Ein Mann ertrinkt. Nicht still, schnell und unbeobachtet, sondern vor den Augen der Badegäste, sichtbar erschöpft und minutenlang immer wieder kurz unter Wasser gehend. Erst im Gespräch mit aktiv Beteiligten der gescheiterten Rettung eines 52-Jährigen aus dem Riedsee erschließt sich die Dramatik der Situation am Samstagabend, 3. August.

Dominic Kocher ist Helfer vor Ort in Hüfingen. Er wurde von der Leitstelle in Richtung Riedsee dirigiert. Alarmierung: Tauch-Bade-Ertrinkungsunfall. Am Riedsee hatte zuvor ein Badegast einen Notruf abgesetzt. Auf dem See, gut 100 Meter vom Ufer entfernt, wirkt ein Schwimmer entkräftet.

Kocher ist schnell da. „Von Allmendshofen her, wo ich wohne, hatte ich nur eine kurze Anfahrt.“ Nur noch wenige Besucher verweilen am See, darunter eine Familie mit Kindern. Kocher sieht, wie sich der Mann auf dem See mühsam über Wasser hält, kurzzeitig untergeht, wieder auftaucht und weiter kämpft. Das wiederholt sich.

„Von Allmendshofen her, wo ich wohne, hatte ich nur eine kurze Anfahrt.“Dominic Kocher
„Von Allmendshofen her, wo ich wohne, hatte ich nur eine kurze Anfahrt.“Dominic Kocher | Bild: Johann Müller-Albrecht

Mindestens zwei Männer steigen von verschiedenen Stellen aus ins Wasser, schwimmen auf den Ertrinkenden zu, erreichen ihn aber nicht. Sie haben die Strecke zur Hälfte zurückgelegt, da taucht er nicht mehr auf. Sogar verzweifelte Versuche dieser Badegäste, dem Mann hinterherzutauchen, muss Kocher beobachten.

Ertrinkende entwickeln enorme Kräfte

Der Helfer vor Ort geht nicht ins Wasser. Mit gutem Grund. Der heißt Eigenschutz. „Ertrinkende entwickeln enorme Kräfte“, weiß Thomas Moch, Vorsitzender der DLRG Baar und verweist auf das, was in den Rettungsschwimmkursen der Wasserretter vermittelt wird: Ohne eine Auftriebshilfe dürfe sich ein Rettungsschwimmer einer gleich großen Person in Notlage nicht nähern. Als Auftriebshilfe gelten dabei Schwimmbrett, Boje oder Boot. „Aber bereits eine Luftmatratze, die man sich und dem Ertrinkenden bringen kann, hilft unter Umständen schon.“

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Im Pfohrener Bereich der Riedseen seien am Ufer Rettungsringe installiert, sagt Moch. Auf Hüfinger Gemarkung fehlten diese Hilfsmittel. Das hätte in der Situation am Samstagabend durchaus helfen können, so Moch. Nach dem Badetod eines älteren Mannes im vergangenen Jahr sieht er eine beunruhigende Häufung. „Zuletzt hatten wir alle fünf bis zehn Jahre einen solchen Unglücksfall.“

Auch ein Hubschrauber ist am Samstagabend in die Vermisstensuche eingebunden.
Auch ein Hubschrauber ist am Samstagabend in die Vermisstensuche eingebunden. | Bild: Steffen Albert

Moch war selbst nicht vor Ort am Samstag, weiß aber, dass unter Regie des Bezirks Baar DLRG-Helfer der Gruppe Baar sowie aus Furtwangen, St. Georgen und Villingen-Schwenningen an den Riedsee fuhren. Mit Booten und Tauchern begannen sie bei einbrechender Dunkelheit nach dem Mann zu suchen. Mit eingebunden, wie die Polizei später mitteilte, ein Rettungshubschrauber und eine Drohne. Zu Wasser und am Ufer entwickelte sich bis Mitternacht eine verzweifelte Suche im Kampf gegen die Uhr.

DLRG-Helfer stehen am Samstagabend in einem ausgeleuchteten Bereich des Riedsees.
DLRG-Helfer stehen am Samstagabend in einem ausgeleuchteten Bereich des Riedsees. | Bild: Steffen Albert

Gar nicht möglich gewesen wäre die Suche ohne das Zutun der Feuerwehren. Wie der Hüfinger Stadtkommandant Steffen Albert mitteilte, war die Feuerwehr Hüfingen mit zehn Fahrzeugen und 55 Einsatzkräften vor Ort. Eingebunden war auch die Feuerwehr Bräunlingen mit 15 Einsatzkräften, die laut Hauptamtsleiter Jürgen Bertsche einen Anhänger mit großem Stromaggregat brachten.

Feuerwehrleute unternehmen Tauchversuche

Weil die Feuerwehr unmittelbar nach dem Helfer vor Ort und vor der DLRG eingetroffen war, seien Kameraden mit improvisierten Bergemitteln ins Wasser gegangen und in die Richtung geschwommen, wo der Mann kurz zuvor untergegangen war, berichtete Albert.

Feuerwehr leuchtet Ufer aus

Die Aufgabe der Feuerwehr sei es gewesen, den gesamten Uferbereich im Wasser und am Ufer auszuleuchten und die Uferbereiche abzusuchen. „Eine so große Fläche mussten wir noch nie ausleuchten“, sagte Feuerwehr-Gesamtkommandant Martin Ziganczuk. Etwa 15 Strahler auf Gestellen wurden in Position gebracht, die meisten aus Beständen der Hüfinger Wehr, ein paar waren aus Bräunlingen gebracht worden.

Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und DRK stehen am Riedsee.
Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und DRK stehen am Riedsee. | Bild: Steffen Albert

Beim Einsatz am Riedsee war laut Mete Ünal, stellvertretender Bereitschaftsleiter beim DRK-Ortsverein Hüfingen, auch das Rote Kreuz dabei. Im Laufe des späten Abends habe, der mit fünf Mitgliedern vertretende Ortsverein die Rettungskräfte mit Getränken und Energieriegeln versorgt. Im Einsatz waren zudem ein Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug des DRK.

Warum keine Rettungsmittel am See?

Auch Ünal wirft die Frage auf, ob nicht Rettungshilfsmittel am See installiert sein müssten. Für das DRK wäre eine solche Anschaffung aber nur bedingt eine Verpflichtung. Es sei eben immer eine Abwägung, für welche Anschaffungen das Rote Kreuz Geld ausgibt. Ünals Blick geht Richtung Stadt. Er, frisch gewählter Hüfinger Gemeinderat, möchte das Thema bei nächster Gelegenheit im Stadtrat ansprechen.

Haas will sich kümmern

Auf das Fehlen von Rettungsmitteln am Riedsee angesprochen, kündigte Patrick Haas, seit ein paar Tagen Bürgermeister von Hüfingen, an, sich um das Thema zu kümmern. Zunächst müsse er aber Rücksprache in der Verwaltung halten – auch um zu erfahren, warum der gegenwärtige Sicherheitsstandard vorliegt.

Die DLRG bringt am Sonntag einen Taucher in Position.
Die DLRG bringt am Sonntag einen Taucher in Position. | Bild: Roland Sigwart

Der Vermisste stammt aus Villingen-Schwenningen. Am Montagvormittag entdecken Polizeitaucher einen leblosen Körper in etwa acht bis zehn Meter Tiefe – ein Suchbereich, den zuvor bereits Wassersuchhunde der DLRG angezeigt hatten.

Schnell stellt sich traurige Gewissheit ein: Bei dem Toten handelt es sich um den seit Samstagabend vermissten Mann, der, so die Polizei, offenbar alkoholisiert in den See gestiegen sei. Laut Polizeisprecher Marcel Ferraro habe die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, den Verstorbenen obduzieren zu lassen. Der Vorgang sei eindeutig.

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