St. Georgen – Nein, Gamsbart und Lodenmantel sucht man hier vergeblich. Michael Rodgers stapft an der Langen Gasse oberhalb von Brigach am Waldrand entlang. Meistens mit dabei: Labradorhündin Maggie und, wenn es ernst wird, ein Gewehr mit Zielfernrohr. Michael Rodgers, der vielen in der Bergstadt auch als Künstler und Tierpräparator bekannt ist, kümmert sich seit gut drei Jahren als Jäger um die Wälder rund um St. Georgen.

Immer auf der Hut: Michael Rodgers ist leidenschaftlicher Jäger. Sein Revier umfasst ein weitläufiges Gebiet rund um Brigach. Dazu ...
Immer auf der Hut: Michael Rodgers ist leidenschaftlicher Jäger. Sein Revier umfasst ein weitläufiges Gebiet rund um Brigach. Dazu gehören die Wälder rund um die Lange Gasse bis zum Schweizermichelhof und zum Landgasthof Engel und die Wälder südlich von Brigach bis unterhalb der Sternenhöhe. Oft mit dabei ist auch Labradorhündin Maggie. | Bild: Küster, Sebastian

Erster Amerikaner mit Jagdschein

2015 hat er die Jägerprüfung erfolgreich abgeschlossen. "Laut den Prüfern war ich der erste Amerikaner, dem das gelungen ist", erzählt Michael Rodgers mit breitem US-englischem Akzent, jedoch nicht ohne Stolz. Monatelang hat er komplizierte deutsche Gesetzestexte gepaukt und Lehrbücher gewälzt. Seitdem ist er für ein weitläufiges Gebiet rund um Brigach verantwortlich. Rodgers hat das Gebiet vom Kohlbühl über die Lange Gasse bis hinunter zum Schweizermichelhof und zum Landgasthof Engel sowie die Wälder südlich von Brigach bis unterhalb der Sternenhöhe als Jagdrevier gepachtet. Dort ist er häufig unterwegs, vor allem nachts.

In USA mit der Jagd aufgewachsen

Aufgewachsen ist Michael Rodgers auf einer weitläufigen Farm in Wisconsin, zwei Autostunden nördlich von Chicago. Das Jagen hat er dort bereits in seiner Kindheit von seinem Großvater gelernt. Vor allem Hasen, Fasane und Enten hat er erbeutet. Zeitweise hatte er sogar einen zahmen Fuchs als Haustier. Immer wieder zieht es ihn auch in die Wildnis. Er war schon in Alaska auf der Jagd und immer wieder auch zum Fischen und zur Bärenjagd in der kanadischen Provinz Manitoba. Die Jagdreviere dort sind fernab von jeglicher Zivilisation und nur mit einem Wasserflugzeug zu erreichen. Bären gibt es dort so zahlreich, dass man am besten nur mit der Flinte zum Klohäuschen gehen sollte.

Ein Grizzlybär in den Wäldern von Kanada.
Ein Grizzlybär in den Wäldern von Kanada. | Bild: Erich Marek

Wildschweine erobern Schwarzwald

Bären gibt es im Schwarzwald freilich keine. Vor allem Rehe, aber auch viele Dachse und Füchse tummeln sich in den Wäldern. In den vergangenen Jahren sind zunehmend auch Wildschweine anzutreffen. "Es hat mich überrascht, dass immer wieder Rotten durchziehen, die Schäden anrichten", erklärt Rodgers. Er wird von den Landwirten beauftragt, die Population in Schach zu halten. Erst in der vergangenen Woche hat er in der Nähe der Langen Gasse eine Bache geschossen, die etwas mehr als zwei Zentner auf die Waage gebracht hat. "Dort, wo tagsüber Spaziergänger laufen, trifft man nachts auch gerne mal auf ein 100 Kilogramm schweres Wildschwein."

Als Jäger ist Michael Rodgers in ständigem Dialog mit Landwirten wie Manfred Henninger und Waldbesitzern. Vor allem Wildschweine richten ...
Als Jäger ist Michael Rodgers in ständigem Dialog mit Landwirten wie Manfred Henninger und Waldbesitzern. Vor allem Wildschweine richten immer wieder großen Schaden an. | Bild: Küster, Sebastian

Wildfleisch für lokale Metzgerei

Gejagt wird jedoch nicht zum Spaß. Erschießt Rodgers ein Tier, kommt es zu einer Metzgerei in der Gerwigstraße. Dort wird es gekühlt, bevor eine Fleischbeschau vorgenommen wird. Das Villinger Veterinäramt bekommt eine Probe, die auf Schadstoffe geprüft wird. Danach kommt das Fleisch in die Theke oder zu einigen Restaurants in der Region. Natürlich bleibt auch zum Eigenverzehr genug über. Ein selbstgeschossener Sonntagsbraten zählt für den zweifachen Großvater zu den besonderen Freuden.

Auf der Lauer: Als Jäger braucht man viel Geduld. Ab September wird es im Hochsitz nachts mitunter auch sehr kalt.
Auf der Lauer: Als Jäger braucht man viel Geduld. Ab September wird es im Hochsitz nachts mitunter auch sehr kalt. | Bild: Küster, Sebastian

Das Ökosystem in Balance halten

Anders als bei den feudalen Treibjagden früherer Zeiten geht es heute nicht mehr darum, besonders viele Tiere zu erlegen, sondern darum, das Ökosystem Wald im Gleichgewicht zu halten. Das betrifft nicht nur Tiere, sondern auch Pflanzen. "Rehe und Schweine haben keine natürlichen Feinde und breiten sich ohne die Jagd unkontrolliert aus. Das führt dann zu Wildverbiss an jungen Bäumen oder zu mehr Wildunfällen im Verkehr", weiß Rodgers. Deshalb ist er oft im Wald unterwegs, um etwa Jungbäume mit Kunststoffklammern auszurüsten, damit sie von Rehen nicht gefressen werden.

Zu den Aufgaben von Michael Rodgers zählt auch die Pflege des Waldes an sich. Die blauen Kunststoffklammern sollen die jungen Bäumchen ...
Zu den Aufgaben von Michael Rodgers zählt auch die Pflege des Waldes an sich. Die blauen Kunststoffklammern sollen die jungen Bäumchen vor Wildverbiss schützen. | Bild: Küster, Sebastian

Außerdem gehört es zu seinen Aufgaben, sich um verletzte oder getötete Tiere zu kümmern. Fünf Mal war er in diesem Jahr schon zu Wildunfällen im Straßenverkehr unterwegs. Auch ein junges Rehkitz, das von einem Mähwerk schwer verletzt wurde, musste er von seinen Qualen erlösen. Keine angenehme Aufgabe.

Wissen über den Wald weitergeben

Ein Anliegen ist es für Michael Rodgers, sein breites Wissen über den Wald und seine Bewohner weiterzugeben. "Es ist zum Beispiel sehr wichtig, im Wald darauf zu achten, wohin man tritt", erklärt Rodgers. Andernfalls könnten empfindliche Pflanzen zerstört werden. Auch Hunde sollten nicht ohne Weiteres frei herumlaufen. Vor allem sollten die Hinterlassenschaften der Haustiere unbedingt entsorgt werden. Dazu hat die Stadt an der Langen Gasse einen Mülleimer mit Plastiktüten bereitgestellt.

Auch Labradorhündin Maggie darf auf der Jagd nicht fehlen.
Auch Labradorhündin Maggie darf auf der Jagd nicht fehlen. | Bild: Küster, Sebastian

Scheuer Nager mit Bärenkräften

Eines seiner Lieblingstiere ist indes sehr scheu. "In meinem Revier leben einige Biber, die unter strengem Naturschutz stehen", erzählt Rodgers. Eines nachts traute er seinen Augen kaum. Nach einem lauten Krachen im Wald dachte der Jäger, dass sich womöglich eine Rotte Wildschweine nähert. Allerdings war es nur ein Biber, der eine ausgewachsene Fichte durch den Wald zu seiner Biberburg gezogen hat. Und auch der Begriff "Sauwetter" kommt nicht von Ungefähr. "Wildschweine sind sehr schlau und nur in der Dämmerung aktiv. Am liebsten sind sie bei Wind, Regen, Kälte und Sturm unterwegs. Dann können sie sich ungestört fortbewegen, ohne bemerkt zu werden."