„Marlene kann alles und will alles“, so beschreibt ihre Mutter, Kerstin Hüsken, das Temperament der Fünfjährigen. Marlene ist eine zarte Erscheinung. Doch man sieht ihr nicht an, was sie bereits durchgemacht hat. Nachdem die Eltern bereits während der Schwangerschaft erfahren hatten, dass ihr Kind mit einem Herzfehler auf die Welt kommen wird, sah die Diagnose zunächst einigermaßen beruhigend aus: Die Fallot-Tetralogie ist ein komplexer, aber meist gut zu korrigierender Herzfehler. Doch bei Marlene haben sich kurz nach der Geburt sogenannte hypoxämische Anfälle entwickelt – schwere Notfälle, die mit Sauerstoffmangel einhergehen.
Eine erste Operation war bei dem erst fünf Tage alten Baby unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine notwendig: In Marlenes winzigem Herzen wurde ein sogenannter Shunt, eine Art Verbindung der Blutkreisläufe, angelegt, um die Durchblutung der Lunge zu normalisieren. Als sie aus dem OP kam, gab es Komplikationen, Marlene musste lange beatmet werden, es kam zu Nierenversagen. „Von der ganz schlimmen Zeit habe ich nicht einmal mehr ein Bild im Kopf“, sagt ihre Mama heute.
Auch die Phase nach der zweiten OP, der eigentlichen Korrektur des Herzfehlers, war unerwartet komplikationsreich. Das habe das damals acht Monate alte Mädchen in seiner Entwicklung auch sichtbar zurückgeworfen, erinnern sich die Eltern. Trotz allem konnte Marlene mit drei Jahren im Kindergarten eingewöhnt werden. Kurze Zeit später stellte sich heraus: Die Pulmonalklappe ist in einem so schlechten Zustand, dass sie ersetzt werden muss. Ein dritter Eingriff war unumgänglich. Kurz vor ihrem vierten Geburtstag war eine passende Spenderklappe gefunden und die Operation verlief erfolgreich.
Spielen und Kinderturnen als ein Stück Normalität
Seither gehe es endlich bergauf, die Tannheimer Ärzte seien zufrieden mit Marlenes Herz, so Papa Wolfgang Hüsken. Bei der Ergotherapie mache sie tolle Fortschritte. Auch Physiotherapie und Heilpädagogik stehen auf dem Programm. Ein wichtiges Ziel der Reha ist, sie in ihrer motorischen und sprachlichen Entwicklung weiter zu fördern. Bewegung und Spiel beim Kinderturnen, in der Kindergruppe und der Freizeit bringen ein Stück Normalität für das quirlige Mädchen.
Marlenes siebenjähriger Bruder Lennart geht gerne in die Klinikschule und die Kindergruppe. Vor allem von der Turnhalle und dem klinikeigenen Schwimmbad ist er begeistert. In den letzten Jahren musste Lennart oft zurückstecken und auch er muss einen Weg finden, mit der Krankheit seiner Schwester umzugehen. Wie hat er das Erlebte verarbeitet? „Das ist ein schwarzer Fleck für uns“, sagen seine Eltern. Sie merkten jedenfalls, dass er sich viele Sorgen mache. Während des Tannheim-Aufenthalts besucht er daher die heilpädagogische Geschwistergruppe, in der speziell auf die Themen und Ängste der Schwestern und Brüder von kranken Kindern eingegangen wird. Dort treffe Lennart auf andere Kinder, die Ähnliches erlebt haben.

Und die Eltern? „Wir sind schon so lange im Funktionsmodus“, sagt Kerstin Hüsken. Von der ersten Diagnose in der Schwangerschaft bis heute sind fast sechs Jahre vergangen. Sechs Jahre zwischen Hoffen und Bangen. Berufliche Pläne schmieden, Hobbys nachgehen, die Partnerschaft pflegen – für alle Eltern eine Herausforderung, für Eltern schwerkranker Kinder fast unmöglich.
Wichtige Auszeit für die Eltern
Daher bedeutet die Reha für sie auch die Chance, sich um sich selbst zu kümmern. Kerstin und Wolfgang Hüsken haben beim Nordic Walking, beim Zirkeltraining und im Kraftraum Gelegenheit, sich auszupowern und den Kopf freizubekommen. Therapeutische Gespräche helfen den Eltern außerdem bei der Verarbeitung der belastenden Zeit. „Hier können wir alles sacken lassen und Richtung Zukunft blicken“, sagt Wolfgang Hüsken erleichtert. Die gemeinsame Zeit als Familie genießen die Hüskens ganz besonders. „Nichts ist selbstverständlich“, sagt Kerstin Hüsken, das habe sie in den vergangenen Jahren gelernt. „Wir sind dankbar für das, was wir haben.“