Das gab es in der Region noch nie: Ein gewählter Gemeinderatskandidat wird vom amtierenden Gemeinderat nach der Wahl vom Antritt des Amtes ausgeschlossen. Das klingt verstörend, entspricht aber der geltenden Gesetzeslage und war dem Brigachtaler Gemeinderat selbst höchst unangenehm.
Aber der Reihe nach. Die Gemeinde Brigachtal hat 14 Plätze zu vergeben und bei der Gemeinderatswahl am 9. Juni errang die Liste der Unabhängigen Bürger zwei Sitzplätze im zukünftigen Gremium. Mit 695 Stimmen belegte dabei Walter Simon als Neuling den respektablen Spitzenplatz der Liste. Auf dem zweiten Platz folgt ihm mit 641 Stimmen Michael Maier, ebenfalls ein Neuling.
Der Wahlprozess verlangt es, dass die Gemeindeverwaltung die gewählten Vertreter nach der Wahl auf etwaige Hinderungsgründe überprüft. Und genau das wird Walter Simon nun nachträglich zum Verhängnis. Er wohnt zwar in Brigachtal, arbeitet aber seit 20 Jahren bei der Stadt Villingen-Schwenningen, dort aktuell als Projekt- und Bauleiter.
Das Problem: Walter Simon arbeitet bei der Stadt VS
Darin liegt das Problem: Die Gemeinde Brigachtal bildet neben anderen Gemeinden eine sogenannte Verwaltungsgemeinschaft mit Villingen-Schwenningen. Und Mitarbeiter der Stadt VS, die die Steuerung der Verwaltungsgemeinschaft übernimmt, dürfen nicht einem Gemeinderatsgremium wie Brigachtal nicht angehören, weil die Möglichkeit einer unzulässigen Einflussnahme auf kommunale Entscheidungen in Brigachtal nicht auszuschließen sei.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Vereinfacht gesagt: Walter Simon könnte ihn einen Interessenkonflikt zwischen seiner beruflichen Tätigkeit in VS und seinem politischen Ehrenamt in Brigachtal geraten. Dass solche Konflikte ausgeschlossen werden, geht auf eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1961 zurück und wurde zuletzt in einem Urteil vom Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2017 bestätigt.
Formal war jetzt der noch amtierende alte Gemeinderat von Brigachtal in seiner jüngsten Sitzung genötigt, der daraus resultierenden Beschlussvorlage der Verwaltung zuzustimmen und Walter Simon den Eintritt in den neuen Gemeinderat abzusprechen.
Tiefes Bedauern im Gemeinderat
In der Aussprache und Diskussion zu diesem Punkt herrschte unter den amtieren Räten weitgehend Einigkeit, dass man diese Entscheidung eigentlich nicht treffen möchte und dem Wählerwillen folgen wolle, Walter Simon zuzulassen. „Wir müssen hier gegen den Willen der Wähler handeln, was wir wirklich nicht wollen“, erklärt Brita Krebs von den Freien Wählern. „Aber das Gesetz lässt uns keine andere Wahl“, stellte sie fest. Das sieht auch ihr Kollege Olaf Faller so. Er regt aber an, dass solche potenziellen Konflikte im Interesse der Wähler zukünftig vor der Wahl geprüft werden sollten.
So stellt auch Josef Vogt von der Liste Pro Brigachtal die Frage, ob weder die Kandidaten, noch deren Listen oder sogar die Verwaltung so etwas nicht vor der Aufstellung der Kandidatenlisten prüfen müssten.
Gesetzgeber lässt Wählbarkeit auch bei Hinderungsgründen zu
Bürgermeister Michael Schmitt beantwortet diese Frage ganz eindeutig: „Die Wählbarkeit ist von der Frage eines möglichen Hinderungsgrundes völlig unabhängig.“ Das ist insofern brisant, weil in solch einem Fall ein Kandidat relativ viele Wählerstimmen für seine Liste einsammelt – im Falle von Simon sogar als Stimmenkönig der Unabhängigen Bürger – am Ende aber andere Kandidaten dieser Liste ins Amt kommen.
Jürgen Kaltenbach von der CDU bemängelt, dass es ein solcher Vorgang in Zukunft noch schwieriger macht, potenzielle Kandidaten für den Gemeinderat zu motivieren. Für seinen Ratskollegen Theo Effinger steht aber ganz klar fest: „Würden wir das zulassen, so wären wir als Gemeinderat bei jeder unserer Entscheidungen angreifbar.“

Thomas Huber rückt nun nach
So stimmte der Gemeinderat danach notgedrungen mit elf Stimmen der Ablehnung von Simon zu, bei einer Enthaltung von zwei Stimmen. Der noch amtierende Gemeinderat Thomas Huber von den Unabhängigen Bürgern durfte an dieser Abstimmung wegen Befangenheit nicht teilnehmen.
Er ist es aber nun, der mit einer Stimmenzahl von 637 auf Platz drei als Nachrücker für Simon nun auf Platz zwei erneut in neuen Gemeinderat gewählt wurde, während Michael Maier nun von seinem Platz zwei auf die Spitzenposition vorrückt, wie es die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg vorsieht.