Manchmal, da entsteht aus etwas Schlechtem auch noch etwas Gutes. Im Fall von Birgit Reuner geht es um eine Wohnungskündigung, die vergebliche Suche einem neuen Zuhause und um Differenzen mit dem Sozialamt. Doch die 68-jährige Rentnerin macht ein Abenteuer daraus. Oder wie sie es ausdrückt: Manchmal geht eine Tür zu und dafür eine andere auf.

Es ist ein kleines grünes Paradies. Zahllose Blumen wachsen hier, die Sträucher tragen dicke Dolden roter Johannisbeeren, fast reife Stachel- oder Himbeeren. Noch vor einem Jahr, da gab es auch Gemüse aller Art – Zucchini etwa, Bohnen oder Tomaten und vieles mehr. Hier, am Rand von Villingen, lebt Birgit Reuner.

Nur mit einem Koffer bricht sie auf

Noch. Denn im Januar 2024 erfährt die 68-Jährige, dass sie ausziehen muss. Zwei Mal war ihr Jahresmietvertrag verlängert worden. Weil er nun per Gesetz zum unbefristeten Dauer-Mietvertrag würde, ziehen die Vermieter die Reißleine. Wer weiß schließlich, ob man die Einliegerwohnung nicht doch irgendwann einmal selbst braucht?

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Ende September wird Birgit Reuner hier also zum letzten Mal die Haustür hinter sich abschließen und den Koffer mit ein paar Kleidungsstücken in ihr betagtes Auto laden. Dann geht es los in Richtung Portugal. „Ich erfülle mir einen alten Traum“, so erzählt die Villingerin.

Eine schwierige Suche beginnt

Doch zwischen Kündigung und dem Traum vom Süden liegen erst einmal schlimme Zeiten. Tage, an denen Birgit Reuner nicht weiß, wie es weitergehen soll für sie. Weil ihre kleine Rente zum Leben nicht ausreicht, bezieht sie Altersgrundsicherung – und diese Konstellation macht die Suche nach einem neuen Zuhause äußerst schwierig. Gelinde gesagt.

Ein Zuhause mit verhängnisvollem Schönheitsfehler

Eine perfekte, kleine Wohnung mit Garten findet sie zunächst. Der Garten ist ihr wichtig, fast lebenswichtig, schließlich baut sie fast ihre kompletten Nahrungsmittel selbst an, um überhaupt über die Runden zu kommen. Der verhängnisvolle Schönheitsfehler: Das neue Zuhause soll kalt 450 Euro kosten – rund 70 Euro zu viel, sagt das Sozialamt.

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Heike Frank, Pressesprecherin des Landratsamts Schwarzwald-Baar, kennt diese Situation. „Es ist leider ein bekanntes Problem, dass es zu wenige günstige Wohnungen gibt“, sagt sie. Für eine Person beträgt der Höchstbetrag pro Monat exakt 376 Euro kalt. Mehr geht nicht. Bei Kostensenkungsaufforderungen könne das Amt für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe die alte Miete weiter zahlen, bis eine neue Wohnung gefunden ist, so Frank. In Kündigungsfällen gehe dies jedoch nicht.

Auch die Tochter kann nicht helfen

Birgit Reuner findet keine andere, passende Bleibe. „Mir wurden nur Wohnungen im dritten oder vierten Stock angeboten“, erzählt sie. Wegen ihrer Knieprobleme und der vielen Treppen sind diese keine Option. Und ja, der Garten natürlich. Auch zu ihrer Tochter nach Bayern kann sie nicht ziehen, deren Wohnung ist schlicht zu klein.

Rentnerin erinnert sich an Jugendtraum

„Da habe ich mich an meinen Jugendtraum erinnert“, erzählt Birgit Reuner. Portugal. Dort hat sie mit ihrer Tochter einst schöne Urlaube verbracht. Und, noch viel wichtiger: Das Land hat mit die günstigsten Lebenshaltungskosten in ganz Europa. „Für 200, 300 Euro kann man ein kleines, möbliertes Häuschen auf dem Land mieten“, sagt die 68-Jährige.

Mit ihren knapp 1000 Euro Rente könne sie dort gut ohne Hilfe eines Amtes auskommen. Zudem sei das Klima in Nord-Portugal ideal, um eigenes Obst und Gemüse anzubauen.

Bange Frage: Übersteht das Auto die Fahrt?

Jeden Cent legt sie seitdem zurück, um sich das Benzin für die über 2000 Kilometer lange Fahrt ins neue Leben leisten zu können. Sie betet, dass auch ihr 17 Jahre altes Auto durchhält.

Von ihren Habseligkeiten in Deutschland dagegen wird sie sich fast komplett trennen müssen. Der Transport, so hat sie erfahren, würde 6000 Euro kosten. Das Bett, die Eckbank mit Stühlen, Schränke, ein altes Küchenbuffet und vieles, vieles mehr – alles muss also weg.

Alles muss raus: Weil der Transport so teuer wäre, trennt sich Birgit Reuner von fast allen Dingen. Sie verschenkt die meisten.
Alles muss raus: Weil der Transport so teuer wäre, trennt sich Birgit Reuner von fast allen Dingen. Sie verschenkt die meisten. | Bild: Burger, Tatjana

Als Haussitterin durch Frankreich und Spanien

Bis sie ihr endgültiges neues Zuhause gefunden hat, wird es aber dauern. Birgit Reuner hat sich bei einem Portal für Haussitter angemeldet. Für wenige Tage oder Wochen werden darüber Menschen gesucht, die auf Häuser aufpassen. „Da sind tolle Sachen dabei, mit Pool und allem drum und dran“, erzählt die Rentnerin. Das Beste für sie jedoch: Das Übernachten ist so komplett kostenlos.

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Langsam will sie sich so durch Frankreich und Spanien arbeiten. Eine Etappe nach der anderen. Auch in Portugal wird sie sich als Haussitterin erst einmal umschauen, wo es ihr wirklich am besten gefällt. Um nicht zur Wohnungslosen zu werden, muss sie sich zunächst bei ihrer Tochter in Bayern offiziell anmelden.

Der große Wunsch der Gartenfreundin

Birgit Reuner lernt nun schon seit Wochen mit Hilfe einer App Portugiesisch. Manches sei da doch sehr verwirrend, sagt sie. Etwa, dass in Portugal die Woche mit dem Sonntag beginnt: Mit Domingo, dem „ersten Tag“. „Aber ich bin sprachbegabt, in einem Jahr kann ich das sicher gut“, ist sie zuversichtlich. Und noch einen Wunsch hat sie, die Gartenfreundin, für ihr neues Leben. „Ich möchte gerne einen Oliven- und einen Feigenbaum im Garten haben.“