Es sah nicht gut aus für die Fahrradsaison 2020. Fünf Wochen waren die Fahrradläden ab Mitte März geschlossen, in der wichtigsten Zeit für den Verkauf. Doch jetzt sieht die Lage ganz anders aus.

- Singer: „Als gleichzeitig mit Ostergeschäft und Saisonbeginn der Lockdown kam, war das ein Schock“, erinnert sich Markus Blust, der zusammen mit seiner Frau Tanja die Geschäftsführung beim Fahrradcenter Singer in VS-Schwenningen hat. Auf Kurzarbeit habe das Unternehmen bewusst verzichtet. Man habe lieber die Zeit genutzt, um Verkauf und Werkstatt auf eine Wiedereröffnung vorzubereiten. Was viele Kunden nicht wissen: Für die Fahrradhändler geht bereits im Juli die neue Saison los. Zu diesem Zeitpunkt finden die Messen statt, auf denen man die Räder für das nächste Jahr bestellt. Im Winter bekommen die Händler dann die Räder geliefert, im Frühjahr kommen die Rechnungen, berichtet Blust. Als größerer Händler hat Fahrrad Singer zu Saisonbeginn dann um die 4000 Räder am Lager. Dieses Jahr aber war man gezwungen, genau zu diesem Zeitpunkt den Laden zu schließen – „keiner wusste wie lange das dauert und wie es danach weitergeht“, so Blust. Doch als sich nach der fünfwöchigen Schließung die Ladentüren öffneten, seien sie regelrecht überrannt worden. Sowohl im Verkauf als auch in der Werkstatt brummt das Geschäft seither. Ob Kinderräder, Mountainbikes, E-Bikes oder Zubehör, die Nachfrage sei enorm. „Wir mussten in den letzten Wochen Türsteher haben, das gab es noch nie“, berichtet der Geschäftsführer immer noch sichtlich beeindruckt.

- Tour: Auch Martin Vetter vom Fahrradgeschäft Tour im Gewerbegebiet Neuer Markt kann sich über die verspätet gestartete Saison nicht beschweren. „Die Schließung haben wir längst kompensiert“, freut er sich. Auch hier ist der Ansturm kaum zu bewältigen, trotz „Überstunden ohne Ende“. Vetter, der von sich selbst sagt: „Ich lebe Fahrrad“, musste in den vergangenen Wochen einige Werkstattaufträge schweren Herzens ablehnen, nachdem der Vorlauf für Reparaturen schon bei fünf Wochen angelangt war. Im Verkauf habe die Nachfrage das normale Jahreszeitgeschäft bereits deutlich überschritten und gehe quer durch das Sortiment. Dementsprechend gibt es bei den meisten Herstellern Lieferschwierigkeiten. Von zwei Firmen bezieht Vetter sehr hochwertige E-Bikes, die erst nach Konfigurierung durch den Kunden gefertigt werden. Dort seien die Lieferzeiten nur leicht abweichend. Aus Überzeugung hat Vetter auch außergewöhnliche Modelle im Angebot. Wie etwa die Räder einer Kieler Firma, die mit einem sozialen Projekt verknüpft sind: Der Rahmen wird in Ghana komplett aus Bambus gefertigt. Die Leute werden gerecht entlohnt und mit dem erwirtschafteten Geld ist dort unter anderem schon eine Schule gebaut worden.

- Pedal: Michael Wehinger, der vor zweieinhalb Jahren das Villinger Fahrradgeschäft Pedal übernommen hat, ist von der gestiegenen Nachfrage ebenfalls überrascht worden. Die Renner im Verkauf seien, wie schon in den vergangenen Jahren, die E-Bikes. „Aber wir sind querbeet sehr zufrieden“, sagt er. Das Pedal, das einst vom Weltklasse-Radsportler Uli Rottler betrieben wurde, hat von jeher einen sportlichen Schwerpunkt. So schätzt die Kundschaft die Auswahl an Gravels, das sind Fahhrräder, die sich zwischen Mountainbike und Rennrad positionieren. Auch im Rennradbereich, bei den Mountainbikes und den Kinderrädern laufe der Verkauf sehr gut. Da die Verkaufszahlen bei den E-Bikes seit Jahren steigen, sieht Wehinger diesen Bereich nur indirekt mit Corona in Verbindung. Allerdings gebe es durchaus Kunden, bei denen die gebuchte Kreuzfahrt abgesagt ist – „und für das Geld gibt es zwei schöne E-Bikes“, sagt er augenzwinkernd. Den Werkstattservice kann man im Pedal derzeit nur noch mit Termin aufsuchen, was in normalen Jahren auch spontan geht. „Aber 90 Prozent der Leute sind unfassbar vernünftig“, resümiert Wehinger: „Sie rufen vorher an und fragen, wann sie kommen können“.