Wer an Hochbegabung denkt, denkt an Albert Einstein, an Genies, an Überflieger. An Menschen, denen der Erfolg zuzufallen scheint. Dass Hochbegabung auch zum Problem werden kann, das weiß Juliane Schartel aus eigener Erfahrung. Drei Kinder hat die 39-Jährige. Gleich zwei davon sind hochbegabt – ihre Töchter, zwölf und 14 Jahre alt.

Hochbegabung ist für Schartel alles andere als ein Luxus-Problem. Ganz im Gegenteil: Viele hochbegabte Kinder, sagt sie, hätten es in der Schule schwer. Die einen würden sich ausgeschlossen fühlen, sich nicht trauen, ihr Potenzial auszuschöpfen, aus Angst davor, von Klassenkameraden gehänselt zu werden.

Andere seien die Quatschmacher der Klasse, nicht selten weigerten sie sich, Klassenarbeiten zu schreiben oder würden diese nur halb ausgefüllt zurückgeben. Die Folge: Ermahnungen, schlechte Noten. Dabei sei das Kind schlichtweg unterfordert.

Juliane Schartel
Juliane Schartel | Bild: Hanna Mayer

Schartel, selbst Konrektorin an der Rupertsbergschule in St. Georgen, habe die Hochbegabung ihrer beider Töchter „die Augen geöffnet“. Taten ihr früher die Kinder leid, „denen das Lernen nicht leichtfiel“, so weiß sie heute: „Auch die unterforderten Kinder leiden.“

Die Schule könne das Spektrum von lernschwachen bis hochbegabten Kindern nicht allein abdecken: „Aus Klassenlehrersicht weiß ich: Man schaut dahin, wo es am meisten brennt.“

Wohin also mit hochbegabten Kindern? Juliane Schartels Weg führte zur Hector Akademie Schwarzwald Baar mit Sitz in Donaueschingen – eine Einrichtung für hochbegabte und besonders begabte Kinder im Grundschulalter.

Ursula Kiefer (links), Geschäftsführerin der Hector Kinderakademie Donaueschingen und Juliane Schartel (rechts), zweite Vorsitzende des ...
Ursula Kiefer (links), Geschäftsführerin der Hector Kinderakademie Donaueschingen und Juliane Schartel (rechts), zweite Vorsitzende des Fördervereins der Kinder- und Jugendakademie Schwarzwald-Baar und Konrektorin an der Rupertsbergschule in St. Georgen. | Bild: Hanna Mayer

49 verschiedene Kurse gibt es an der Akademie. Darunter: Schwedisch lernen, eigene Computerspiele programmieren, realistisches Zeichnen. Die Nachfrage ist da: 423 Kinder aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis sind laut Ursula Kiefer momentan eingeschrieben. Sie ist seit 2018 Geschäftsführerin der Hector Kinderakademie in Donaueschingen und selbst Großmutter zweier hochbegabter Kinder.

Als „notwendige Arbeit“ bezeichnet sie die Förderung hochbegabter Kinder. „Zusätzliche Angebote außerhalb der Schule sind so wichtig“, findet sie. Denn sowohl die Schule als auch die Eltern zuhause könnten den enormen Wissensdurst der Kinder nicht stillen.

Dieses Bild hat Maya Schartel als Drittklässlerin im Rahmen des Unterrichts an der Hector Kinderakademie gemalt.
Dieses Bild hat Maya Schartel als Drittklässlerin im Rahmen des Unterrichts an der Hector Kinderakademie gemalt. | Bild: Juliane Schartel

Dem kann Juliane Schartel nur zustimmen. Wochenende? Das gibt es nicht. Stattdessen heißt es: Museen abklappern, Bücher lesen, philosophieren, Fragen beantworten. Dazu wenig Schlaf, denn das Bedürfnis danach sei bei hochbegabten „deutlich geringer“ als bei anderen Gleichaltrigen.

An der Akademie sind die betroffenen Kinder endlich unter Gleichgesinnten. Juliane Schartels Tochter besuchte als Erstklässlerin dort einen Chinesischkurs. Und blühte auf. „Mein Kind war endlich glücklich“, erinnert sich die Mutter. Sie habe sogar Witze auf chinesisch gemacht.

Auch Ursula Kiefer empfindet die Kinder in den Kursen als ausgeglichen und zufrieden: „Es gibt wenig Konflikte, es wird nicht gestritten“, sagt Kiefer. Schartel ergänzt: „Sie dürfen schließlich machen, was sie am liebsten tun.“ Heißt: Sie dürfen zeigen, was sie können, ohne als Streber zu gelten. Für ihre Töchter seien diese Stunden wie ein „Leuchtturm in der Woche“.

„Kinder, die sich sonst ausgeschlossen fühlen, bekommen ihr Strahlen zurück.“
Juliane Schartel, Mutter zweier hochbegabter Kinder

Juliane Schartel ist mit ihren Töchtern außerdem regelmäßig an der Kinder- und Jugendakademie Schwarzwald-Baar (Kijak) anzutreffen, wo sie im Vorstand des Fördervereins tätig ist. Auch hier gibt es Angebote für hochbegabte Kinder, insbesondere ab der fünften Klasse. „Die Angst soll verloren werden, alles zu zeigen und die Handbremse gelöst werden“, sagt Schartel.

Einfach mal etwas ganz Gewöhnliches machen und dabei unter Gleichgesinnten sein – das ist das Anliegen des Fördervereins der ...
Einfach mal etwas ganz Gewöhnliches machen und dabei unter Gleichgesinnten sein – das ist das Anliegen des Fördervereins der Kinder- und Jugendakademie. Marius Schartel, Maya Schartel und Anna Kreiselmaier backen gemeinsam Plätzchen. | Bild: Juliane Schartel

Ohne eine entsprechende Förderung, da sind sich Schartel und Kiefer einig, könne Hochbegabung entweder zum Problem werden oder die Begabung schließlich verkümmern. „Eine Hochbegabung ist kein Freifahrtschein für ein erfolgreiches Leben“, betont Juliane Schartel.

Zum einen müsse eine Hochbegabung gefördert werden, damit sich die Begabungen entwickeln können. Zum anderen müsse persönlicher Einsatz dazukommen – also eine gehörige Portion Fleiß. „Fleiß schlägt Begabung“, so Schartel. Aber: „Kommt beides zusammen, kann etwas Herausragendes entstehen.“