
Der Erhalt des Brauchtums wird bei den Narren gerade in Villingen seit Jahrhunderten gepflegt. Das passt heutzutage überraschend überraschend perfekt zu gesellschaftlichen Anstrengungen gegen Klimawandel und Umweltbelastung. Diese Beispiele belegen dies:
Schanzelzunft und Fleck-Fleck
Man muss nicht immer ein Feuerwerk zünden oder Schwarzpulver abbrennen, um es ordentlich krachen zu lassen. Diese Villinger Fasnetfiguren lassen traditionell die Goaßl knallen, das donnert mehr in den Gassen als jeder Knallfrosch.

Und: Die langen Peitschen, die mit geschultem Arm geschwungen werden müssen, sind immer aus reinen Naturmaterialien gefertigt. Leder und Hanfschnur werden hier meist verarbeitet.
Der Narro
Villingens Paradefigur der Fastnacht ist auch in puncto Nachhaltigkeit vorne dabei. Allein die über Generationen vererbten Häser sind ein Statement in einer Zeit, in der Pullover, Hosen oder T-Shirts rasch entsorgt werden, weil die Mode gewechselt hat. Und: Villingens größte Zunft hat viele goldene Regeln, vor allem aber eine – der Narro verlässt seine Stadt an der Fasnet nicht. Ressourcenschonend ist hier noch viel mehr: Ins Häs geht der Villinger zu Fuß, möge der nächtliche Heimweg noch so anstrengend sein.
Der Morbilewagen der Zunft wird von Rössern gezogen, viele andere Wagen der Narros ebenfalls. Und außerdem: Zuletzt haben die Narros im Warenbachtal einen Schemenwald gepflanzt. Hier wächst Winterlinde für die Masken kommender Generationen. Mehr Sinnhaftigkeit geht eigentlich gar nicht mehr.
Die Glonkigilde
Die Blechtrommler basteln ihr Lärm-Instrument aus alten Fässern. Das ist genau das bei heutigen Öko-Audits viel verlangte Zuführen verbrauchter Wirtschaftsgüter zu einem neuen Zweck.
Dazu kommt: Das Statement-Häs des Vereins in Weiß-Blau ist eine Art Rudimentär-Verkleidung wie das Accessoire der Zipfelkappe. Maximale Außenwirkung erzielt wird mit Langhemd und Mütze auf Grund einer klaren Formen- und Farbensprache.

Die Fastnachter der Gilde leben Ökologie vor. Beim ersten Umzug des Jahres 2023 starteten die Weiß-Blauen in Villingen und machten sich zu Fuß auf nach Pfaffenweiler am anderen Ende der Jungviehweide auf. Dazu erschallt hier immer der Narrenruf „Rhabarber“, der die Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit gleichermaßen artikuliert.
Die Katzenmusik
Die traditionsregeln des zweitgrößten Villinger Fastnachtsvereins legen es fest: Das Epizentrum des närrischen Treibens der Gruppen dieses Vereins ist das Riet am Romäusturm.
Hier schläft das Jahr über der Kater Miau, der nur zur Fastnacht rausgelassen wird und durch die Stadt stöbern darf. Der Kater wird mit sinnbildlich mit Mäusen und keinesfalls mit anderem Futter ernährt.

Das Bewahren der Tradition wird in diesem Verein hochgehalten – dank kundiger Mitglieder: Erfahrene Katzenmusiker sind das Jahr über – meist fast durchgängig – mit dem Reparieren von Ledergurten, Helmen oder mit dem Enger- oder Weitermachen von Häsern beschäftigt.
Nicht zuletzt: Die mittlerweile gefundene Adresse fürs Vereinsstüble unterstreicht die Quartiers-Zugehörigkeit zum Riet.
Die Hexenzunft
Die Langnasen streifen ins Strohschuhen durchs närrische Geviert und reiten maximal ihren Besen. Die flächige grüne Häsfarbe ist beileibe keine politische Botschaft sondern ein selbstbewusst leuchtendes Statement des Brauchtums im Verein.

Der Wagenbau ist geprägt von heimischem Holz, der Hexengeist wird sorgsam und frühzeitig nach geheimer Rezeptur angesetzt und nur in homöopathischen Dosen an Umstehende ausgeschenkt. Wie bei vielen Villinger Vereinen gibt es auch hier eine riesige Häskammer, die vor allem von Kinderhexen stark nachgefragt wird.
Die Fasnetmusiker
Villingen hat eine mitreißende Fastnachtsmusik. Die gediegene Stadt- und Bürgerwehrmusik und die schwungvolle Stadtharmonie ragen hier besonders heraus, auch, weil die beiden großen Vereine viel mehr leisten.
In Schulungsräumen werden Hunderte von jungen Menschen ganzjährig am Instrument ausgebildet, im Verein lernen die Heranwachsenden das helfende Miteinander in der Gemeinschaft.

Eine Villinger Musikgruppe sticht mit Nachhaltigkeit auf besondere Weise heraus: Die Fazenedle. Das Wort ist eine Anleihe aus dem Italienischen. Dort heißt das Taschentuch eben Fazoletto.
Die Häser der Villinger Fazenedle bestehen aus mehreren Hundert von aufgenähten Stofftaschentüchern. Auch dies kann als eine Form von Recycling verstanden werden – bevor dann ab Aschermittwoch die Fasnetgrippe kommt.
Der Fasnetgoascht
Für alle, die Narretei und Gaudi lieben, ist er besonders nachhaltig. Zu erleben war dies, wie kaum einmal, an der vorsichtig ausgetragenen Villinger Fasnet 2022. Keine Bälle, keine Stüble, nur Straßenfasnet pur.

Bis heute meinen viele, es war eines der schönsten Fasneterlebnisse in Villingen überhaupt. Eine Tradition, die Zehntausende hochleben ließen. Umhüllt von einer besonders zauberhaften Atmosphäre in der Zähringerstadt, die sich – der Virusgefahren bewusst – den Bedingungen anpasste und mutig drauflos feierte.