Die Telefone stehen kaum still, für viele der Anrufer ist in den St. Georgener Arztpraxen am Freitagmorgen kein Durchkommen. Durch den Wegfall der Priorisierung für sämtliche Corona-Impfstoffe in den Arztpraxen ist die Nachfrage nach Terminen nun nochmals gestiegen. Viele versuchen ihr Glück. Es entsteht eine Nachfrage, die kaum bedient werden kann.
„Verschieben des Schwarzen Peters“
Mit der Entscheidung seien, so sagt Hausarzt Volker Isak, Erwartungen bei den Patienten geweckt worden. Doch erfüllen kann er sie vorerst nicht. „Durch diese Entscheidungen haben wir nicht mehr Impfstoff zur Verfügung“, sagt Isak. Für ihn folglich ein „Verschieben des Schwarzen Peters“, weil er Menschen, die zwar einen Anspruch hätten, immer noch keinen Termin anbieten kann. Der Mediziner sagt: „In meiner Praxis wird in der kommenden Woche keine Erstimpfung mit Biontech stattfinden können.“ Und das, obwohl nun eine noch größere Anzahl seiner Patienten versucht, einen Termin zu bekommen. „Viele kommen erst gar nicht durch“, sagt er.
Dadurch steigt die Belastung für Isak und sein Team nochmals. Der Arzt spricht von einer „erheblichen Mehrbelastung“. Einen Tag in der Woche, immer am Mittwoch, sei er nur mit dem Impfen beschäftigt und stehe ansonsten nur für Notfälle zur Verfügung. Dass die Priorisierung nun für alle Impfstoffe wegfällt, ist zumindest in einer Hinsicht eine Erleichterung. Es verringert den bürokratischen Aufwand, genau zu prüfen, wer schon geimpft werden kann. Ohnehin sei Volker Isak in seiner Praxis schon recht weit. Mit den Impfungen für über 60-Jährige sei man fast durch.
Vom Impfstoff von Astrazeneca habe Isak „nicht so viel bestellt“. Er schätzt, dass er damit in der kommenden Woche 20 bis 30 Personen impfen kann. Wie viele es genau sind, müsste er erst im vollen Terminbuch nachsehen. Hinzu kommen noch etwa 100 Zweitimpfungen mit dem Stoff von Biontech.
„Frustrierend für alle“
Oliver Freischlader, der seine Praxis im Medizinischen Diagnose- und Therapie-Zentrum (MTZ) betreibt, steht vor einer ähnlichen Situation. Viele dürften sich impfen lassen, fragen auch danach, aber der Impfstoff reicht bei Weitem nicht aus. „Diese Situation ist für alle frustrierend“, sagt er. Den Wegfall der Priorisierung in Arztpraxen sieht er deshalb kritisch, weil es derzeit nur die Arbeit erschwere. Es rufen viel mehr Leute an, die bisher keine Berechtigung hatten, mehr Impftermine kann er aber nicht vergeben. „Wir impfen derzeit noch die letzten Personen aus den Priorisierungsgruppen eins und zwei“, so Freischlader.
30 Dosen Astrazeneca und sechs Dosen Biontech stehen für kommende Woche zur Verfügung. Dazu kommen Zweitimpfungen. Der Arbeitsaufwand hat sich für Oliver Freischlader und sein Praxisteam erheblich erhöht. Zwei Stunden pro Tag am Telefon – nur für Corona. Er selbst arbeite normalerweise 50 Stunden die Woche, jetzt seien es 70. Davon 30 Stunden für das Thema Corona.
Von Politik alleine gelassen
In den Tenor seiner beiden Kollegen stimmt auch Johannes Probst, der eine Gemeinschaftspraxis führt, ein. „Mir sind die Hände gebunden“, sagt er. Er bekomme in der kommenden Woche keinen Biontech-Impfstoff für Erstimpfungen, gleichzeitig steige die Nachfrage. „Ich fühle mich von der Politik alleine gelassen“, sagt er. Die Entscheidung für den Wegfall der Priorisierung falle folglich in einen sehr ungünstigen Zeitraum. Gleichzeitig sei die Verimpfung des Astrazeneca-Impfstoffs komplex. Der Bedarf an Aufklärung sei hoch und koste jeweils rund 15 Minuten pro Patient.