Die Vorwürfe wiegen schwer: Ein Hausverwalter soll sich über Jahre hinweg an Konten von Wohnungseigentümern bedient haben. Besondere Brisanz gewinnt der Fall dadurch, dass der Mann zugleich Finanzbeamter ist. Ein Umstand, der ihm womöglich in zahlreichen Hausgemeinschaften einen Vertrauensvorschuss bescherte. 

Hausverwaltung wechselt

Der Fall war ins Rollen gekommen, nachdem „MD Hausverwaltung & Immobilien“ von Danijela Neducic aus Schwenningen vor gut einem Jahr die Verwaltung einer Wohnanlage am Villinger Warenberg übernommen hatte. Die dortigen Bewohner waren bereits seit Längerem unzufrieden mit dem Verwalter und hatten Unstimmigkeiten bemerkt, weshalb sie den Vertrag mit ihm kündigten.

Mühevolle Kleinarbeit

Als Danijela Neducic ihre Arbeit aufnahm und in mühevoller Kleinarbeit die Unterlagen aufarbeitete, fand sie heraus, dass der Finanzbeamte, der seine Hausverwaltung als Ein-Mann-Firma als Nebenerwerb betreiben soll, sich wohl über Jahre hinweg an Konten bedient haben soll. „Hätte ich vorher gewusst, was auf uns zukommt, hätte ich den Auftrag nicht übernommen“, sagt sie.

Immenser Aufwand

Der zeitliche Aufwand für die Aufarbeitung lasse sich kaum beziffern. „Mein Mann und ich haben unzählige Abende damit verbracht, die Unterlagen aufzuarbeiten.“ Allein das Sortieren der Unterlagen aus einem Jahr für ein Objekt nehme etwa zwei Stunden Zeit in Anspruch. „Und dann ist noch nichts geprüft und in den PC eingegeben.“

Verwalter will abrechnen

Danijela Neducic hatte sich bei der Übernahme der Objekte schon gewundert, warum der bisherige Verwalter die Abrechnung für das Jahr 2018 selbst übernehmen wollte. Üblicherweise werde dies bei einem Wechsel der Hausverwaltung vom Nachfolger übernommen.

Unbekanntes Konto

Rechtsanwältin Harriet Stefani, die alle betroffenen Wohneigentümergemeinschaften (WEG) am Warenberg vertritt, hat einen derartigen Fall noch nicht erlebt: „Nicht in diesem Umfang und in diesem Ausmaß.“ Am Warenberg geht es konkret um ein Konto, über das die gemeinsame Warm- und Kaltwasserversorgung der Eigentümergemeinschaften abgewickelt wurde.

Um 4500 Euro überzogen

„Dieses Konto lief auf eine WEG, die von dessen Existenz aber gar nichts wusste“, sagt die Rechtsanwältin. In den Jahren 2011 bis 2016 sei es – mit einer Unterbrechung im Jahr 2013 – immer wieder zu Barentnahmen von diesem Konto gekommen: „Mal war es ein Kleinbetrag, aber auch mal eine fünfstellige Summe“, sagt Harriet Stefani. „Unterm Strich 77 000 Euro.“ Dieses Konto, sagt Danijela Neducic, sei bei der Übernahme der Hausverwaltung 4500 Euro in den roten Zahlen gewesen.

Mehrere Zivilklagen

Was ist mit diesem Geld geschehen? Rechtsanwältin Stefani: „Das hat der Verwalter bisher nicht gesagt.“ Beim Gerichtstermin – gegen den Mann laufen laut der Juristin mehrere Zivilklagen betroffener Eigentümer – lasse er sich derzeit durch seinen Anwalt vertreten. Zunächst habe man versucht, sich außergerichtlich zu einigen, sagt Harriet Stefani. Er sei aufgefordert worden, sich zum Verbleiben des Geldes zu äußern. „Er hat überhaupt nicht reagiert.“

Keine Stellungnahme

Der Verwalter selbst war zu einer Stellungnahme nicht bereit. Eine diesbezügliche schriftliche Anfrage des SÜDKURIER wurde innerhalb einer Woche nicht beantwortet.

Sammelüberweisungen

Verkompliziert werde der Fall durch die Tatsache, dass vorwiegend Sammelüberweisungen getätigt worden seien, schildert Harriet Stefani. Auf dem Kontoauszug erscheine damit ein Betrag, der keinen konkreten Bezug zu einem Vorgang habe. „Hinter diesem Betrag stehen mehrere bis sehr viele Einzelpositionen, die nicht ersichtlich sind, sondern aus dem Verwaltungsordner zusammengesucht werden müssen“, erklärt die Juristin.

Unterlagen liegen nicht vor

Diese den Eigentümergemeinschaften zustehenden Unterlagen wiederum seien bis heute nicht komplett herausgegeben worden, bemängelt die Anwältin. „Zunächst musste auf die Herausgabe der Unterlagen geklagt und der Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragt werden“, schildert Stefani.

Anwältin stellt Strafanzeige

Nach einer von ihr gestellten Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Konstanz wurden dort inzwischen Ermittlungen eingeleitet, bestätigt Sprecher Andreas Mathy. Zu Details könne er sich derzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern.

Rechnungsprüfung unmöglich

Auch in der Wohnanlage am Eisweiher haben sich mehrere WEG von dem Hausverwalter getrennt. „Wir sind heilfroh, eine Übereinkunft getroffen zu haben“, sagt ein Eigentümer, der zugleich Beiratsmitglied der Eigentümergemeinschaft ist. Ob und wie viel Geld auf den Konten dieser Gemeinschaft fehle, könne man derzeit nicht sagen: „Der Verwalter hat alles verhindert, was eine Rechnungsprüfung ermöglicht.“ Konkret fehlen Unterlagen aus mehreren Wirtschaftsjahren, den Beiratsmitgliedern sind somit die Hände gebunden.

Seit Langem unzufrieden

Man sei schon seit Längerem mit der Arbeit des Verwalters unzufrieden gewesen, berichtet er. Der Verwalter sei unzuverlässig gewesen, Nebenkostenabrechnungen beispielsweise hätten mehrfach angemahnt werden müssen, Eigentümerversammlungen seien nicht turnusgemäß einberufen worden.

Vertrag nicht verlängert

Hellhörig wurde der Beirat, als die Runde machte, dass es in anderen Wohnanlagen – insgesamt soll der Mann annähernd 1000 Wohnungen in der Region verwaltet haben – zu Unstimmigkeiten gekommen sein sollte. Im Frühjahr vergangenen Jahres einigte man sich darauf, den Vertrag nach dessen Ablauf Ende September nicht wieder zu verlängern. Dass der Verwalter schnell auf diese Lösung einstieg, verwundert das Beiratsmitglied nicht: „Ein weiterer Baustein in diesem ganzen Drama.“

Heizung nicht angemeldet

Wie sich herausstellen sollte, waren noch weitere Versäumnisse aufgelaufen: Eine neue Heizungsanlage, die im Frühjahr 2019 in einem der Gebäude installiert wurde, sei nicht ordnungsgemäß bei der unteren Baurechtsbehörde angemeldet worden, wie der Schornsteinfeger überrascht feststellte.

Aufzüge ohne Wartung

Auch seien die Wartungsverträge für Aufzüge in mehreren Häusern nicht bezahlt worden. Deshalb wiederum wurden wohl diverse Softwareupdates in den Fahrstühlen nicht aufgespielt. Die Folge: Die Aufzüge laufen aktuell nicht einwandfrei, fallen häufig aus oder bleiben stecken, schildert ein Beirat der Bewohnergemeinschaft am Villinger Eisweiher.

Schwierige Nachfolgersuche

Mittlerweile habe man eine neue Hausverwaltung gefunden. Kein leichtes Unterfangen, da mehrere Verwaltungen abgewunken hatten, weil sie von besagtem Verwalter keine Wohnanlagen hätten übernehmen wollen, schildert das Beiratsmitglied.

„Froh, dass wir ihn los sind“

„Wir sind froh, dass wir ihn los sind“, sagt die Bewohnerin einer weiteren Eigentümergemeinschaft. Sie kenne den Verwalter noch aus ihrer früheren Hausgemeinschaft in der Villinger Hammerhalde. Schon damals habe es Unstimmigkeiten gegeben; etwa, als eine Beschädigung an einer Verkleidung am Haus der Haftpflichtversicherung der WEG gemeldet worden sei und nicht der Versicherung des Verursachers, einem Hausbewohner.

E-Mail bleibt unbeantwortet

Die Frau wartet bis heute auf eine Antwort auf eine E-Mail vom Juli 2019. Darin hatte sie den Verwalter aufgefordert, ihr verschiedene Fragen zur Hausgeldabrechnung 2018 zu beantworten. Das Schreiben liegt dem SÜDKURIER vor.

Fragen zu gestiegenen Kosten

Unter anderem wollte die Eigentümerin wissen, warum die Kosten für die Schneeräumung trotz eines milden Winters im Vergleich zum Vorjahr von 119 auf 420 Euro gestiegen seien. Auch hakt sie in ihrer Mail nach, warum sich die Kosten für den Kabelanschluss innerhalb eines Jahres um rund 500 Euro auf 2100 Euro erhöht hätten. „Und ich frage mich, ob das Finanzamt da jemals nachgehakt hat“, sagt sie hinsichtlich des Hauptberufs des Mannes. „Ein Beamter darf meines Wissens doch nur bis zu einer gewissen Grenze Geld hinzu verdienen.“

Genehmigung erforderlich

Zuständig für die Genehmigung einer Nebentätigkeit bei Finanzbeamten seien die jeweiligen Dienstvorgesetzten, also die Vorsteher, sagt Grit Erichsen von der Pressestelle der Oberfinanzdirektion Karlsruhe.

Untersagt werden könne eine Nebentätigkeit unter anderem, wenn die zeitliche Inanspruchnahme des Beamten ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreite. Bei einer 41-Stunden-Woche, wie bei Beamten in Baden-Württemberg üblich, wären das 8,2 Stunden. Fraglich erscheint, ob der Mann die Verwaltung von rund 30 Objekten mit annähernd 1000 Wohnungen in acht Wochenstunden bewerkstelligen konnte.