Das Corona-Virus hat das Jahr geprägt, hat das Leben aller auf den Kopf gestellt und für viele Menschen Krankheit und Tod gebracht. Mehr als 90 Menschen sind im Kreis an und mit Covid-19 verstorben, manche ohne nochmals die Angehörigen zu sehen oder sich verabschieden zu können. Für das Klinikum und vor allem das Pflegepersonal und die Ärzte bedeutet diese Pandemie Arbeiten am Limit und noch mehr Druck und Belastung als sonst. Das alles sind Situationen, in denen man Beistand braucht, jemanden zum reden, einen der zuhört.
Eine Rolle, die im Klinikum die Klinikseelsorge übernimmt, Gemeindereferent Karl-Heinz Richstein ist einer der Klinikseelsorger, der im Team mit Pastoralreferent Uli Viereck, Pfarrerin Elke Schott und in Donaueschingen Gemeindereferentin Daniela Frey arbeitet. Unterstützung findet das Seelsorge-Team durch viele Ehrenamtliche, die Besuchsdienste im Klinikum auf einzelnen Stationen übernehmen.

Da das Klinikum seit längerer Zeit für Besucher geschlossen ist, fehlt den Patienten, egal an was sie leiden, der Kontakt, die Nähe, der Austausch mit Angehörigen, Familie und Freunden. Richstein und das Seelsorgeteam sind in dieser für schwierigen Zeit ein Ansprechpartner für viele Nöte und Sorgen der Patienten.
Besuchsmöglichkeit auch bei Covid-19-Patienten
Er darf sich mit seinen Kollegen im Klinikum auf allen Stationen frei bewegen und hat auch Zugang zu den Covid-19-Patienten, die außer von ihm und dem Pflegepersonal von niemand anderem besucht werden dürfen. „Das ist schon eine Verantwortung und ich weiß natürlich, was mit Hinsicht auf den Infektionsschutz auf dem Spiel steht.“ Möglich sei dies nur durch penible Einhaltung aller Hygienevorschriften und enge Rückbindung an die Klinikleitung.
Gefühl der Nähe aufbauen
Mit den schwerer erkrankten Patienten, die beatmet werden, kann der Gemeindereferent nicht verbal kommunizieren. Er versucht dennoch ein Gefühl der Nähe aufzubauen, formuliert ein Gebet, spricht die Menschen an, erzählt auch schon mal eine Anekdote oder spricht über Dinge, die zunächst belanglos erscheinen mag.
Beistand in Ausnahmesituationen
Aber auch Patienten, die nicht an Covid-19 erkrankt sind, leiden unter der Pandemie – sie können keinen Besuch erhalten und sind in einer Ausnahmesituation, unter Umständen geplagt von Schmerzen und auf sich alleine gestellt. Auch für diese Menschen ist Richstein da, besucht sie, bietet Gespräche an. Die können schon durchaus länger dauern und manchmal auch sehr emotional verlaufen. „Da werden schon mal ein paar Tränen verdrückt.“
Brücke zu Angehörigen
Da die Menschen wissen, dass alle Klinikseelsorgenden einer strikten Verschwiegenheitspflicht unterliegen, kämen Dinge zur Sprache, die sonst unausgesprochen blieben. „Manchmal übernehmen wir auch einfach eine Brückenfunktion“, so Richstein. So würden Angehörige bei ihm anrufen und ihn bitten, beim Opa oder der Mutter vorbeizuschauen und ihr entweder etwas zu überbringen oder das Gespräch zu suchen. „Aber so lerne ich auch Angehörige kennen, mit denen ich unter normalen Umständen keinen Kontakt gehabt hätte.“

Gottesdienste finden im Klinikum regelmäßig statt, die Patienten können über das Patienteninformations-System kostenfrei zuhören. Richstein berichtet, dass sich hier nicht viel geändert habe. „Viele Patienten sind einfach nicht mehr mobil und konnten auch vor Corona nicht persönlich am Gottesdienst teilnehmen.“ Oft waren es vor Corona Angehörige, die nach einem Besuch bei der Andacht dabei waren. Unter strengen Auflagen können bis zu sechs Personen im Andachtsraum des Klinikums an einem Gottesdienst teilnehmen. Natürlich darf nicht gesungen werden. Für weihnachtliche Musik sorgt ein Organist. „Oleksandr Postolattiy ist der beste, den wir je hatten.“ Durch eine Anordnung der Stühle mit weitem Abstand in einem Kreis soll ein Gefühl von Nähe entstehen.
Auch fürs Pflegepersonal da
Neben der seelsorgerischen Tätigkeit ist Richstein auch Mitglied im Ethikkomitee des Klinikums, gibt an der Klinik-Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe berufsethischen Unterricht und ist auch für das Pflegepersonal da. Eines ist für ihn allerdings klar: „Wenn ich mit Pflegenden über ihre Arbeitsbelastung spreche, ist das ein Herumdoktern an den Symptomen.“
Das Pflegepersonal müsste angemessen bezahlt werden, „ausreichend Nachwuchs würde bestimmt gefunden, wenn Pflegekräfte gleichgut wie zum Beispiel Lehrer bezahlt würden. Aber da wird seit 20 Jahren lediglich diskutiert und nicht substanziell gehandelt“, weist Richstein auf die seiner Meinung nach fehlende Lobby für die Pflegekräfte hin. Zwar habe es in der Coronazeit viel Lob und Anerkennung für das Personal gegeben, aber: „Deswegen arbeiten sie trotzdem oft jenseits der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.“
Grenzsituationen im menschlichen Leben haben Karl-H. Richstein schon immer interessiert, so hat er nach dem Studium der Theologie und Religionspädagogik ein Krankenpflegeexamen erworben und später berufsbegleitend BWL und Psychologie studiert sowie mehrere therapeutische Ausbildungen absolviert. Manches versteht er als Rüstzeug für den Klinikseelsorge-Alltag. In seiner Freizeit reist er gerne – und ist auch immer wieder einmal als Reiseleiter tätig. „Das kommt sicher wieder, wenn wir diese Krise überwunden haben. Weihnachten zeigt uns, dass wir trotz aller Beschränkungen darin nicht alleine sind.“