Die Uhr im Probensaal der Stadtharmonie im Haus der Musik ist stehen geblieben – ein Symbol für den Seelenzustand des seit 1924 bestehenden Musikvereins. Im Jahr 1927 wurde die Jugendkapelle gegründet. Heute leitet sie Benno Kilzer, ein Urgewächs der Stadtharmonie. „Am 8. März 2020 habe ich meine komplette Kapelle zum letzten Mal bei der Gesamtprobe gesehen“, sagt der Dirigent wehmütig.

Die längste Pause seit dem Zweiten Weltkrieg

Dieses Datum steht für den Beginn der längsten Unterbrechung der Tätigkeit des Vereins seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem ersten Lockdown ging es zunächst weiter. Unter strengster Einhaltung aufwändiger Hygienemaßnahmen wurde abwechselnd in zwei Gruppen für das Jahreskonzert im November geprobt. Trotzig-hoffnungsvoller Titel: „Wir leben“.

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Vier Wochen vor dem Auftritt kam dann die Absage. „Der „Lockdown light“ war für uns voll hart“, beschreibt Benno Kilzer die Gefühlslage der Kinder und Jugendlichen. Für sie hat die Zwangspause spürbare Auswirkungen auf ihre musikalische Entwicklung. Nach dem Vororchester wird rund fünf Jahre in der Jugendkapelle gespielt. „Da sind anderthalb fehlende Jahre unbezahlbar,“ sagt Kilzer. Im Idealfall erfolgt dann der Wechsel ins „Große Orchester“.

Nachwehen werden Jahre dauern

Jetzt gibt es keinen Nachwuchs aus dem Vororchester und gleichzeitig Abgänge durch Abitur, Ausbildung oder Wechsel der Hobbys bei Kindern und Jugendlichen. Kilzers gezielte Aufbauarbeit und Planung der musikalischen Entwicklung der Orchester wurde aufs Brutalste gestoppt. „Das werden wir noch Jahre merken.“

Die schwierigste Zeit kommt noch

Die beiden Vorstandsmitglieder sind sich sicher, dass es ihnen geht wie allen Musikvereinen: Fehlende Einnahmen durch weggefallene Konzerte und Bewirtungen können durch verstärkte ehrenamtliche Arbeit und Einsatz der Rücklagen kaum ausgeglichen werden. Spenden von Förderern sichern die finanzielle Existenz. „Wir werden überleben,“ sagt Henry Greif, seit 2012 Vorsitzender des Vereins. „Die schwierige Zeit für alle Vereine kommt erst, wenn der Normalbetrieb wieder losgeht.“

Jahreshauptversammlung unter freiem Himmel

Dennoch siegt die Zuversicht. „Wir planen so, als wenn es im September weitergeht“, freut sich Benno Kilzer. In wöchentlichen Online-Treffen werden die nächsten Auftritte geplant, Musikstücke angehört und die erste Probe im Freien vor den Sommerferien vorbereitet. Die Jahreshauptversammlung ist als Freiluftveranstaltung im Juli geplant.

Balsam für die verletzte Musikerseele

Auf die Frage, was er sich wünscht, lässt Benno Kilzer tief in sein Herz blicken. „Ein Konzert spielen – mit dem gesamten Orchester, vor vollem Saal.“ Der erste Applaus wird Balsam sein für die verletzte Musikerseele. „Das wird emotional der Wahnsinn.“