Ein politisches heißes Thema ist aktuell der Wohnungsbau. Wie groß ist die Wohnungsnot, wie viel Landschaftsverbrauch soll es noch für Bauland geben, welche Baulücken sollen im Stadtbereich geschlossen werden und darf man dafür Grünflächen opfern? Nur einige Fragen, denen sich die Mitglieder des Gemeinderates stellen müssen.

Die verunsicherten Entscheidungsträger müssen soziale und ökologische Gesichtspunkte mit Wohnqualität und den Wünschen von Bürgern unter einen Hut zu bringen. Zur Meinungsbildung hat die Stadtverwaltung jetzt eine Aufstellung zusammengestellt, wie viele Wohnungen in den nächsten Jahren gebaut werden. Ergänzt man diese Zahlen durch die bereits begonnen großen Baugebiete, so entstehen in VS aktuell und in den nächsten Jahren schätzungsweise zwischen 3000 und 3700 neue Wohneinheiten. „Die dargestellten Entwicklungsflächen decken den Bedarf an Wohnbauflächen für mindestens die nächsten fünf bis zehn Jahre“, lautet dazu die Einschätzung aus der Stadtverwaltung.

Stadträtin Cornelia Kunkis von den Grünen hat diese Zahlen von der Verwaltung angefordert. Denn gerade die Grünen, aber auch die CDU-Fraktion, fühlten sich bei der laufenden Debatte um die vorgeschlagene Bebauung einer Grünfläche im Villinger Kurgebiet und in der Hammerhalde (mittlerweile abgelehnt) überfordert. Die Frage, die sich stellt: Müssen Grünflächen im Stadtbereich aktuell überhaupt zugebaut werden, oder reichen die bisherigen Planungen aus, um den Wohnraumbedarf in den nächsten Jahren zu decken?

Angesichts der Zahlen hat die Grünen-Stadträtin den Eindruck, dass im Moment kein Bedarf bestehe, beispielsweise im Kurgebiet eine Wiese mit 4,3 Hektar zu bebauen. Und auch die eingemeindeten Dörfer sind nach ihrer Ansicht durch den neuen OB ausreichend mit neuen Wohngebiete versorgt worden. Es seien inzwischen „genug Wahlgeschenke“ an die kleinen Stadtbezirke gemacht worden, kritisiert Kunkis. Jetzt gehe es darum, ein Konzept für die Innenentwicklung der Städte zu erstellen. Dies müsse im Gemeinderat breit diskutiert werden.

Druck machen auch die großen Sozialverbände wie Caritas und Diakonie. Sie fordern, dass die Stadt mit Nachdruck handeln müsse, damit kostengünstiger Wohnraum entsteht. Nach einer Erhebung in der „Wohnraumstrategie“ der Stadt müssten in VS zwischen 2015 und 2030 rund 5700 neue Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf einer wachsenden Bevölkerung zu decken. Bis zum Jahr 2025 werden nach diesem Papier außerdem zwischen 870 und 1120 geförderte Mietwohnungen benötigt, um für Sozialhilfe-Empfänger und einkommensschwache Schichten Wohnungen anbieten zu können. Doch hier tut sich bereits etwas: Auf dem Gelände „Alte Ziegelei“ in Schwenningen (103), Lyautey (20), Eschelen (63), Sperberfair (18), Mangin (210) und Lämmlisgrund (390) werden derzeit in größerem Stil Sozialwohnungen gebaut oder sind für die nächsten Jahre in Planung. Offen ist, ob dies ausreicht, um den Bedarf zu decken. Daher lässt der Gemeinderat aktuell überprüfen, ob die Stadt dank eines neuen Landesförderprogramms selbst in den Sozialwohnungsbau einsteigen soll.

Boomzeit herrscht dagegen im privaten Bausektor. Bauträgergesellschaften aus Nah und Fern haben die Doppelstadt als lukrativen Wohnungsmarkt entdeckt und wollen hier in großem Stil vor allem in Eigentumswohnungen investieren. Auch dies dürfte den Wohnungsmarkt insgesamt entspannen. Und schließlich hat der Gemeinderat den kleinen Stadtbezirken reihum neue Baugebiete für Einfamilienhäusern zugestanden. Hier eine Übersicht über die geplanten Wohnbauvorhaben:

  • Villingen: Rund 550 neue Wohneinheiten sind auf dem ehemaligen Kasernengelände Lyautey in Villingen geplant. Die Deutsche Bauwert AG wird hier sieben denkmalgeschützte Kasernengebäude sanieren und acht Mehrfamilienhäuser bauen. Geplant sind rund 330 neue Wohneinheiten. Demnächst wrid auch der zweite Investor von der Nordseite aktiv werden. Ab 2021 will die Immobiliengruppe Richter gemeinsam mit dem Baukonzern Ten Brinke insgesamt rund 250 neue Wohneinheiten bauen. Auf dem benachbarten Kasernengelände Mangin werden durch das „Bündnis für faires Wohnen“ rund 650 Mietwohnungen geplant. In der Vöhrenbacher Straße auf dem einstigen Klinikparkplatz sind 90 neue Wohnungen durch die Baugenossenschaft Familienheim vorgesehen. In den Erbsenlachen sollen neun alte Wohnblocks saniert und aufgestockt werden (118 Wohneinheiten). Auf dem alten Krankenhausgelände (Wohngebiet „Friedrichspark“) wurden bisher rund 175 Wohnungen gebaut, rund 225 weitere sollen in den nächsten Jahren folgen.
  • Schwenningen: Im Wohngebiet Strangen II sind 50 bis 70 neue Wohnungen in Planung, auf dem alten Krankenhausgelände (Wohngebiet „Eschelen“) läuft jetzt der Wohnungsbau für rund 370 Wohneinheiten an. Auf der „Alten Ziegelei“ an der Villinger Straße wachsen derzeit rund 160 Wohneinheiten in die Höhe.
  • Ortschaften: In Obereschach sind „Ob den Gärten-Nord„ 19 bis 28 Bauplätze geplant, in Pfaffenweiler im Gebiet Gassenäcker oder alternativ im Gewann „Käsacker“ zwischen 30 und 100 Bauplätze, in Weigheim im „Bildstock II“ zwischen 54 und 84, am Schlegelberg in Weilersbach 77 bis 100, in Herzogenweiler in den „Oberen Äckern“ 29 bis 58, in Rietheim am Holenbach 21 bis 44 und in Tannheim am „Kirchacker“ 7 bis 15 Bauplätze.
  • Zentralbereich: Dort soll in den nächsten Jahren auf 26 Hektar das Neubaugebiet „Lämmlisgrund“ entwickelt werden, das 800 bis 1100 Wohneinheiten aller Art beherbergen soll.
  • Optionsflächen: In Villingen kann die Stadt noch die 4,3 Hektar große Wiese im Kurgebiet bebauen. Nach Widerständen der Anlieger und im Gemeinderat hat die Verwaltung ihre Planung zurückgezogen, dort rund 170 Wohneinheiten zu realisieren. 2020 soll eine neue Planung auf den Tisch kommen. Auf dem ehemaligen Saba-Areal ist auf 2,6 Hektar ebenfalls eine Wohnbebauung angedacht. Die Zahl der Wohnungen steht noch nicht fest.