Martin Bösinger laut eigener Aussage im 25. Jahr. Im Lauf dieser Zeit hätten sich die Strukturen stark verändert: „Krankentransporte als Teil regelmäßiger, zuverlässiger Aufträge sorgen für eine gewisse Auslastung.“ Eine nahezu komplette Abhängigkeit von Spontanfahrten am Wochenende bestünde demnach also nicht mehr, aber: Vor allem zu Beginn der Corona-Zeit sorgten Lockdowns sowie abgesagte Feste für ausgebliebene Kundschaft. „Am Anfang war es extrem, im März und April 2020 herrschte totaler Stillstand“, verdeutlicht Bösinger. Danach habe man mit Krankentransporten für Krebs- und Dialysepatienten wenigstens wieder eine gewisse Auslastung gehabt.

Ladesäulen-Versorgung Video: Jundt, Matthias

Es fehlt wochenends an Minijobbern

Von den 50 im Betrieb Beschäftigten sind ihm zufolge 30 sozialversicherungspflichtig, also in Vollzeit tätig; dazu kommen 15 bis 20 Minijobber in Teilzeit. Bösinger habe keinen Vollzeitmitarbeiter entlassen müssen, dennoch habe das Taxiunternehmen die fehlenden Wochenendfahrten extrem gespürt. Nachts würden hauptsächlich Minijobber diesen Umsatz generieren, als Folge der Krise hätten sie sich anderweitig orientiert. Und jetzt fehlt wochenends teilweise Personal, so Bösinger.

Treffen sich im Rahmen eines politischen Blind Dates, um am Villinger Bahnhof über die anstehende Bundestagswahl zu sprechen: Kandidat ...
Treffen sich im Rahmen eines politischen Blind Dates, um am Villinger Bahnhof über die anstehende Bundestagswahl zu sprechen: Kandidat Thomas Bleile (rechts, Grüne) und sein Überraschungsgast, der Taxiunternehmer Martin Bösinger aus Villingen-Schwenningen. | Bild: Jundt, Matthias

Beim Thema Mindestlohn schafft Martin Bösinger es sogar, den Grünen-Kandidaten zum Nachdenken anzuregen. Denn der Taxiunternehmer fände es für alle Beteiligten gut, wenn die Verdienstgrenze von 450 Euro bei Minijobbern etwas angehoben würde, analog mit einem steigenden Mindestlohn. „Die Lohnnebenkosten sind bei uns extrem hoch, auch im Vergleich zur Schweiz“, sagt Bösinger.

Thomas Bleile geht auf seine Aussage ein: „Wir wollen untere Einkommen weiter entlasten durch einen höheren Steuerfreibetrag, sodass Einkommen zwischen 10.000 bis 30.000 Euro pro Jahr mehr davon haben.“ Andere Parteien würden dagegen hohe Einkommen entlasten, erlaubt sich der Grüne einen kleinen Seitenhieb. Als Sorge äußert Bleile, dass eine höhere Bezahlung für Minijobs Festarbeitsplätze auf Dauer ersetzen könnte. Trotzdem wolle er den Vorschlag Bösingers mitnehmen: „Das ist ein guter Punkt, den ich bisher noch nicht bedacht habe.“