Es gibt sie ganz selten diese Müllmänner, die man schon weitem lachen hört. Die einander necken. Und lässig gut gelaunt, die schweren Tonnen zum Müllwagen ziehen.
Wenn man Viorel Cojocariu sieht, kommt einem ein Gedanke: Bedeutet Müllwerker zu sein, wie es offiziell heißt, nicht vielleicht doch einen Traumjob zu haben?
„Wir mögen unseren Job wirklich“
„Ja“, lacht Viorel Cojocariu. „Wir mögen unseren Job wirklich.“ Es ist 11 Uhr und der St. Georgener packt zwei Croissants aus, lehnt sich an den Müllwagen und beißt ins Gebäck. „Pause“, schnauft er. „Endlich.“
Seit sechs Uhr morgens ist Cojocariu auf den Beinen und muss bei jedem Wetter ran. „Ich arbeite gern draußen“, sagt er. Und schüttelt den Kopf. Nein, ein Bürojob sei nichts für ihn. Die frische Luft täte ihm fehlen. Und die Arbeit als Müllwerker sei ja auch sicher. „Müll gibt‘s immer.“
Am schlimmsten ist der Schnee
Nur: Schlimm sein die Tage, an denen es so viel regnet, dass der Regen durch seine Klamotten gehe. Und noch schlimmer die Tage voller Schneefall.
„Wir“ – Cojocariu arbeitet für die Firma Kaspar aus St. Georgen – „holen auch in Furtwangen, Schonach oder Schönwald den Müll ab“, wo im Winter allein der Schnee schon ziemlich hoch sei, „erst recht, wenn der Schneepflug ihn zur Seite geschoben hat.“
Was heißt: „Wir müssen die schweren Eimer über die riesen Schneeberge hieven.“ Der 42-Jährige macht eine ausladende Geste, als müsste er den Müll jetzt schon schleppen. „Das ist Knochenarbeit.“

Es ruckelt. Fahrer Roland Lupfer hat das Müllauto wieder gestartet. Und Cojocariu weiß: Die Pause ist vorbei. Rasch zieht er zwei Gelbe Tonnen, die heute geleert werden, zu sich. So schnell, dass es einfach, ja fast schon elegant ausschaut.
1000 Eimer am Tag muss Cojocariu leeren
„Papiertonnen sind viel schwerer: Die wiegen manchmal so um die 100 Kilo“, sagt Cojocariu – und erahnt, was man denkt: Der Mann muss Kraft haben. Nicht ganz falsch, meint er. „Aber eigentlich brauchst du Ausdauer und Technik“. Bei fast 1000 Eimer am Tag, die es für den St. Georgener zu leeren gibt.
Die erste Tonne hat Cojocariu am Heck des Wagens befestigt. Und mit einem Zischen schnellt sie in die Höhe. Was dieses Geräusch in ihm auslöst? Der 42-Jährige lächelt. „Alles in Ordnung“, sagt er. Denn: der Müll macht ihm jetzt keine Probleme mehr. Im Inneren wird er von einer Presse zusammengedrückt, damit der Wagen möglichst viel verschlingen kann.
Und während erst die zweite Tonne geleert, dann beide wieder zurückgestellt werden, erzählt Cojocariu seine Geschichte.
Erzählt, wie er einst in Rumänien auf dem Bau schuftete, nach Deutschland, nach St. Georgen kam und hier sein Glück versuchte. „Ich dachte damals, ich bleibe nur drei Jahre.“ Inzwischen ist er seit fast sechs Jahren in St. Georgen – und es sollen noch weitere werden. „Die Arbeit macht Spaß“, sagt er. Und seiner Familie gefalle es hier.
„Gleich fahren wir rückwärts“, ruft Roland Lupfer, da hat Cojocariu schon die nächsten Tonnen herangezogen. Lupfer schaut auf die kleinen Monitore neben sich. Sechs Kameras zeichnen das Geschehen am Heck des Müllwagens auf. Lupfer sieht, wo Cojocariu steht – auch, wie die Tonnen geleert werden.
Schließlich geht die Sicherheit geht vor.
Deswegen gibt es auch gleich mehrere Sicherheitssysteme: Sobald Cojocariu auf dem Tritt hinten am Heck steht, darf Lupfer nur 30 Kilometer pro Stunde fahren. Und wenn es ans Rückwärtsfahren geht, darf Cojocariu – aus Sicherheitsgründen – gar nicht erst auf den Tritt.
Sicherheit geht vor
Deswegen der Ruf des Kollegen. „Damit er schon Bescheid weiß. Gleich nicht aufsetzen“, sagt Lupfer und zeigt auf sein Tablet. Alle Straßen, die er abfahren müsse, seien darin gespeichert.

„Brauche ich aber nicht“. Er kenne die Strecken, die Dörfer im Schwarzwald. „Das ist alles hier drin“, sagt er und zeigt auf seinen Kopf. Seit 17 Jahren holt der Müll in der ganzen Region ab, da hätten sich ihm die Strecken, aber auch die Zahl der Mülltonnen, und die Probleme, die ihm manche Gebiete bereiteten – etwa zugeparkte Wohngebiete oder drängelnde Autofahrer –ins Gedächtnis gebrannt.
Ein kalter Wind weht durch die Gegend, als Lupfer rückwärtsfährt. Cojocariu scheint das nicht zu stören. „Passt schon“, sagt er. „Könnte kälter sein.“ Er ist es eben gewohnt, bei Wind und Wetter zu arbeiten.
Als ihm später ein paar Kinder begegnen, die dem Müllwagen nachschauen, wird dem 42-Jährigen ganz warm ums Herz. „Ciao“, lacht er und winkt den Kindern zum Abschied. Und es scheint, als mag er seinen Job. Wirklich.
Die Unsichtbaren: Unsere Serie
Kassierer, Putzkräfte, Müllwerker, Techniker, Lastwagenfahrer: Viele Menschen, die unsere Infrastruktur am Laufen halten oder dafür sorgen, dass unser Leben schöner, einfacher wird, werden im Alltag kaum beachtet. Mit dieser Serie wollen wir ihre Arbeit sichtbar machen. Sie haben einen dieser Jobs? Oder kennen jemanden, dessen Arbeit wertvoll, aber viel zu unsichtbar ist? Dann schreiben Sie mir an daniela.biehl@suedkurier.de
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