- So viele Schwebfliegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr
- Warum es 2020 so viele gibt, kann nur vermutet werden
Sie beobachten uns, ahmen unsere Bewegungen nach, verfolgen uns, umkreisen uns. Aber sie sind harmlos, auch wenn sie uns mit ihrem Aussehen vortäuschen, dass sie Gattungen der wehrhafteren Insekten angehören. Gemeint sind Schwebefliegen, auch Steh- und Schwirrfliegen genannt. In diesem Jahr schwirren besonders viele dieser Spezies durch die Lüfte der Region.
Beobachtungen
Diese Annahme beruht nicht auf einigen, wenigen Beobachtungen, vielmehr hat unsere Umfrage im sozialen Netzwerk Facebook ergeben, dass „unfassbar viele davon dieses Jahr unterwegs sind“, schreibt uns dort eine Leserin. Eine andere berichtet: „Im Garten sind es eher weniger, aber auf meiner Runde in der Stadt sehe ich die überall und fühle mich quasi verfolgt.“ Eine weitere Schilderung besagt, dass der ganze Balkon voll ist. „Es sind mega viele dieses Jahr.“ Ja sogar in die Häuser dringen sie ein, behauptet eine andere Leserin. „Und los bekommt man die nicht.“ Im folgenden Video hat sich ein Exemplar in die Villinger SÜDKURIER-Redaktion verirrt.
Nützlinge
Die Insekten zu bekämpfen, wäre ein große Fehler, denn Schwebefliegen gelten als echte Nützlinge und als Freunde aller Hobbygärtner. Die Larven zahlreiche Arten verspeisen für ihr Leben gerne Blattläuse. Die erwachsenen Tierchen lassen sich Nektar und Pollen schmecken und leisten so einen wichtigen Beitrag bei der Bestäubung von Blüten. Neben Bienen zählen sie zu den fleißigsten Bestäubern überhaupt. Stechen können sie nicht. Nicht zuletzt sind sie Nahrung für größere Tiere, wie etwa Vögel.
Verschiedene Arten
Thomas Schalk, Vorsitzender des Naturschutzbundes Schwarzwald-Baar (Nabu), bestätigt das Massenaufkommen: „So viele habe ich seit 20 Jahren nicht mehr gesehen.“ Beobachtet hat er bereits mehrere Arten. „Einige sind vermutlich Zuwanderer aus dem Süden, aber auch heimische Arten“, erklärt er. Solche Wanderungen sind nicht ungewöhnlich, einige Schwebefliegen-Arten zählen nämlich zu den Wanderinsekten. Im Herbst ziehen sie in Schwärmen von Mitteleuropa nach Süden und Südwesten, im Frühjahr in umgekehrter Richtung. Dabei überqueren sie sogar die Pyrenäen und die Alpen. Vor Ort werden sie, wie viele Insekten, von Lichtquellen magisch angezogen.
Mögliche Gründe
Warum in diesem Jahr so viele Schwebefliegen vorkommen, darüber kann letztlich nur spekuliert werden. Eine genaue Ursachenforschung wäre sehr aufwendig, ist sich Schalk sicher. Auch Gabi und Hartmut Ebenhöh aus Unterkirnach bestätigen gegenüber dem SÜDKURIER das massive Auftreten und das Vorkommen von Zuwanderern, und das, obwohl die Populationen in den letzten Jahren stark zurückgegangen seien. Einen Tiefpunkt hatten die Ebenhöhs vor etwa drei Jahren festgestellt. „Damals gab es nur ganz wenige“, erinnert sich Gabi Ebenhöh. Umso mehr freuen sie sich jetzt über den plötzlichen Zuwachs. Das Ehepaar beschäftigt sich seit einiger Zeit mit diesen Hautflüglern und versucht die entdeckten Arten mit Fotos zu dokumentieren und zu bestimmen. Als mögliche Gründe für das Massenauftreten nennt Hartmut Ebenhöh einen milden Winter und viele Blattläuse im Frühjahr. Populationsschwankungen sind in der Natur jedoch keine Seltenheit. Daher bleibt zu hoffen, dass der Anstieg nicht nur ein Strohfeuer ist.
Massenvorkommen
Neben natürlichen Schwankungen durch Klima oder Nahrungsangebot, spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Durch eingewanderte Arten kann das Gleichgewicht in einem Naturraum ebenfalls durcheinander kommen. In der Planzenwelt sind Springkraut, Japan-Knöterich, Ambrosie und der Riesen-Bärenklau ein Begriff.
Bei Tieren nennt Schalk die Amerikanische Zapfenwanze als Beispiel, die sich zuletzt stark vermehrt habe. In den vergangenen zwei Jahren machten hier in der Region gleich mehrere Wanzenarten den Menschen zu schaffen (wir berichteten).
Es gibt aber auch immer wieder erfreulichere Entwicklungen, so wie jetzt bei den Schwebefliegen. Schalk hat auch bei Distelfaltern eine positive Entwicklung beobachtet. „Und im Frühjahr gab es wieder mehr Rotkehlchen“, freut er sich.
Trendumkehr?
Ralf Claaßen von der Villinger Vogelstation hat sogar das Gefühl, dass es allgemein wieder mehr Insekten gibt, abseits der natürlichen Schwankungen, die es auch bei Wespen und Hornissen gebe, mit denen er sich am besten auskennt. Ein Indiz, das für seine Annahme spricht, sind die Überbleibsel von Insekten an Autoscheiben. Waren in den Jahren zuvor kaum noch Flecken auf unseren Fahrzeugen zu finden, sind es in diesem Jahr wieder mehr, allerdings noch nicht vergleichbar mit früheren Jahren in den 80er- und 90er-Jahren.
Und dann gibt es noch diese grünen Käfer, vermutlich Rüsselkäfer. Ein Leser teilte uns mit, dass auch diese flugfähige Spezies im Frühjahr und Sommer 2020 vermehrt in Wohnzimmern und Gärten anzutreffen sei. Weitere Meldungen diesbezüglich sind dem SÜDKURIER allerdings noch nicht bekannt.