Der neue Besitzer Silviu Sauer lässt derzeit den Dachstuhl komplett erneuern, der nach seiner Feststellung „komplett kaputt“ war. Für die Gambrinus-Gaststätte im Erdgeschoss hat er ebenfalls Pläne. Hier soll nach einer Renovierung der Räumlichkeiten, so sein Ziel, ein „deutsches Restaurant„ betrieben werden. Es gebe dafür schon drei, vier Interessenten, berichtete er auf SÜDKURIER-Anfrage.

Die Dachsanierung wurde nötig, so schildert Silviu Sauer, weil Orkan „Sabine“ Anfang des Jahres einige Schäden an dem Dach angerichtet hatte. Er hat sich daraufhin entschlossen, den maroden Dachstuhl insgesamt zu erneuern. Nach eigenen Angaben investiert er hier knapp 100 000 Euro. Bis Ende Juni sollen die Arbeiten abgeschlossen werden. Auch in den Wohnungen gab es bereits einige Renovierungsmaßnahmen und neue Bodenbeläge.

Ärger mit Denkmalamt
Alte Gebäude kaufen und sanieren, das ist das Geschäftsmodell des gebürtigen Donauschwaben Silviu Sauer (43), der ein kleines Trockenbauunternehmen in Immendingen betreibt. Er würde am liebsten auch die alte Fassade des Gambrinus-Gebäudes mit seinen Leuten sanieren, hat aber diesbezüglich einen gravierenden Dissens mit der Denkmalschutzbehörde. Die Behörde verlange, dass er den bisherigen Hausverputz auf dem Gebäude belasse. Sauer fürchtet, dass darauf ein neuer Verputz nicht halten wird. Außerdem sei der jetzige Verputz nicht historisch sondern vielleicht 40 Jahre alt, schüttelt er den Kopf über diese Vorschriften. Sollte sich hier keine Einigung erzielen lassen, sagt er, werde er den alten Verputz so lassen wie er ist.
Renovieren will er die Gaststätte im Erdgeschoss, die es nach dem Auszug einer Shisha-Baar vor drei, vier Jahren ziemlich nötig hat. Umbaumaßnahmen sind nicht vorgesehen. Die Räume bleiben so, wie sie viele Villinger noch aus der Zeit des griechischen Restaurants „El Greco„ kennen.
Nach dem das Gebäude jahrelang vor sich hin bröselte, tut sich damit wieder was an dem stadtbildprägenden stattlichen Brauereigebäude. Der Niedergang setzte bereits Ende der 80er-Jahre ein, als die Wienerwald-Kette aus der Gaststätte auszog. 1987 wurde das Haus von der Inhaberfamilie Faller an Anne-Gertrud Kiefer-Riepl verkauft. Deren Mann Hartmut Riepl, von 1980 bis 1984 Landtagsabgeordneter der SPD im Landkreis, wollte die frühere Brauerei-Gaststätte samt dem angrenzenden ehemaligen Brauerei-Sudhaus in der Josefsgasse zu einem großen Wohn- und Geschäftshaus umbauen.
Riepls Desaster
Doch das ambitionierte Projekt von Riepl scheiterte an der Finanzierung. Die finanziellen Teilhaber an dem Gebäude, unter anderem das Stuttgarter Hofbräuhaus, „wollten nichts in das Gebäude reinstecken“, resümierte Hartmut Riepl (80) gegenüber SÜDKURIER. Das ganze Vorhaben endete im wirtschaftlichen und persönlichen Desaster, insbesondere für Riepls damalige Ehefrau. Es folgten und mehrere Zwangsversteigerungen. Riepl wohnt übrigens noch immer in einer Wohnung dieses Hauses, das für ihn mit vielen Enttäuschungen verbunden war.
Bereits 1997 kam das Gambrinus-Sudhaus in der Josefsgasse unter den Hammer. Es wurde von der Immobilienfirma Eiche aus Villingen in den Jahren 2000/2001 schick saniert und verkauft. Das Vorderhaus in der Oberen Straße mit der Gambrinus-Gaststätte und vier großen Wohnungen wurde im November 2003 ebenfalls zwangsversteigert. Neuer Eigentümer wurde der Schwenninger Immobilienmakler Hans Reiser. In dieser Zeit wurde in der Gaststätte viele Jahre das griechische Restaurant „El Greco„ (heute nebenan im Oberen Tor) betrieben, ab 2013 eine Shisha-Bar.
In dieser Zeit gab es schwere Auseinandersetzungen zwischen Eigentümer und dem Gaststätten-Pächter der Shisha-Bar. Gestritten wurde über Mietschulden, Vandalismus und verdreckte Räumlichkeiten. Der Mieter beklagte desolate Räume, Ungeziefer und Ratten im Gebäude. Der Besitzer wies dies damals zurück und erklärte, er habe von Anfang an klargemacht, dass er keine Renovierungen in der Gaststätte vornehmen werde. Überhaupt, so berichtet Hausbewohner Hartmut Riepl, sei in dieser Zeit viel zu wenig in des Gebäude investiert worden.
Weitere Tiefpunkte waren zwei Razzien der Polizei. 2018 stürmte ein Kommando der Bundespolizei eine Wohnung des Gebäudes. Es bestand der Verdacht, dass in dorthin illegale Ausländer durch gewerbliche Schleuser untergebracht wurden. Im April 2019 duchkämmte die Polizei das Gebäude nach einem Verdächtigen aus der Rauschgiftszene.
Die Geschichte
Gebaut wurde das Gebäude in der Oberen Straße 31 Ende des 19. Jahrhunderts. Von 1884 bis 1954 wurde es als Brauerei mit Wirtschaft betrieben. Später nur noch als Gasthaus Gambrinus. Betreiber von Brauerei und Gasthaus waren ab 1884 Adolf Sigwarth, 1902 bis 1930 Karl Faller, 1939 bis 1962 Karl und Erwin Faller.

Mary Roos lebte hier
Mitte der 60er Jahre wohnte sogar die später bekannte deutsche Schlagersängerin Mary Roos mit ihrer Familie zur Miete in einer Wohnungen über dem Gambrinus, bis die Familie wieder wegzog. Zunächst blieb das imposante Gebäude im Besitz der Familie Faller. Vielen älteren Villingern ist sie noch ein Begriff, als im Jahre 1984 die Schnellrestaurant-Kette „Wienerwald„ mit ihrer Hähnchenbraterei für einige Jahre als Pächter in die Gaststätte einzog.