Zwar hätte es bis zur Rente noch drei, vier Jahre gedauert, aber der Körper machte nicht mehr mit: Bandscheiben, Knie, Hüfte, Herz, grauer Star – die harte Arbeit zollte ihren Tribut, also ging Harald Reiser jetzt mit 61 Jahren aufs Altenteil.

Denn auch wenn der Beruf des Kaminfegers wie alle Handwerksberufe zunehmend mehr Bürokratie verlangt, es ist eben auch harte körperliche Arbeit. Und als Harald Reiser klar wurde, dass auch das Treppensteigen zunehmend zur Belastung wurde, zog er nun die Reißleine.

Aus einer Zeitungsannonce wird eine Liebe fürs Leben

Ungern allerdings, denn seinen Beruf liebt er heute wie von Anfang an. Eine Zeitungsannonce war es, auf die er sich bewarb, nachdem ein Bekannter ihm gesagt hatte, dass der Beruf ihm Spaß macht.

In Bad Dürrheim bekam er 1980 die gewünschte Lehrstelle, und nach zweieinhalb Jahren Lehre war es geschafft. „Es war mein Job, er hat mir immer richtig Freude gemacht, ich bin stolz drauf.“

Kreuz und quer geht es durch den Südwesten

Von Bad Dürrheim ging es dann für einige Zeit auf den Heuberg, dann nach Stuttgart, wo er in und um Möhringen und Vaihingen Heizungen prüfte und Schornsteine fegte.

Dann wieder auf den Heuberg, später nach Schwenningen und Dauchingen, schließlich nach Königsfeld, bis er zum 1. Juni 1995 als Bezirksschornsteinfeger in Lörrach anfangen konnte.

Das könnte Sie auch interessieren

Seit 1998 in Niedereschach

Drei Jahre später wurde er wieder nach Niederschach versetzt und bekam im Jahr 2000 noch Deißlingen dazu. „Das hat mir gut gefallen, meine Oma war Deißlingerin“, erinnert sich Harald Reiser.

So, wie ihm sein Beruf gefallen hat, auch wenn er nicht immer einfach war. Kritik an manch einer politische Entscheidung musste er sich anhören. Gerade in jüngster Zeit, als es um das Verbot von Holzöfen und die Nachrüstung alter Kachelöfen mit teuren Filtern ging.

Kritischer Blick auf die Heizungspolitik

„Ich denke, es würde mehr bringen, den Menschen zu zeigen, wie man richtig heizt“, ist sich Harald Reiser sicher. Besser für die Umwelt wäre das, findet er, als einfach Öfen wegen ihres Baujahres zu verbieten.

„Es kann doch nicht sein, dass die einen ihren billigen Baumarkt-Schwedenofen weiter nutzen dürfen, und hochwertige Öfen nicht mehr geheizt werden können.“ Gerade ältere Menschen könnten sich die teuren Filter für ihre Öfen nicht leisten, sagt der langjährige Schornsteinfeger.

Manchmal musste die Polizei mitkommen

Da waren aber auch die Leute, die sich weigerten, ihn zum Kehren und Prüfen in ihr Haus zu lassen, manche der Reichsbürgerszene nahe. Da musste dann das Landratsamt ran, musste eine Zwangskehrung veranlassen, für die die Polizei in der Nähe wartete.

Allerdings hat Reiser deren Hilfe nie gebraucht, was möglicherweise mit seiner stattlichen Körpergröße zu tun hat. Aber auch damit, dass er mit den Leuten kann, wie auch immer sie ticken. Und deshalb lag es dann in solch leicht brenzligen Situationen an ihm, die ängstliche Mitarbeiterin des Landratsamts zu beruhigen.

Aber da waren natürlich auch die schönen Seiten seines Berufs. Die vielen netten Menschen, 95 Prozent, wie Reiser betont. Die fünf sehr alten Damen in , Anwohnerinnen einer Straße in Deilingen, die aus dem Besuch des Kaminfegers immer eine kleines Fest machten und ihn zum Vesper einluden.

Weihnachtsbrief in Sütterlinschrift

Zu Weihnachten bekam er dann einen Brief einer 96-Jährigen aus der Straße, in Sütterlinschrift geschrieben. „Ich musste mir erst jemanden suchen, der das lesen konnte.“

Und dann waren da die Hochzeiten, bei denen er und seine Kollegen in Schwarz auftraten, als Glücksbringer. Ob das was gebracht hat? „Nun, wenn man dran glaubt“, meint Reiser schmunzelnd.

Stolz auf sein Handwerk

Seine beiden Kinder bekamen auch schwarze Sachen samt Zylinder und Leiter, der Sohn durfte sogar mal mit auf Tour und hatte so großen Spaß, dass er am Ende gar nicht aufhören wollte. Klar, für ihn gab es in jedem Haus was zu trinken, Süßigkeiten und andere Leckereien. Doch dann ist der Sohn im Auto eingeschlafen, das gemeinsame Männer-Duschen, um den Ruß abzuwaschen, hat er nicht mehr geschafft.

Reisers beide Kinder haben dann doch andere Berufe ergriffen, bei den sieben noch kleinen Enkeln wird man sehen. Sie sind zwischen sechs Jahren und zehn Monaten alt – das könnte also eventuell noch was werden mit dem Handwerk, auf das der Opa so stolz ist.

Das könnte Sie auch interessieren