„Wir haben eigentlich Urlaub, aber wir können es uns derzeit nicht leisten, die Praxis zu schließen“, sagt Hertha-Maria Potschaske. Die Ärztin ist Partnerin in der Gemeinschaftspraxis Probst in St. Georgen. Seit Donnerstag wird dort gegen das Coronavirus geimpft. Der SÜDKURIER war dabei und hat mit Ärzten und Patienten gesprochen.

Potschaske hat sich auf den Start gefreut. „Ich war wegen der Logistik aber etwas nervös. Immerhin ist es ein ganz neuer Impfstoff. Üben konnten wir mit ihm nicht“, sagt sie. Verimpft wird in den ersten drei Wochen die Vakzine von Biontech. Der Impfstoff darf nicht geschüttelt werden, außerdem ist er nach der Lieferung im Kühlschrank nur fünf Tage haltbar und muss verdünnt werden. „Die Grippeimpfung etwa erhalten wir dagegen bereits aufgezogen“, sagt die Hausärztin weiter. Das Impfen selbst sei dagegen Alltag.

Dennoch liegt neben Potschaske der Impfablauf auf einem Din-A4-Blatt gedruckt parat – sicher ist sicher. Darauf steht: 1. Aufklärungsgespräch, Papiere unterschreiben, 2. Allergien und Antikoagulation erfragen, 3. Impfung durchführen, gegebenenfalls Kompression für fünf Minuten bei Antikoagulation, auch durch Patienten selber. Anschließend erfolgen ein Eintrag im Impfpass und die Terminvergabe für die Zweitimpfung im Abstand von vier bis sechs Wochen nach dem ersten Pieks. 7. Überwachungsende auf Bogen vermerken und am Ende die Hände und den Tisch desinfizieren und frische Handschuhe anziehen.

Nach diesem Ablaufplan geht Potschaske am Donnerstagmorgen bei Edith Winzer vor. Die 78-Jährige aus St. Georgen ist eine Impfroutinière: „Ich lasse mich jedes Jahr gegen die Grippe immunisieren“, sagt sie und nimmt neben ihrer Ärztin Platz. Auf ihren Unterlagen hat Winter angegeben, auf das Aufklärungsgespräch zu verzichten. Sie habe sich den Aufklärungsbogen zur Corona-Impfung, den sich die Patienten in der Vorwoche in der Apotheke nebenan bereits abholen konnten, aufmerksam durchgelesen. Auch ihr Mann sei bereits geimpft.
Dann geht es los: Winzer krempelt den Ärmel hoch, Potschaske desinfiziert die Einstichstelle, ein kurzer Pieks und der Mainzer Impfstoff wird gespritzt. „ Ich hatte mich auf die Impfung gefreut. Mir geht es gut“, sagt die Patienten mit einem Lächeln, das man unter der FFP2-Maske erkennen kann. In sechs Wochen kommt sie wieder, dann ist sie vollständig immunisiert.

Den Anruf aus der Praxis für den Impftermin erhielt Winzer vor einer Woche. Weil ein anderer Patient ausgefallen war, rückte sie als sogenannter Springer nach. Wer zu Beginn geimpft wird, hat die Praxis Probst anhand einer selbst erstellten Liste, die sich nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts orientiert, erstellt. In einer Tabelle auf dem Computer sind alle über 80-jährigen Patienten dunkellila markiert, hellrosa steht dagegen für die über 70-Jährigen. Wenn es Sinn macht, werden auch Ehepaare gemeinsam geimpft.

Als nächste ist Christa Obergfell an der Reihe. Sie ist 80 und kommt aus Tennenbronn. „Ich wollte auf die Impfung beim Hausarzt warten“, sagt sie und wirkt sehr entspannt. Begleitet hat sie am Donnerstagmorgen ihre Enkelin Yvonne Obergfell. Die 26-Jährige ist Mitarbeiterin in der Praxis Probst und in der kommenden Woche wieder im Dienst. Ihre Oma gehe zwar ohnehin weniger raus, man wisse aber nie, ob jemand zu Besuch kommt, der das Virus mitbringt. Auch Christa Obergfell geht es nach der Impfung gut.
Neben Ärztin Potschaske impft auch Boris Burcza gegen das Coronavirus. „Ich habe schon bei den Impfungen im Seniorenheim Lorenzhaus mitgeholfen“, erzählt der 41-Jährige. Dort waren die Spritzen vom mobilen Impfteam aus dem Schwenninger Kreisimpfzentrum aufgezogen worden. Die Corona-Impfungen sind für ihn eigentlich wie alle anderen Vakzinverabreichnugen auch, allerdings: „Das hier ist die goldene Ampulle. Da darf nichts daneben gehen“, sagt er und empfängt anschließend Gudrun und Erwin Kneissler aus St. Georgen.
„Wir haben es mehrfach im Kreisimpfzentrum versucht, aber nie einen Termin erhalten“, sagt der 84-jährige Erwin Kneissler. Irgendwann sei es den beiden zu blöd geworden. Sie gaben es auf und warteten auf den Hausarzt – der sie in Person von Arzt Johannes Probst anrief. Während Gudrun Kneissler (83) weniger Angst vor einer Corona-Infektion hat, geht es ihrem Ehemann etwas anders: „Wir haben den Kontakt zu anderen im letzten Jahr größtenteils gemieden. Nur eingekauft habe ich, mit Maske und Abstand.“

Dann geht es abermals schnell: Aufklärungsgespräch, Hemd ausgezogen, Pieks in den Oberarm, das war es. Erwin Kneissler muss er nun mindestens fünf Minuten mit einem Wattestückchen auf die Einstichstelle drücken. Bei Menschen, die Blutverdünner nehmen, kann es nach der Impfung zu einem blauen Fleck kommen. Erwin Kneissler geht es, wie auch seiner Frau im Anschluss, gut. Beide müssen anschließend noch eine knappe halbe Stunde zur Beobachtung im Warteraum sitzen und dürfen dann gehen. Vorher holen auch sie sich den Termin für die Zweitimpfung ab.
Insgesamt können in der Gemeinschaftspraxis Probst in dieser Woche 54 Impfungen verabreicht werden. „Auch kommende Woche erhalten wir 54 Impfdosen, dabei haben wir 72 bestellt“, sagt Johannes Probst, der in St. Georgen seit 1985 niedergelassener Arzt ist. Für die übernächste Woche seien 90 Impfdosen geplant. Ob das klappt, müsse man sehen.

Für den 68-Jährigen steht fest: „Die Politik hat die Nöte der Menschen unterschätzt.“ Die Kreisimpfzentren sehe er nicht als Konkurrenz: „Wir Hausärzte impfen aber jeden Tag. Das gehört zu unserem Kerngeschäft. Wir impfen Kinder und machen auch Reiseimpfungen.“ Und weil Hausärzte das machen und ihre Patienten in der Regel schon lange kennen, sei auch das Vertrauen der Menschen viel größer. „Wir können und wir wollen mehr impfen“, sagt er entschlossen.
Genau so entschlossen werden Probst und seine Kollegen auch die kommenden Wochen angehen – sowohl in als auch außerhalb der Praxis. Der 68-Jährige impft nämlich auch im Rahmen von Hausbesuchen. Und hofft darauf, künftig mehr Vakzindosen zu erhalten.