Die Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts für VS brachte interessante Erkenntnisse und Empfehlungen. Die Gutachter des Fachbüros Acocella aus Lörrach berichten in ihrer aktuellen Studie von „mieser Stimmung“ im Schwenninger Einzelhandel, von Strukturproblemen vor allem in Schwenningen, aber auch einigen in Villingen. Deutlich wurde aber auch: Der Online-Handel ist nicht schuld an allem Übel, er macht den Experten zufolge nur zehn Prozent des örtlichen Handelsvolumens aus.
- Flächenzuwachs vorbei: An der Händlerbefragung in der Gesamtstadt haben sich 550 Einzelhandelsbetrieb beteiligt, die eine Verkaufsfläche von insgesamt 230.000 Quadratmeter aufweisen. „Der große Flächenzuwachs im Einzelhandel ist jetzt vorbei“, berichtete Gutachterin Antje Schnacke-Fürst, die das Gutachten den Mitgliedern des Gemeinderates vorstellt. Die kleinen Einzelhandelsbetriebe verschwinden zunehmend, die Fläche pro Betrieb wächst. Ansonsten könnte es dem Handel eigentlich gut gehen. Denn die heimische Kundschaft kauft zu 80 Prozent in der Stadt ein. Vor allem, weil es außer dem Gewerbegebiet Bad Dürrheim keine große Konkurrenz im Umland gibt.
- Miese Stimmung: Dennoch gibt es keinen Jubel im Einzelhandel. Ungeschminkt berichtete die Gutachterin von „mieser Stimmung im Schwenninger Einzelhandel„. 55 Prozent der befragten Händler sehen laut Umfrage nichts Positives am Standort Schwenningen. Das ist ein katastrophales Ergebnis, wenn man berücksichtigt, dass 88 Prozent der Händler mitgemacht haben. Vor allem die Auswahl und das Angebot des Einzelhandels werden negativ beurteilt, ebenso Atmosphäre und Aufenthaltsqualität der Innenstadt. Die Leerstände haben sich in den letzten zehn Jahren deutlich erhöht.
- Leerstände bekämpfen: Atmosphäre und Aufenthaltsqualität in Villingen wird von den Händlern und Gutachtern indes sehr positiv bewertet. Das Stadtbild ist attraktiv. Es gibt aber auch hier Probleme. Beispielsweise die Leerstände in den Hauptlagen der Innenstadt. Die sollten, so die Gutachter, von der Stadt systematisch betreut und wieder mit Leben gefüllt werden. Auch die Leerstände in den Nebenstraßen sollte die Stadt aktiv angehen und dort neue Nutzungen wie attraktives Wohnen fördern.
- Toter Münsterplatz: Ein strukturelles Problem in Villingen, konstatiert Gutachterin Antje Schnacke-Fürst, seien die kleinteiligen Gebäudestrukturen der Altstadt. Sie seien schwierig für den Einzelhandel. Die Stadt sollte „hier dranbleiben“ und Immobilien für den Handel zu größeren Einheiten weiterentwickeln. Ein weiteres Problem: Der Münsterplatz. „Der hat nicht wirklich eine lebendige Atmosphäre“, verwies sie auf tote Flächen und Leerstände.
- Schlechte Beschilderung: Ein weiteres Problem, das vom Villinger Einzelhandel immer wieder auf den Tisch kommt, ist die Erreichbarkeit und zentrumsnahes Parken. Das sollte die Stadt noch einmal überprüfen, so die Empfehlung. Außerdem bemängelte die Gutachterin: Die Innenstädte von Villingen und Schwenningen seien für Auswärtige nicht eindeutig ausgeschildert.
- Schwenninger Probleme: Zurück nach Schwenningen: Der geplante Neubau eines großen Einkaufszentrums anstelle des alten Rössle-Zentrums wird für den Handel „nicht leicht zu verkraften sein“, sagte Schnacke-Fürst. Das HBB-Projekt sollte keinesfalls größer werden als das, was jetzt vorgeschlagen sei. Doch wie kann das künftige Einkaufszentrum, so es tatsächlich gebaut wird, zur Belebung der Innenstadt und des weiteren Einzelhandels beitragen? Die Gutachterin stellte fest, dass Schwenningen viele attraktive Punkte habe wie den Muslenplatz, das Uhrenindustriemuseum, den Marktplatz, der Mauthe-Park und anderes. Ziel müsse es sein, diese Punkte „hochattraktiv“ zu verbinden und zu vernetzen. Andernfalls werde die Innenstadt nicht profitieren und das Einkaufszentrum werde eine „reine Sogwirkung“ entfalten.
- Kritik am Marktplatz: Eine attraktive Innenstadt, so dozierte die Expertin, brauche Plätze mit Aufenthaltsqualität, die den Besucher zum Bummeln und Verweilen einlädt. Ein weiterer Satz der Gutachterin dürfte den Stadträten durch Mark und Bein gefahren sein. „Ich habe die Neugestaltung des Schwenninger Marktplatzes nicht verstanden“, gab sie zu Protokoll. Dies, obwohl die Stadt dort gerade acht Millionen Euro in die Umgestaltung investiert. Generell gelte: „Es reicht nicht, dass man in der Innenstadt an der ein oder anderen Stelle was macht.“ Die Gestaltung müsse langfristig erfolgen, es brauche ein städtebauliches Konzepts.
- Flöß für City-Management: Zustimmung kam von Stadtrat Andreas Flöß (FWV). „Wir brauchen jemand, der sich dieser Dinge annimmt“, sagte er. Ein City-Management wäre „ganz wichtig“ für VS. Er forderte einen „Masterplan“ für die Entwicklung der Innenstädte. Zustimmung auch von OB Jürgen Roth: Ein städtebauliches Konzept befinde sich bereits „in der finalen Abstimmung“ und werde bald präsentiert.