Badia Ihlenfeld durchschreitet mit langen Schritten das Erdgeschoss der ehemaligen Werkhalle von Burger Spritzguss in der Goldenbühlstraße 12. Ihre Hand zeigt nach rechts. „Hier kommt das Café hin“. Ein paar Meter weiter: „Und hier die Patisserie.“ Die Hand geht nach vorne: „Und dort das Frisörgeschäft. Dahinter eine Kosmetikerin.“

Zack, zack, zack. So geht es mit der quirligen Powerfrau durch die Räume. Und am Ende des Cafés, so berichtet sie, da entsteht ihr Showroom – für ihr eigenes Einrichtungsstudio.

Dieser Entwurf des Schwenninger Architekten Steffen Halder zeigt, wie die Artfactory mit ihren zwei Gebäuden nach Fertigstellung ...
Dieser Entwurf des Schwenninger Architekten Steffen Halder zeigt, wie die Artfactory mit ihren zwei Gebäuden nach Fertigstellung aussehen sollen. Vor dem rechten Gebäude an der Goldenbühlstraße ist am Haupteingang ein Café mit Außenbewirtschaftung geplant. | Bild: Steffen Halder

In dem Gebäude in der Goldenbühlstraße herrscht Aufbruch in eine neue Epoche: Der 70 Jahre alte Industriebau wird völlig umgekrempelt. Ebenso sein Zwillingsgebäude, das auf Rückseite steht.

Die längst trostlosen 50er-Jahre Zweckbauten, die nach der Burger-Insolvenz im Jahre 2001 lange vernachlässigt wurden, sollen jetzt zu einem stylischen Gewerbepark modernisiert werden, der seinesgleichen in Villingen-Schwenningen sucht.

Blick von der Vockenhauser Straße auf das Hauptgebäude und den Zwischenbau.
Blick von der Vockenhauser Straße auf das Hauptgebäude und den Zwischenbau. | Bild: Stadler, Eberhard

Didi – das Herz und der Motor im Haus

Herz und Motor vor Ort ist Badia Ihlenfeld (51), die hier alle nur „Didi“ nennen. Die charismatische Französin, die schon lange in Villingen-Schwenningen lebt, hat sich als Künstlerin und Innen-Designerin unter ihrem Mädchennamen Azabo einen Namen gemacht. Mit „Azabo Interieur“ betreibt sie seit über 20 Jahren ihr eigenes Planungs- und Einrichtungsstudio.

Badia Ihlenfeld: „Ich möchte die Leute inspirieren und was Schönes machen.“
Badia Ihlenfeld: „Ich möchte die Leute inspirieren und was Schönes machen.“ | Bild: Stadler, Eberhard

Inzwischen brennt sie für ihr neues Projekt: Den Umbau der beiden Burger-Industriebauten. „Artfactory“ heißt das Projekt – zu deutsch Kulturfabrik.

Der Name ist Programm: Hier soll nicht nur gearbeitet, sondern nach der Arbeit auch gelebt und gefeiert werden. Hier sollen nicht nur Gewerbe und Dienstleistungen erblühen, sondern auch soziales Leben, Kultur und Kunst.

Im Umbau befindet sich das Gebäude in der Goldenbühlstraße 12. Aus Burger Spritzguss wird „Artfactory“. Oben wurde ein zusätzliches ...
Im Umbau befindet sich das Gebäude in der Goldenbühlstraße 12. Aus Burger Spritzguss wird „Artfactory“. Oben wurde ein zusätzliches Dachgeschoss aufgesetzt. | Bild: Stadler, Eberhard

Gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner, dem Schwenninger Architekten Steffen Halder, hat die 51-Jährige die Halder & Ihlenfeld GmbH im März 2023 gegründet und einen größeren Kredit aufgenommen. Dann haben sie, mit viel Leidenschaft und Mut zum Risiko, die Immobilien gekauft und im März 2023 mit der Modernisierung angefangen.

Die Vision von Leben und Arbeiten

Wenn „Didi“ von ihrer gemeinsamen Vision spricht, dann leuchten ihre Augen. Und es sprudelt aus ihr heraus. Sie will hier ein großstädtisches Konzept umsetzen, eine bunte Mischung von Dienstleistern, Gewerbetreibenden verschiedenster Branchen.

Entstehen soll ein Netzwerk von Kreativen, die zu einer echten Hausgemeinschaft verschmelzen. Sie will hier gemeinsam Veranstaltungen und Konzerte auf die Beine stellen, Sommerfeste und Afterwork-Partys im Innenhof. Hier zu arbeiten soll Spaß machen.

Blick von der Stadtbrücke auf die Artfactory. Die neue Fassade im modernen Backstein-Industrie-Style bringt eine städtebauliche ...
Blick von der Stadtbrücke auf die Artfactory. Die neue Fassade im modernen Backstein-Industrie-Style bringt eine städtebauliche Aufwertung in die gewerbliche Szenerie der Goldenbühlstraße. | Bild: Stadler, Eberhard

Die beiden Partner Ihlenfeld und Halder kümmern sich um fast alles selbst: Die Planung, die Hausverwaltung, die Bauleitung. Und weil die Designerin und der Architekt überzeugt sind, dass Kreativität vor allem in einem attraktiven Umfeld gedeihen kann, legen sie Wert auf die Ästhetik. Die neue Fassade im rötlichen Backstein-Industrie-Look soll ein Hingucker werden.

Auch innen geben sich die Investoren alle Mühe. Die Räume wirken luftig und loftig. Schallschutzwände aus Holz, schöne Böden und moderne Leuchten, große Lofttüren und -fenster: Das alles wirkt edel und angenehm. Selbst die sanitären Anlagen sind kleine Design-Schmuckstücke.

In diesem Büro arbeitet die Firma Kollektiv 27, die soziale Dienstleistungen, vor allem ambulante Hilfen zur Erziehung, anbietet.
In diesem Büro arbeitet die Firma Kollektiv 27, die soziale Dienstleistungen, vor allem ambulante Hilfen zur Erziehung, anbietet. | Bild: Stadler, Eberhard

Die Mieter, die bereits eingezogen sind, äußern sich sehr angetan. „Uns gefällt es mega gut“, sagt beispielsweise Daniel Leguy-Mazdar. Der ehemalige Villinger Jugendhausleiter hat sich inzwischen mit vier Kollegen selbständig gemacht. Die Firma „Kollektiv 27“ bietet soziale Dienstleistungen, vor allem ambulante Hilfen zur Erziehung.

„Wir fühlen uns verdammt wohl hier“, bestätigt auch Hubert Wetzel, der gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Petra Koller seine Energie- und Bausanierungsberatung in die Goldenbühlstraße verlegt hat.

Blick ins Büro von Hubert Wetzel (rechts) und seiner Mitarbeiterin Petra Koller.
Blick ins Büro von Hubert Wetzel (rechts) und seiner Mitarbeiterin Petra Koller. | Bild: Stadler, Eberhard

Edles Ambiente im Tattoo-Studio

Richtig in die Vollen gegangen ist Benni Hayn. Sein Studio Bad-Kids Tattoo, zuletzt in der Oberen Straße beheimatet, ist in der Artfactory auf 300 Quadratmetern zu einem Schmuckstück erblüht.

Hier können bis zu zehn Tätowierer arbeiten. Daneben hat er noch viel Platz für Besprechungen und Planung. Auch Hayn ist voll des Lobes über den hohen Standard der Räume.

Das Tattoo-Studio von Benni Hayn. Der Blick geht vom Vorraum in den Arbeitsraum, wo bis zu zehn Tätowierer arbeiten können.
Das Tattoo-Studio von Benni Hayn. Der Blick geht vom Vorraum in den Arbeitsraum, wo bis zu zehn Tätowierer arbeiten können. | Bild: Stadler, Eberhard

Inzwischen sind die Vermietungen fast ein Selbstläufer, sagt Badia Ihlenfeld. Das meiste ist schon gelaufen. „Wir haben bereits rund 80 Prozent vermietet.“ Und fast täglich kommen neue Anfragen. Am Ende sollen es um die 50 Mieter sein.

Schon jetzt hat sie für einen bunten Dienstleistungs-Mix gesorgt. Unten im Keller, da proben in neuen, schalldichten Räumen diverse Musikbands. Die Musikschule Vogt ist dort ebenfalls eingezogen. Im Erdgeschoss, neben Café, Patisserie und Frisör, residiert auch ein modernes Sportstudio, das Kindern Selbstverteidigung lehrt.

Vorzeigeobjekt: Diesen Ausstellungsraum hat Badia Ihlenfeld für ihr eigenes Geschäft in der Artfactory gestaltet. Die Räume werden jetzt ...
Vorzeigeobjekt: Diesen Ausstellungsraum hat Badia Ihlenfeld für ihr eigenes Geschäft in der Artfactory gestaltet. Die Räume werden jetzt anderweitig vermietet, sie selbst zieht mit ihrem Geschäft ins Erdgeschoss um. | Bild: Stadler, Eberhard

Sogar ein Boarding-Haus im Gebäude

Weiter oben haben sich mehrere Ingenieurbüros und IT-Dienstleister eingemietet, daneben Einzelbüros mit Psychologen oder das Ayjurveda Studio von Yvonne Viebrans-Schenk.

Eine Immobilienagentur, ein Dienstleistungsbetrieb für erneuerbare Energie, ein Eventmanager und sogar ein Notar sind neu an Bord. Eingerichtet wurde zudem ein Boarding-House mit vier Zimmern, die man als Unterkunft für kürzere oder längere Aufenthalte mieten kann.

Yvonne Viebrans-Schenk hat ihr Ayurveda-Studio in die Artfactory verlegt.
Yvonne Viebrans-Schenk hat ihr Ayurveda-Studio in die Artfactory verlegt. | Bild: Stadler, Eberhard

Noch herrscht in mehreren Gebäudeteilen geschäftiges Treiben der Handwerker. Doch bis Sommer 2025 soll der Umbau abgeschlossen sein.

Badia Ihlenfeld sprüht vor Tatendrang, sieht sich als Visionärin. „Ich möchte die Leute inspirieren und was Schönes machen“, sagt sie. Und andere zur Nachahmung ermuntern. Denn was, so fragt sie, gibt es Besseres, als in die eigene Stadt zu investieren und diese zu verschönern?