In einer Produktionshalle der Südbadischen Gummiwerke (SBG) in Neudingen wird derzeit an einem Projekt gearbeitet, das die Energiezukunft Deutschlands mitgestalten kann.
„Wir befinden uns an einem Wendepunkt“, erklärt Dietmar Bolay, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. „Wasserstofftechnologie bietet dem Wirtschaftsstandort Deutschland eine historische Chance, sich von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen.“
Wichtige Säule im Energiesystem
Neben der direkten Nutzung erneuerbarer Energien wird sich laut Prognosen aus Wissenschaft und Politik der Energieträger Wasserstoff in den kommenden Jahren zu einer weiteren wichtigen Säule im künftigen Energiesystem entwickeln.
Und die Gummiwerke sind mit dabei. Dabei geht es den SBG jedoch nicht um die direkte Produktion von Wasserstoff, sondern um die Entwicklung und Herstellung von Schlüsselkomponenten, die in sogenannten Elektrolyseuren eingesetzt werden.
Elektrolyseure sind Anlagen und Geräte, die Wasser – chemisch H2O – mithilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Elektrolyseure bestehen in der Regel aus mehreren Zellen, die in einem Stapel (Stack) angeordnet sind. Der Aufbau eines solchen Elektrolyseblocks ist entscheidend für die Effizienz und Leistungsfähigkeit des gesamten Systems. Und wenn der Strom dann noch aus nachhaltigen Quellen kommt, nennt man das „Grünen Wasserstoff“.
„Es gibt eine nationale und baden-württembergische Wasserstoffstrategie, aber uns ist klar, dass die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategien von zuverlässigen und innovativen Technologien abhängt“, so Bolay.
SBG sei dabei, sich vom traditionellen Zulieferer zu einem innovativen Zukunftsgestalter zu entwickeln. Eine neue Serienfertigung von strukturellen Komponenten für Elektrolyseblöcke könne dabei helfen, die Herstellung von grünem Wasserstoff effizienter und kostengünstiger zu gestalten.

Für die Herstellung von Elektrolyseblöcken werden spezifische Bauteile benötigt, die unter anderem aus Gummi bestehen und für die Abdichtung der Anlagen und für den sicheren und zuverlässigen Betrieb dieser Elektrolyseure unverzichtbar sind.
„Wir können diese Bauteile in einer Menge und Dimension herstellen, die in Deutschland bisher einmalig ist“, sagt Bolay. „In kleinen Stückzahlen wurde schon nachgewiesen, dass es funktioniert.“ Neu sei, dass diese jetzt in Serie hergestellt werden. „Denn ohne Serienfertigung gibt es keine Energiewende“, fügt Bolay an.
Um diese Fertigung zu ermöglichen, hat das Unternehmen in eine maßgeschneiderte Maschine investiert, die speziell für diese Anwendung im Auftrag der SBG entwickelt wurde. Das Pilotprojekt ist bereits angelaufen, im Moment wird die Maschine noch aufgebaut. Aber bereits im kommenden Jahr kann die Serienfertigung starten.

Gedankenspiele in Bezug auf mögliche Einsatzorte zeigen das Potenzial dieser Innovation. Derzeit sucht die Großindustrie händeringend nach Möglichkeiten der Produktion von Wasserstoff vor Ort, also direkt auf ihrem Werksgelände, um die teuren und umständlichen Transporte zu vermeiden. Darüber hinaus werden aber alle Abnehmer von Wasserstoff als Kunden infrage kommen.
Als Beispiel nennt Bolay eine normale Tankstelle für Nutzfahrzeuge, wo die Elektrolyseure direkt vor Ort Wasserstoff produzieren könnten, ohne dass dieser transportiert werden muss. „Das reduziert nicht nur die Logistikkosten, sondern auch den CO2-Ausstoß erheblich“, betont er. Langfristig könnte die Technologie auch in kleineren Einheiten verfügbar werden, beispielsweise für den Wohnungsbau zu Heizzwecken.
Die Südbadischen Gummiwerke sehen sich dabei als strategischer Partner für die Industrie, insbesondere für Unternehmen, die Elektrolyseure herstellen und diese dann an energieintensive Betriebe oder für Infrastrukturprojekte weitergeben.
Bauteile sind unverzichtbar
„Wir sind nicht der Anlagenbauer, aber ohne unsere Bauteile würde es diese Anlagen in dieser Größe nicht geben“, so Bolay nicht ohne Stolz. SBG arbeitet bereits jetzt eng mit einem Anlagenbauer zusammen, der Elektrolyseblöcke herstellt.
SBG sieht sich gut positioniert, um eine Schlüsselrolle in der Wasserstoffwirtschaft zu spielen. Trotz der Herausforderungen durch hohe Personalkosten und Materialpreise in Deutschland glaubt Bolay, dass die Investition in fortschrittliche und spezialisierte Technologien der Weg in eine erfolgreiche Zukunft ist.
Die Wasserstoff-Option schafft der Betrieb Perspektiven. „Wenn wir hier nicht innovativ sind, können wir den Standort Deutschland schließen“, sagt er mit Nachdruck. Die Umstellung vom reinen Zulieferer zum Lösungsanbieter sei entscheidend für das Überleben des Unternehmens in einem zunehmend globalisierten und wettbewerbsgeprägten Markt.
Mit 80 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 13 Millionen Euro ist die SBG ein mittelständisches Unternehmen, das sich in einem hart umkämpften Umfeld behaupten muss. Doch Bolay und sein Team sind entschlossen, ihren Teil zur Energiewende beizutragen – und das nicht nur als Zulieferer, sondern als innovativer Partner in der Wasserstofftechnologie.